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Einladung für Spam gehaltenGeschäftsführerin des Kalker Integrationshauses erhält Bundesverdienstkreuz

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Elizaveta Khan hält ihre Urkunde in die Luft und ihr Baby im Arm, Henriette Reker hält das Bundesverdienstkreuz.

Bei der Bundesverdienstkreuz-Verleihung an Elizaveta Khan ist neben Henriette Reker auch Tochter Kiki dabei.

Elizaveta Khan hilft Migrantinnen und Migranten im Integrationshaus in Köln-Kalk – für ihre Arbeit erhielt sie nun ein Bundesverdienstkreuz.

So ein Bundesverdienstkreuz ist aus der Nähe betrachtet doch eine recht komplizierte Angelegenheit. In der Schachtel liegen drei unterschiedliche Teile: das Kreuz am Band, dann noch eine Anstecknadel und zu guter Letzt eine Art Schleife. „Vielleicht ist die fürs Regal gedacht?“, fragt sich Elizaveta Khan verwundert. „Da war auch eine Anleitung dabei, aber die habe ich versehentlich im Rathaus liegen lassen. Jetzt traue ich mich nicht anzurufen.“

Ehrung durch Henriette Reker im Kölner Rathaus

Ein bisschen überwältigt wirkt die Geschäftsführerin des Integrationshauses (In-Haus) immer noch: Kürzlich wurde ihr die höchste Anerkennung verliehen, die die Bundesrepublik Deutschland für Verdienste um das Gemeinwohl zu vergeben hat. „Als ich die Nachricht per E-Mail erhielt, dachte ich zuerst, das wäre was für den Spam-Ordner“, erzählt Khan lachend. „Aber dann kam das offizielle Schreiben der Stadt.“

Das ist ein Preis für alle, dir mir diese Arbeit ermöglichen und für unser Team
Elizaveta Khan, Leiterin des Integrationshauses

Und die Einladung zur feierlichen Überreichung des Bundesverdienstkreuzes im Rathaus durch Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Die lobte Elizaveta Kahn, weil sie „Menschen stärke, die sonst keine Stimme haben“. Auch Bezirksbürgermeisterin Claudia-Greven-Thürmer, die bei der Zeremonie dabei war, freute sich über die Auszeichnung: „Sie hat einen echten Willkommensort geschaffen. Ihre positive Energie ist einfach ansteckend und hat viele Menschen angeregt, sich einzubringen und Kalk mitzugestalten.“

Gründung in Köln-Kalk mit „Frauen-Power“ als Schwerpunkt

„Natürlich habe ich das überhaupt nicht verdient, das ist ein Preis für alle, die mir diese Arbeit ermöglichen und vor allem für unser Team von engagierten Ehrenamtlern“, sagt Khan nun inmitten des Tohuwabohus aus Kinderwagen, Kleider-Säcken, Stimmengewirr und ratsuchenden Menschen, wie es in den Räumen am Ottmar-Pohl-Platz üblich ist. „Ich bin ja nur so etwas wie die Außenministerin, weil ich auf allen Fotos zu sehen bin.“

Ein bisschen mehr als andere hat sie die Ehrung wohl doch verdient. Schließlich hat sie das In-Haus 2010 gegründet, zusammen mit ihrer Kollegin Gertrud Weitze-Alreuther, die mittlerweile im Ruhestand ist. Es sei schon damals darum gegangen, Migranten eine erste Orientierungs- und Anlaufstelle zu bieten, aber nicht nur: „Wir hatten von Anfang an Frauen-Power als Schwerpunkt unserer Arbeit“, erzählt Khan. Denn Frauen müssten, anders als junge Männer, Kinder versorgen, ihnen fehle aus ihren Heimatländern auch nicht selten die Erfahrung, dass Frauen Bildung erlangen und erfolgreich im Beruf sein können.

„Wir wollen den Frauen helfen, sich hier zu verwirklichen, ihren Interessen und Bedürfnissen nachzugehen.“ Deshalb gehörte eine Kinderbetreuung stets zu den Grundangeboten des In-Hauses. Neben Deutsch- und Integrationskursen sind Kunst- und Medienprojekte inzwischen ein Markenzeichen des interkulturellen Zentrums.

Soziale Karrierelaufbahn in Köln

Elizaveta Khan wurde vor 40 Jahren als Tochter eines koreanisch-japanischen Vaters und einer Mutter mit deutschen und armenischen Wurzeln in Moskau geboren. Die Künstlerfamilie siedelte 1992 nach Deutschland über, weil damals unsicher war, in welche Richtung sich die Russische Föderation entwickeln würde.

Ich würde hier so gerne wählen gehen, weil ich überzeugte Verfechterin der Demokratie bin
Elizaveta Khan, Leiterin des Integrationshauses

„Seit 2004 versuche ich, die russische Staatsbürgerschaft loszuwerden, damit ich Deutsche werden kann, aber das ist bisher immer an der russischen Bürokratie gescheitert. Dabei würde ich hier so gern wählen gehen, weil ich überzeugte Verfechterin der Demokratie bin.“ Derzeit allerdings komme der Gang zur russischen Botschaft nicht in Frage. „Die Gebühren, an die 800 Euro, würden doch direkt in Putins Kriegskasse gehen.“

Elizaveta Khan ist in Niehl und Humboldt-Gremberg aufgewachsen, hat Soziale Arbeit an der Katholischen Fachhochschule studiert, engagiert sich im Vorstand der Stiftung Kalk Gestalten, sitzt in Beiräten etwa des städtischen Kulturamts oder des Rom e.V. und ist als Lehrbeauftragte für die Internationale Hochschule Köln und die TH Köln tätig.

In-Haus in Köln – wichtige Arbeit mit spannenden Zukunftsplänen

Aber nur bei Wochenendseminaren, denn alles andere würde sich mit ihrem Zwölfstundentag nicht vertragen. Den stemmt sie auch nach der Geburt ihrer Tochter vor zwei Monaten: „Ich sage nie: Ich geh’ jetzt zur Arbeit, weil ich genau das mache, was ich machen will. Ich freue mich, dass ich so etwas wie das In-Haus mitgestalten darf.“

Weniger wird die Arbeit dort jedenfalls nicht, und das liegt nicht nur an den Flüchtlingen aus der Ukraine, die in den vergangenen Monaten in großer Zahl ins In-Haus kamen – auch, weil Khan Russisch spricht. Vor knapp zwei Jahren hat die Einrichtung mit dem „Demokratie Space“ eine Dependance an der Kalker Hauptstraße eröffnet, wo sich Gruppen kostenlos treffen können. Und nach dem Auszug der Minibib aus dem alten CFK-Wasserturm will das In-Haus bald auch diesen Ort bespielen. „Der Turm ist doch ein schöner Ort für Lesungen, Vorträge oder Schreibworkshops“, sagt Khan voller Tatendrang. „Wir warten jetzt nur noch auf die Genehmigung der Stadt.“

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