„Frag mich nicht, wie’s mir geht“Autoren aus aller Welt lesen beim Literaturfestival in Köln-Kalk

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Drei Frauen halten kleinformatige Bilder in der Kamera, hinter ihnen ist ein baumbestandener Platz mit vielen Menschen.

Fotos aus der Ausstellung „Pack deine Sachen“ präsentieren Olga Novykova, Xenia Gromek und Eva Grütgen (v.l.).

Das Europäische Literaturfestival Köln-Kalk (Elk) brachte Autoren aus der Ukraine, Israel, Ungarn, Curacao und der Türkei zusammen. 

Als ihr Vordermann das Gespräch mit dem Beamten beendet hat, als sie endlich an der Reihe ist, fühlt Tjawangwa Dema, wie sich eine „Angstlawine“ auftürmt. Schon die Frage „Wie lange bleiben Sie?“ irritiert sie, und erst als der Beamte ihr „den gestempelten Pass in die schwitzende Hand zurückgibt“, atmet sie wieder frei. Dabei hält sie Seminare an Universitäten, kuratiert Literaturfestivals in Deutschland, England und den USA. Hat die Angst bei der Ankunft in einem Land der nördlichen Hemisphäre, die sie in ihrem Gedicht beschreibt, etwa damit zu tun, dass sie aus Botswana stammt, dunkelhäutig ist?

Gedichte stellen Fragen, so war das auch wieder auf dem fünften Europäischen Literaturfestival Köln-Kalk (Elk), zu dem Dema neben fünf Autorinnen und Autoren aus der Ukraine, aus Israel, Ungarn, Curacao und der Türkei eingeladen war. Zum ersten Mal hatte das Festival mit „Exil“ ein Thema, das vor dem Publikum auf dem Ottmar-Pohl-Platz oder in der Pflanzstelle auf sehr unterschiedliche Weise behandelt wurde: direkt oder verklausuliert, sachlich-nüchtern oder bildhaft.

Queerer Autor aus Ungarn zu Gast in Köln-Kalk

Suleman Taufiq etwa wurde in Syrien geboren, lebt aber schon seit 1971 in Deutschland. Seine Zeilen „Der Fremde in der Fremde ist nackt, er bedeckt sich mit seiner alltäglichen Verwunderung, trägt vergessene Tage mit sich“ klangen jedoch, als sei er gerade angekommen. Erst vor einigen Jahren war der queere Dichter Mátyás Dunajcsik aus Ungarn gekommen. Sein Thema sind auch die speziellen Probleme von Autoren, die von der selbstverständlichen Kommunikation ihn ihrer Muttersprache abgeschnitten sind: „In meinem Rucksack sind nur ein paar Lieder und Worte, die niemand verstehen wird, wohin ich gehe.“

Angesichts der Unterschiede in den persönlichen Verhältnissen der betroffenen Autoren, aber auch ihres literarischen Stils mochte José F.A. Oliver, deutscher Autor mit andalusischen Wurzeln, in seinem Vortrag nicht von „der Sprache des Exils“ reden, sondern lieber von einem „unüberschaubaren Sprachen-Kaleidoskop bisweilen diametral entgegengesetzter Exil-Erfahrungen. Wobei die „erzwungenen Menschenwanderschaften“ eine „Poesie des Nomadischen“ voll „hoffnungsvollem Widerstand“, aber auch Vereinsamung hervorbrächten.

Lesungen in Originalsprache auf dem Ottmar-Pohl-Platz in Köln-Kalk

Wie immer beim Elk wurden die Gedichte und Prosa-Texte zunächst im Original vorgetragen, nach der Übersetzung bot sich die Gelegenheit zum Gespräch mit den Zuhörern. Im Mittelpunkt standen dabei die Gäste aus der Ukraine, denen das Reden über ihre Situation angesichts des noch andauernden Kriegs aber häufig schwerfällt: „Frag mich nicht, wie’s mir geht, frag mich was Leichtes“, hatte Kateryna Babkina ein Gedicht überschrieben.

Fast ohne Worte kam die bewegende, von der Fotografin Xenia Gromek und der Sozialpädagogin Eva Grütgen konzipierte Ausstellung „Pack deine Sachen“ aus: Im Integrationshaus waren Fotos von Gegenständen zu sehen, die Frauen bei der Flucht aus der Ukraine gerade noch hatten retten können. Olga Novykovas Schlüssel und der Zettel mit den wichtigsten Telefonnummern von Freunden und Verwandten etwa.

Junge Mädchen halten sich an den Schultern, neigen sich synchron zur Seite.

Die Ukrainische Frauen Union aus Duisburg war zu Gast in Kalk.

„Das war gleich in der Nacht vom 24. Februar, alles explodierte“, erzählte sie.  Sie hofft, dass sie mit ihren beiden Töchtern bald zu ihrem Mann und zum Haus in Charkiw zurückkehren kann. Andere Frauen hatten rasch Fotos von Verwandten eingepackt, einen Schirm, auf dem das Stadtpanorama von Charkiw abgebildet ist, oder sogar Tanzschuhe. Die braucht eine Tänzerin für ihre Salsa-Kurse.

Am Ende der drei Tage unterstrich die 2022 in Duisburg gegründete Ukrainische Frauen Union aber, dass man sich nicht unterkriegen lässt: Mit ihren Kindern führten sie fröhlich-wilde Tänze aus dem Theaterstück „Waldlied“ auf. Ein belebender Abschluss auch für Jonas Linnebank vom Kunts e.V., der das Festival wieder mit dem Integrationshaus, dem Verlag Parasitenpresse und der Zeitschrift KLiteratur organisiert hatte: „Tolles Wetter, viele Zuschauer: In der kommenden Woche stellen wir die Anträge für das nächste Jahr.“

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