Geschichtliche FührungWas der Fronhof in Köln-Merheim mit Heidi Klum zu tun hat

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Die Gruppe, die an der Führung teilgenommen hat, steht in einem Innenhof.

Die Führung machte Halt am alten Pfarrhaus von St. Gereon.

Alte Herrenhäuser und Bahnstrecken: Bei einer geschichtlichen Führung durch Merheim konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer vieles lernen.

Manche Orte haben ein seltsames Nachleben. Der Fronhof an der Broichstraße zum Beispiel war vermutlich im 6. oder 7. Jahrhundert die erste Ansiedlung im Bereich des heutigen Stadtteils Merheim. Sitz der Ritter „von Mereheim“, eine ehrwürdige Stätte also. Und dann kam im beginnenden 21. Jahrhundert Heidi Klum und brachte hier die Kandidatinnen für die erste Staffel von „German’s Next Topmodel“ unter. Damit nicht genug: „Das Herrenhaus wird heute von einem echten Prinzen und einer Prinzessin bewohnt“, erzählte Dieter Mummert. „Aber die sind nur manchmal da. Ihr Hauptwohnsitz befindet sich in Düsseldorf.“

Rund 30 Teilnehmer kamen zu der Führung durch Merheim

Belustigtes Großes Stöhnen unter den rund 30 Teilnehmern bei der Führung „Merheim zwischen ‚Goldener Pflug‘ und ‚Em ahle Kohberg‘“, die Mummert im Auftrag von Stattreisen anbot. Er führte zu den erhaltenen Zeugnissen der alten Dorfstruktur, wobei immer wieder Überlagerungen durch spätere Ereignisse und Entwicklungen in den Blick gerieten. So gab es anscheinend schon seit dem 8. Jahrhundert eine Kirche nahe am Fronhof. Zum sonntäglichen Gottesdienst kamen Bewohner der umliegenden Weiler. „1817 stürzte das alte Gotteshaus ein, drei Jahre später wurde mit dem Bau des jetzigen Kirchengebäudes begonnen“, so Mummert.

Der Turm erhielt auch schon seine charakteristische stumpfe Spitze, die jedoch um 1850 durch eine hohe Spitze ersetzt wurde. Das aber musste nach 90 Jahren, zu Beginn des Zweiten Weltkrieges, wieder rückgängig gemacht werden. Weil 1937 weiter südlich auf dem Gebiet, wo später unter anderem die städtischen Kliniken und der Stadtteil Neubrück entstehen sollten, der Fliegerhorst Ostheim angelegt wurde. Man befürchtete, der hohe Kirchturm könnte den alliierten Bombern einen Orientierungspunkt bieten. Nachbar von St. Gereon war seinerzeit der Kommandant des Fliegerhorsts, Gotthard Handrick, in der Villa an der Ostmerheimer Straße 392.

Die Kirche im Grünen.

Idyllisch gelegen: St. Gereon in Merheim.

Der Mann hatte von sich reden gemacht, war 1936 Sieger im Modernen Fünfkampf bei den Olympischen Spielen in Berlin geworden und gehörte als Jagdflieger der Legion Condor an, die im Spanischen Bürgerkrieg unter anderem an der Zerstörung von Guernica beteiligt war. Später diente die Villa Chefärzten der Merheimer Kliniken als Wohnsitz. Auch der „Goldene Pflug“, heute eine der Traditionsgaststätten im Veedel, verdankt seine Existenz dem Fliegerhorst, wie Dieter Mummert erklärte.

Ursprünglich trafen sich dort die Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften nach Dienstende zum Kölsch. Später war der „Goldene Pflug“ ein beliebtes Ausflugslokal, beherbergte nach dem Krieg Deutschlands erstes Drei-Sterne-Restaurant und wurde schließlich zum Brauhaus. Sehr viel älter, aus dem Jahre 1665 nämlich, ist „Em ahle Kohberg“ gegenüber von St. Gereon. „Die älteste Gastwirtschaft im rechtsrheinischen Köln“, so Mummert, hat ihren Namen wohl von einem Viehmarkt, der auf der anderen Straßenseite auf einem erhöhten Platz stattfand. Den heutigen Namen trägt sie allerdings erst seit 1937, was vermutlich auf einen cleveren Image-Trick des damaligen Besitzers zurückging.

„Och wat wor dat fröher schön doch en Colonia, wenn d’r Franz mem Nies nohm ahle Kohberch jing“, hieß es nämlich in Willi Ostermanns beliebtem Heimatlied von 1930. Ostermann hatte zwar eine Gaststätte im linksrheinischen Köln besungen – aber das macht ja nichts. Auch der „Kohberg“ ist schon zu TV-Ehren gekommen. „Einer der „Tatorte“ aus Münster wurde hier gedreht“, informierte eine Teilnehmerin die Gruppe. Derzeit steht das Haus allerdings leer, nach Corona und einem Brand im vergangenen Jahr, der Teile des beliebten Biergartens in Mitleidenschaft zog, warf der letzte Wirt das Handtuch. Der „Ahle Kohlberg“ liegt ganz nah am ehemaligen Dorfkern um Fußfallstraße, Rüdigerstraße und Abshofstraße.

Führung durch Merheim findet im August wieder statt

In letzterer befindet sich auch die ehemalige Bürgermeisterei in einem malerischen Fachwerkbau. Denn seiner früheren Bedeutung gemäß war Merheim noch in der Franzosen- und Preußenzeit als Verwaltungssitz für die umliegenden Ortschaften zuständig, etwa Brück, Holweide, Ostheim oder Dünnwald. Geprägt war das Dorf einst von der Landwirtschaft, aber auch durch den Fischfang: Ehedem reichte ein Arm des Rheins bis nah an Merheim heran, der alte Ausdruck „Mar“ oder „Mer“ bezeichnet ein sumpfiges Gelände.

Das Herrenhaus des Fronhofs.

Das Herrenhaus des Fronhofs.

Denn da gibt es ja noch den Faulbach, der seinen Namen wohl von der trägen Fließgeschwindigkeit hat, wie Mummert erläuterte. Er fließt heute in einem von hohen Betonwänden eingefassten Bett durch die Abshofstraße, wobei diese Wände nach Ansicht der Verwaltung nicht mehr sicher sind, sodass der Fluss heute durch Zäune abgesperrt ist. Seit 2010 tut sich auf dieser Baustelle nichts mehr, sehr zum Verdruss der Anwohner.

Aus dem Blickfeld gerät dieses Problem auch, weil sich der Ortskern längst nach Süden verlagert hat. Entscheidend dafür war die Einrichtung der Straßenbahnlinie B im Jahre 1906 nahe an der Olpener Straße. „Anscheinend wollten die Besitzer von Grundstücken weiter nördlich diese nicht zum Zweck des Bahnbaus verkaufen“, berichtete Dieter Mummert. Nachdem Merheim einige Jahre lang Endpunkt der Linie gewesen war, wurde die Strecke 1913 bis Brück ausgebaut. Der Überweg für Radfahrer und Fußgänger an der Ostmerheimer Straße war damals sehr wichtig. „Hier übergaben die Fahrer einen weißen Stab an den Fahrer des entgegenkommenden Zuges. Nur wer den weißen Stab hatte, durfte den einspurigen Teil befahren. So ging man sicher, dass dort immer nur eine Bahn unterwegs war“, erklärte Mummert.

1914 dann wurde Merheim zusammen mit Mülheim nach Köln eingemeindet. Als Morgengabe wurde den Merheimern unter anderem ein neues Schulgebäude in der Fußfallstraße anstelle der hoffnungslos überfüllten Grundschule an der Ostmerheimer Straße versprochen. „Der Bau verzögerte sich allerdings ein wenig“, so Mummert. „1962 konnte die Schule eröffnet werden.“


Die Führung findet am Sonntag, 20 August, 14 Uhr, wieder statt. Tickets für 12 Euro gibt es online.

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