850-Seiten-Buch von Reinhold HorzMonumentales Werk zur Höhenberger Veedelsgeschichte

Autor Reinhold Horz (l.) und Pfarrer Franz Meurer vor der Kirche
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Höhenberg – Bereits in der Einführung des Buches „Leben auf dem Höhenberg“ erfährt der Leser viel: Der erste Doppel-Reißverschluss-Schieber der Welt wurde in Höhenberg produziert – 1929 von der Firma Postel-Spritzguss. Da zählte der Vorort gerade mal zwei Jahre offiziell als ein Stadtteil Kölns. Im Zweiten Weltkrieg waren auf der Merheimer Heide Sturzkampfbomber stationiert, und die inzwischen 105 Jahre alte Elisabeth-Kirche sollte eigentlich St. Jakobus heißen. Bis zu einem Baustopp war das Projekt von einem Jakobus-Kirchbauverein forciert worden.
Komprimiert ist das alles auf mehr als 850 Seiten und 3400 Bilder – in einem dreieinhalb Kilogramm schweren Buch. So ausführlich und umfangreich ist bislang noch keiner der 86 Kölner Stadtteile mit seiner Geschichte beschrieben worden. Rund acht Jahre Fleißarbeit hat Autor Reinhold Horz (53) – eigentlich Oberarzt in der Abteilung für Innere Medizin im Klinikum Merheim – in sein Werk investiert. Jede freie Minute war er mit dem ehrgeizigen Projekt beschäftigt. „Fernsehen schauen gab es nicht in der Zeit. Ich glaube, in all den Jahren habe ich mit meiner Frau zwei Filme gesehen.“ Aber auch Ehefrau Elisabeth Horz wirkte an der „illustrierten Zeitreise“ mit – sie hatte die Bildredaktion übernommen. Ihr Sohn Joschua, der sein Design-Studium abgeschlossen hat, kümmerte sich um das Layout.
Erstauflage mit 2500 Exemplaren
„Dieses Buch ist unverkäuflich, kann aber gern weiterverschenkt oder zurückgegeben werden“, heißt es gleich im ersten Satz. Tatsächlich ist der dicke Wälzer über Höhenberg in keiner Buchhandlung erhältlich, sondern wird ausschließlich verschenkt. Die Kosten für den hochwertigen Druck einer ersten Auflage mit 2500 Exemplaren hat der Höhenberger und Vingster Pfarrer Franz Meurer übernommen. „Die Gemeinde lebt auch von der Leistung von Einzelpersonen. Und das Buch ist eine gute Sache für unser Veedel.“ Und man verteile es unentgeltlich, weil „viele Menschen in unserem Veedel es nicht kaufen könnten.“
Gewöhnlich sei nach einer Generation viel vergessen, so Meurer, nach zwei Generationen das meiste nicht mehr aufzufinden. „Doch alles, was in dem Buch steckt, ist bleibend aufgehoben – für die kommenden Generationen“, sagt Meurer. Er erinnert an die vielen alten Höhenberger, die ihre Geschichten und Erinnerungen sowie ihre Bilder aus längst verblichenen Fotobüchern und Familienalben beigesteuert hätten. „Die Zeitzeugen sind irgendwann ja nicht mehr da, aber nun leben sie in dem Buch weiter. Es soll die Menschen in unserem Stadtteil stolz machen.“
Erste Zwischenstation auf dem Weg zum fertigen Buch war eine Ausstellung zum 100-jährigen Bestehen der Kirchengemeinde St. Elisabeth vor fünf Jahren, die weitgehend von einem Team um Horz zusammen gestellt wurde. „Drei Jahre zuvor hatte ich angefangen zu sammeln und alle Vereine und Geschäftsleute aus dem Stadtteil angeschrieben. Die Resonanz war dürftig. Es kam wenig.“ Mehr Erfolg hatte Horz bei seinen Besuchen bei 120 älteren Menschen, die ihre Fotokisten und Alben öffneten. „Für die Ausstellung reichte das. Aber weil ich aus dem vorliegenden Material ein Buch machen wollte, galt es, weitere Themen zu berücksichtigen – beispielsweise die Wohnviertel der Umgebung und die angrenzenden Stadtteile.“
So sammelte, forschte und recherchierte Horz weiter – bis zum Mai des Jahres 2015. Rund 40 Prozent des Buches sind neu hinzugekommen. „Informationen und Fotos, die bei den Nachforschungen auftauchten, ergaben wie bei einem Puzzle ein immer genaueres Bild“, sagt Horz. „Da Bilder mehr sagen als Worte, wurden die Texte möglichst gekürzt und eine Vielzahl passender Bilder beigefügt.“
Damals habe zur Entstehung eines Ortes eine Kirche gehört. Darum nehmen die St.-Elisabeth-Kirche mit Architektur und Kunst sowie die Entwicklung des Gemeindelebens von Frauengemeinschaft und Jungmännerverein bis hin zum Hövi-Land viel Raum in dem Buch ein. Auch alle Siedlungen und Straßen werden darin ausführlich dargestellt – allen voran die unter Denkmalschutz stehende Germania-Siedlung. Dazu erfährt man von Großbetrieben wie Kronenbrot (früher: Rheinbrot), der Lackfabrik Paul Becker und den Colonia Drahtwerken sowie Kleinbetrieben, wie den nicht mehr existierenden Metzgereien Pütz und Höllern und dem noch bestehenden Friseursalon Schmitz und der Konditorei Klüppelberg.
Neben dem Einblick in den Schulalltag vergangener Jahrzehnte – die erste Schule startete 1911 mit zwei Klassen und einem Lehrer an der Frankfurter Straße 414 a – und einer Darstellung verschiedener sozialer Einrichtungen, etwa Pflegehaus und Rentnerheim, werden fast alle Vereine vorgestellt, die je im Stadtteil existierten. Vom Turnverein Kalk und vom SC Viktoria Köln über den Männergesangverein, den Schachclub und den Taubenzüchterverein bis zu Schützenbrüdern, Bürgerverein sowie Kleingärtner- und Karnevalsinitiativen.
„Wirklich alle Gruppierungen und Vereinigungen, aber auch alle Firmen, Betriebe und Geschäftsleute aus dem Stadtteil sind in dem Buch erfasst. So etwas hat es vorher noch nie gegeben“, sagt Pfarrer Meurer. Er kündigt bei entsprechender Nachfrage eine zweite Auflage des Buches an. „Etwas Besseres, als dass die Leute über Höhenberg lesen und reden, kann unserem Veedel doch gar nicht passieren“, ergänzt er sichtlich stolz. Mit einem leicht schelmischen Grinsen fügt er hinzu: „In neun Jahren wollen wir doch die Südstadt überholen – und in zwölf Jahren Ehrenfeld.“
