Kölner Immisitzung ist wieder daKölsch auf Ex gegen die Nervosität bei Sitzungspräsidentin

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Eine Frau im glitzernden Kostüm trinkt ein Kölsch.

Sitzungspräsidentin Myriam Chebabi genehmigte sich erst einmal ein Kölsch.

Nach drei Sessionen Pause fand zum ersten Mal wieder die Immisitzung statt. So war die Premiere der alternativen Karnevalssitzung.

„Nirgendwo“, sagt Myriam Chebabi alias „Immi-Mymmi die Erste“, „spricht man so charmant undeutlich undeutlich wie hier.“ Hier, das ist die Immisitzung im Bürgerhaus Stollwerck, exakter die Premiere der alternativen Karnevalssitzung am Donnerstagabend. Es ist die erste Immisitzung seit Corona, denn auch im vergangenen Jahr fiel sie anders als viele andere Veranstaltungen noch aus. Vier Jahre ist die letzte Sitzung also her.

Menschen tanzen auf der Bühne.

„Jede Jeck ist von woanders“ ist das Motto der Sitzung und der Song, mit dem die Sitzung losgeht.

Umso größer die Freude bei Ensemble und Publikum, als die Band „Jede Jeck ist von woanders“ anspielt und der Saal lauthals mitsingt. Es ist aber nicht nur die Freude, sondern auch die Aufregung groß, wie Sitzungspräsidentin Chebabi zugibt – mit einem Kölsch auf Ex spült sie die Nervosität gekonnt herunter. Nicht jeder Sketch zündet. So versandet die Nummer über ausgesetzte Corona-Hunde gerade dann, als die Handlung (sie wollen sich bei ihren Menschen rächen) Fahrt aufnimmt.

Menschen in Hundekostümen

Die Hunde-Nummer verlief im Sande.

Immisitzung 2024: Puppen liefern starke Kommentare

Provokanter wird es, als sich die Puppen – der Franzose und der Dicke im Stile der Muppets-Charaktere Waldorf und Statler – über die Bauernproteste unterhalten und fragen: „Warum gibt es bei den Raps-Rabauken keine strafrechtliche Verfolgung?“ So wie bei den Klimaklebern eben. „Stell dir vor, die würden bei den Richtigen gemeinsam blockieren?“ – die Frage holt Applaus.

Puppen neben einem Napoleon-Darsteller

Die Puppen treffen auf ihrer Zeitreise auch Napoleon.

Mit erstaunlich viel Mühe und Liebe zum Detail ist auch die Zeitreise von Franzmann und Dickerchen gestaltet. Sie wollen herausfinden, wie das Stippeföttche entstanden ist, treffen dabei auf Napoleon (Franzisco Rodriguez) und landen in der Brutstätte des Kölner Klüngels (dem Foyer des Gürzenich), ganz nebenbei beeinflussen sie auch noch ein berühmtes Ostermann-Lied. Die Nummern der Puppen liefern immer wieder kleine, bissige Highlights.

Immis witzeln über Verschwörungstheoretiker und das Festkomitee

Stark und erschreckend nah an der Realität ist der Sketch zu Verschwörungstheoretikern („Ich lasse mir doch von der Ampel nicht vorschreiben, wie ich Auto fahren soll!“); kreativ die Umsetzung des in sämtlichen Sitzungen präsenten Themas „Künstliche Intelligenz“ als Gespräch zwischen Komponenten eines Autos, das der Fahrer – angeblich – nach Anweisung des Navigationsgeräts in den Rhein gelenkt hat.

Menschen sitzen in einer Kulisse, die ein Auto darstellt.

Auto-Sketch zum Thema Künstliche Intelligenz.

Erfrischend wenig krawallig die Nummer um das verwirrte Gender-Sternchen: Müsste es korrekt „der/die Prinz:in“ oder gar „Jungfrau-in(nen)“ heißen? Das ist zwar kein besonders neuer Gag, durch das entschuldigende „Die Schauspieler:innen der Immisitzung haben versucht korrekt zu gendern, es ist ihnen nicht gelungen“ von Gracias Devaraj aber immerhin sehr charmant.

Wirklich witzig ist es, wenn das „Festkomitee“ versucht, Gefahren beim Rosenmontagszug zu eliminieren. Statt Kamelle regnet es demnach – aus Sicherheitsgründen – ab sofort nur noch geraspelte Karotten. Etwas aus der Reihe fällt hingegen das Klischeequiz, bei dem zwei Teilnehmer aus dem Publikum Fragen über das multikulturelle Ensemble beantworten müssen.

Immisitzung im Stollwerck: Tränen im Publikum

Die wohl schönste Nummer des Abends ist gar nicht zum Lachen. Selda Selbach erzählt stolz und gerührt von ihrer Mutter, die 1962 als Gastarbeiterin nach Deutschland kam und das erste türkische Funkemariechen wurde. Sie sang damals ein Lied, welches Selda Selbach kurz vor dem großen Finale auf Deutsch singt. Ihre Mutter sitzt dabei ebenso stolz und gerührt in der ersten Reihe. Der ein oder andere wischt sich hier ein Tränchen weg.

Bei der Immisitzung sitzt nicht alles, doch steigert sie sich von Sketch zu Sketch. Teils schlichtweg witzig-albern (wie Influencerin Mary aus Rodenkirchen), teil clever, liebevoll oder rührselig; teils mit dem ganz großen Wir-Jeföhl (beim gemeinsamen Singen von „Give Peace A Chance“) überzeugt die Immisitzung trotz kleiner Schwächen. Eine ganz große Stärke ist außerdem die hervorragende Band, die sich so sehr um Kopf und Kragen spielt, dass das Publikum von ihr eine Zugabe fordert (und bekommt).


Tickets und alle Termine für die Immisitzung gibt es unter www.immisitzung.de

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