„Ein großes Privileg“Kölner verhilft Menschen jeden Alters zu mehr Wohlbefinden

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Florentin Wohlgemuth

  • Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt?
  • Dieser Frage geht Susanne Hengesbach regelmäßig nach. Diesmal geht es um Fitnesscoach Florentin Wohlgemuth, der Menschen zu mehr Wohlbefinden verhelfen möchte.
  • Als er 19 Jahre alt ist stirbt seine Mutter. In dieser Zeit fängt er an, den seelischen Schmerz mit körperlichem Training zu bekämpfen.

Köln – Ich freue mich total, dass mir kurz vor Inkrafttreten des zweiten Lockdowns dieser junge Mann am Friesenplatz begegnet und ich beim Cappuccino vor allem eines lerne: Wie man trotz Einschränkungen und Kontakt-Minimierung glücklich durch die Pandemie-Zeit kommt. Florentin Wohlgemuth war gerade beim „Home-Schooling“. Sein Schüler heißt Herbert, ist 75 Jahre alt und hat „mindestens seit drei Jahrzehnten keinen Sport“ mehr gemacht.

Aufgrund seines langen Berufslebens als Fensterputzer sei Herberts Halswirbelsäule lädiert und entsprechend stark die Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich. Jedenfalls bis vor ein paar Wochen. Seitdem der Fitnesscoach zweimal wöchentlich auf der Matte steht, sind die Beschwerden fast weg. „Der strahlt inzwischen übers ganze Gesicht, wenn er mir die Tür aufmacht“, berichtet Wohlgemuth, seines Zeichens zertifizierter Gesundheitstrainer.

Geschichte von Liebe, Leidenschaft, Schmerz und Glück

Als wir einen Platz im „Kaffeesaurus“ ausgewählt haben und der 26-Jährige seine Jacke auszieht, fällt mir der beachtliche Bizeps unter seinem Sportshirt auf. „Wie viele Stunden Sport und Muskeltraining sind das täglich?“, frage ich. Mein Gegenüber lächelt und erzählt daraufhin eine Geschichte von Liebe, Leidenschaft, Schmerz und Glück, die so schön ist, dass ich den Rest des Tages bestimmt mit einem Lächeln durch die Gegend laufen werde.

Wohlgemuth ist 19, als ihn das Leben umwirbelt. Seine Mutter, eine Künstlerin, der er und seine Brüder die schönen Vornamen Florentin, Konstantin und Valentin verdanken, stirbt mit nur 56 Jahren an den Folgen eines Hirnaneurysmas. Dass er sie begleiten darf auf der letzten Etappe ihres Lebens und ihr zur Seite steht, als sie zum Pflegefall wird, nennt Wohlgemuth „ein großes Privileg“. Er bekennt aber auch, dass ihn der Verlust psychisch ziemlich aus der Bahn geworfen habe. Geholfen habe damals der Bruder mit seiner Überzeugung „wir schaffen das!“ Dann begann Wohlgemuth, den seelischen Schmerz mit körperlichem Training zu bekämpfen.

Reflektion des ungesunden Verhaltens

Er sei immer schon sportlich gewesen, schon als Kind buchstäblich aufs Dach geklettert, berichtet der 1,91 Meter große Mann. Deshalb habe er im Anschluss an seinen Bundeswehrdienst ein Studium zum Sport- und Fitnesstrainer mit Schwerpunkt Anatomie und Biomechanik begonnen. Inzwischen arbeitet er als selbstständiger Gesundheitscoach und hilft Menschen jeden Alters, ihr ungesundes Verhalten zu reflektieren und zu verändern. „Wir haben alle unsere Überzeugungen und Glaubenssätze“, sagt der 26-Jährige. „Aber wir handeln nicht entsprechend.“

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Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt mindestens 21 Minuten Bewegung täglich. „Bei Ihnen dürfte es ein bisschen mehr sein“, mutmaße ich, woraufhin Wohlgemut grinst und erzählt, was er morgens als erstes macht: „Sporthose an und auf die Matte: Meditation, Yoga und intensives gesundheitsorientiertes Krafttraining.“ Durch Bewegung würden Glückshormone ausgeschüttet. Dass er sich selber „selten bis nie gestresst“ fühle, führt er darauf zurück. Das Wichtigste dabei sei die Konstanz.

Menschen in ein beschwerdefreieres Leben bringen

Er selber hat diesbezüglich längst eine Routine wie beim Zähneputzen und versucht nun gemäß seinem Slogan „mehr Wohlbefinden mit Wohlgemuth“ andere Menschen in ein beschwerdefreieres Leben zu bringen und damit Lebensqualität zu steigern. Dafür brauche man definitiv kein Sportstudio, sondern nur wenige Trainingsutensilien wie Therabänder, Kugelgewichte oder Faszienrolle.

Gleichwohl wird Wohlgemuth immer lächelnden Auges an Fitness-Studios denken, weil er dort Cara, seine große Liebe gefunden hat. „Ich war gerade in der Yoga-Position des herabschauenden Hundes, blicke nach links und es war, als wenn zwei Kometen auf einmal einschlagen“. Vor wenigen Wochen sei er von Troisdorf nach Köln und mit ihr zusammengezogen.

Der Fitness-Coach trinkt seinen Cappuccino mit Hafermilch und meidet, wie er sagt, auch sonst Milchprodukte. „Ich dachte immer, Menschen wie Sie leben hauptsächlich von Eiweiß-Shakes?“ – Er lacht. „Man muss nicht Unmengen Quark essen, um ein Muskelprotz zu werden, stellt Wohlgemuth klar und erzählt, dass seine Ernährung hauptsächlich aus veganem Eiweiß, etwa Erbsenprotein, vielen Kartoffeln, Haferflocken, Porridge, aber auch aus reichlich Obst und Gemüse besteht. Ein Mantra des „Lifetime Coach“, wie er sich nennt, lautet: „Mit jedem Atemzug eine Sorge weniger.“ Das werde ich mir merken.

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