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„Bemerkenswerter Anstieg“Kölner Arztpraxen spüren ungewöhnlich starke Erkältungswelle

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Zastrow

Jürgen Zastrow ist HNO-Arzt in Köln.

Köln – Erst husteten, niesten und schnieften die Kinder, jetzt hat es auch die Erwachsenen erwischt. Die Erkältungswelle ist längst in Kölner Hausarztpraxen angekommen. Erkältungsinfekte seien im Herbst nichts Ungewöhnliches und hätten mit den niedrigeren Temperaturen und der veränderten Witterung zu tun, sagt der Kölner Hausarzt Guido Marx im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Aber wir stellen aktuell einen bemerkenswerten und sehr deutlichen Anstieg fest.“

Etwa seit Beginn der vergangenen Woche kämen vermehrt Patientinnen und Patienten in seine Nippeser Praxis, die über eine laufende Nase, Husten und Halsschmerzen klagten. Darunter auch viele junge Menschen sowie Erzieherinnen. „Das ist recht früh für die erste Infektwelle der Saison“, stellt Marx fest.

Der Allgemeinmediziner sieht dafür mehrere Gründe. So hätten Kinderärzte bereits von einigen Wochen von einer ungewöhnlich frühen und heftigen Erkältungswelle bei Kindern gesprochen. „Es ist typisch, dass die Kinder vor den Erwachsenen krank sind. Sie bringen die Infekte aus den Schulen oder Kitas mit nach Hause und dann stecken sich Eltern oder andere Verwandte an“, sagt Marx.

Grippale Infekte in Kölner Praxen

Und natürlich spiele auch Corona eine Rolle, wie besonders im Vergleich mit dem Vorjahr auffalle: Im vergangenen Herbst und Winter gab es keine Grippewelle. Auch andere Infekte seien Marx zufolge durch Masken, Kontaktbeschränkungen und mehr Hygienemaßnahmen deutlich seltener gewesen. „Die Immunkompetenz ist abgeschwächt. Wir hatten eineinhalb Jahre lang kein Virentraining“, erklärt Jürgen Zastrow, Hals-Nasen-Ohren-Arzt und Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung in Köln. Sprich: Das Immunsystem ist aus der Übung, hatte lange keinen Kontakt mit Viren. Der Wetterwechsel im Herbst führe nun zu einem „Infektreiz“.

Hausarzt Marx ist wichtig zu betonen, dass es sich momentan in der Regel um „einfache Infekte der oberen Atemwege“ handele, landläufig als „grippale Infekte“ bezeichnet. Zu unterscheiden seien diese von der „echten“ Grippe: Ein grippaler Infekt mache sich „schleichend“ mit den typischen Erkältungssymptomen und „allenfalls leicht erhöhter Temperatur“ bemerkbar.

„Die echte Grippe macht völlig gesunde Menschen schlagartig zu einem schweren und bettlägrigen Krankheitsfall mit Fieber. Wer kein Fieber von über 38,5 Grad Celsius hat, hat auch keine Grippe.“ Grundsätzlich empfiehlt Marx, sich „frühzeitig“ gegen die Grippe impfen zu lassen. Doch auch mit einer Erkältung sollten Arbeitende „wenn es geht, unbedingt zu Hause bleiben und aus dem Homeoffice arbeiten, wenn sie sich fit genug fühlen, um andere nicht anzustecken“, appelliert Marx.

In Köln bisher überwiegend leichte Fälle

Jürgen Zastrow bestätigt, dass momentan leichte Fälle die Regel seien. „Zu uns in die HNO-Praxis kommen die Erkrankten erst, wenn sich auf einen einfachen viralen Infekt noch Bakterien dazu gesellen und sie eine Nebenhöhlen-, Mandel- oder Mittelohrentzündung haben. Davon haben wir bisher erst wenige Fälle.“

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Bereits Ende September hatten Kinderärzte der Redaktion von einer ungewöhnlich hohen Anzahl an Kindern mit Atemwegserkrankungen und einer extrem frühen Erkältungswelle berichtet. „In zehn Jahren habe ich einen solchen September noch nicht erlebt. Wir haben doppelt bis dreifach so viele Fälle wie sonst in dieser Jahreszeit üblich“, sagte der Kölner Kinderarzt Marc Neukirch. Auch Axel Gerschlauer, Sprecher des Berufsverbands Kinder- und Jugendärzte Nordrhein, sprach von einem „vorgezogenen Herbst und Winter“.

Die verfrühte Erkältungswelle begründete Gerschlauer mit den Folgen der Corona-Pandemie: Durch Kontaktbeschränkungen, Hygienemaßnahmen sowie Kita-und Schulschließungen hätten Kinder weniger Infekte durchgemacht. Das Immunsystem hätte fast eineinhalb Jahre so gut wie nichts zu tun gehabt und hole die verpassten Krankheiten nun nach.

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