Die Ausstellung beleuchtet bis Januar das Leid von Menschen, die für Nazis „Asoziale“ oder „Berufsverbrecher“ waren.
NS-DokumentationszentrumAusstellung „Die Verleugneten“ zeichnet Biografien von Nazi-Opfern nach

07.10.2025, Köln: Die Verleugneten-Opfer des Natioalsozialismus Austellungseröffnung im Kölner NS-Dokumentationszentrum.Foto:Dirk borm
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Trude Nohr, alleinerziehende Mutter eines Sohnes, geriet wie so viele Frauen, deren Leben nicht der bürgerlichen Norm entsprach, in der Nazizeit unter Prostitutionsverdacht. 1943 wurde sie, stigmatisiert als „arbeitsscheue und asoziale Herumtreiberin schlimmster Art“, von der Kripo am Kölner Hauptbahnhof verhaftet, ins Frauen-KZ Ravensbrück deportiert, später nach Bergen-Belsen verlegt. Sie überlebte und kehrte nach Köln zurück. Versuche, für ihr Leid entschädigt zu werden, scheiterten. 1990 half ihr der Kölner Bundesverband für NS-Verfolgte, doch noch eine Entschädigung zu bekommen, eine monatliche Härtebeihilfe. Im vorigen Januar, 14 Jahre nach ihrem Tod, wurde im Martinsviertel ein Stolperstein für sie verlegt.
Leid und Unrecht wurde geleugnet
An Menschen wie Trude Nohr erinnert die Ausstellung „Die Verleugneten. Opfer des Nationalsozialismus 1933 – 1945 – heute“, die am Mittwoch, 8. Oktober, im NS-Dokumentationszentrum eröffnet wird. Es geht um Menschen, die als „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ gebrandmarkt, entrechtet, verfolgt, ihrer Freiheit beraubt und zum Teil ermordet wurden. Nach dem Krieg standen sie lange im Schatten anderer Opfergruppen. Der Nazi-Vorwurf, sie seien „gemeinschaftsfremd“, wirkte offenbar nach; ihre Erfahrungen von Leid und Unrecht wurden verleugnet. Die Bundesrepublik, die DDR und Österreich verweigerten ihnen eine Entschädigung.

Oliver Gaida (wissenschaftlicher Mitarbeiter der Ausstellung) und Henning Borggräfe (Direktor des NS-Dokumentationszentrums Köln) in der Ausstellung
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Erst im Februar 2020 beschloss der Bundestag ihre Anerkennung als Opfer: „Niemand saß zu Recht in einem Konzentrationslager, auch die als ,Asoziale‘ und ‚Berufsverbrecher‘ Verfolgten waren Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft“, heißt es in dem Beschluss. Das Parlament beauftragte die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas und die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg mit der Erstellung einer entsprechenden Ausstellung. Diese sei „eines der wichtigsten erinnerungspolitischen Vorhaben des Jahrzehnts in der Bunderepublik“, sagte Henning Borggräfe, Direktor des NS-Dokumenationszentrums, am Dienstag bei der Präsentation der Schau. Zuerst war sie in Berlin zu sehen, anschließend in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg.
Ergänzt um Stimmen aus Köln
Für die Station im NS-Dokumentationszentrum ist sie um Stimmen aus Köln ergänzt worden. Die Geschichte des Unrechts werde bewusst anhand von Opfer-Biografien erzählt, sagte Oliver Gaida, einer der Kuratoren der Ausstellung. Kein einfaches Unterfangen, die Ereignisse aus dem Blickwinkel der Betroffenen zu schildern: Was an Quellen vorhanden sei, stamme meist von Täterseite, zum Beispiel Ermittlungsakten, sagte Gaida. Umso wichtiger sei die Zusammenarbeit mit Angehörigen der Betroffenen gewesen.
Die Schau mit Texten, Fotos, Illustrationen, Audio- und Videostationen ist in fünf Abschnitte unterteilt, von „Lebenswelten“, wo die Betroffenen vorgestellt werden, bis zu „Verleugnung in Gesellschaft und Familie“ nach dem Krieg. Zu den Opfern – ob Wohnungslose, Straftäter, Bettler oder Frauen mit „wechselnden Bekanntschaften“ – zählte auch Sibilla Rombach, mit der sich Trude Nohr im KZ Bergen-Belsen anfreundete. Nach einem Diebstahl war die junge Frau ins Gefängnis gekommen, danach ins Erziehungsheim. Als sie später als Näherin arbeitete, fehlte sie oft am Arbeitsplatz. Die Kripo ordnete „Vorbeugungshaft“ an und wies sie ins KZ Ravensbrück ein; von dort ging es in das überfüllte KZ Bergen-Belsen, wo Hunger und Seuchen grassierten. Anfang April 1945 fand Trude Nohr ihre Freundin tot vor der Baracke, in der sie sich eine Pritsche zum Schlafen geteilt hatten.
„Die Verleugneten. Opfer des Nationalsozialismus 1933 – 1945 – heute“ ist bis zum 4. Januar zu sehen. Bei der Eröffnung um 19 Uhr im NS-Dokumentationszentrum, Appellhofplatz 23-25, spricht unter anderen Uwe Neumärker, Direktor der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas; er führt in das Ausstellungsprojekt ein. Zu Wort kommen auch Angehörige von Opfern.
Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 10 - 18 Uhr, Samstag und Sonntag 11 - 18 Uhr. Eintritt 4,50, ermäßigt zwei Euro. Die Schau wird ergänzt durch Führungen und Begleitveranstaltungen wie Stadtrundgängen, Podiumsdiskussionen und einer Tagung.

