Kölner Jugendamtschefin im Interview„Es tut mir leid, dass wir im Kitabereich kein verlässliches System mehr sind“

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Spielzeug liegt in einer Kindertagesstätte auf dem Boden.

In vielen Kölner Kitas sorgt die Personalnot für Einschränkungen bei den Betreuungszeiten. (Symbolbild)

Dagmar Niederlein über die Gründe für die Misere in den Kitas – und warum kurzfristig wohl keine Lösung in Sicht ist

  • Immer mehr Kitas in Köln kürzen die Betreuungszeiten, weil Personal fehlt. Manche Einrichtungen schließen tageweise sogar ganz.
  • Experten gehen davon aus, dass sich die Situation in den nächsten Monaten weiter verschlechtern wird.
  • Die Kölner Jugendamtsleiterin Dagmar Niederlein setzt auf steigende Ausbildungskapazitäten und mehr Werbung für den Erzieherberuf

Frau Niederlein, wie würden Sie die aktuelle Situation in den Kölner Kitas beschreiben?

Schwierig. So schwierig, wie ich es in meiner Laufbahn bisher noch nicht erlebt habe. Das ist aber nicht nur in Köln so, sondern bundesweit, und das hängt ganz klar mit dem Fachkräftemangel zusammen. Wir haben in den vergangenen Jahren einfach zu wenig Menschen ausgebildet und haben daher im Moment nicht genug Personal vor Ort, um dem Bildungsanspruch und dem Auftrag, den wir haben, gerecht zu werden. Das lässt sich nicht schönreden.

Es wird also kurzfristig nicht besser?

Wenn wir mehr Fachkräfte ausgebildet haben, wird es besser. In Köln bauen wir die Ausbildungskapazitäten gerade aus, man muss aber auch die Studienplatzkapazitäten ausbauen. Denn nicht nur Erzieher und Erzieherinnen sind für Kitas geeignet, auch Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen können zum Beispiel als qualifizierte Kräfte in Kitas eingesetzt werden. Und in diesem Bereich haben wir viel mehr Bewerbungen als Ausbildungs- und Studienplätze. Es ist ja kaum auszuhalten, dass es junge Menschen gibt, die gerne diesen beruflichen Weg beschreiten würden, dass wir sie auch dringend brauchen, sie aber nicht ausbilden können.

Es sind keine Basteltanten, die in den Kitas arbeiten. Auch der Begriff Kindergärtner gefällt mir nicht
Dagmar Niederlein

Was können Sie noch tun, um mehr Fachkräfte in die Kitas zu bekommen?

Wir müssen mit Vorurteilen aufräumen. Es sind keine Basteltanten, die in den Kitas arbeiten. Auch der Begriff Kindergärtner gefällt mir nicht. Richtig ist: Das sind hochqualifizierte Bildungspädagoginnen und -pädagogen, die einen wichtigen Auftrag für die Gesellschaft erfüllen. Sie leisten einen ganz wesentlichen Beitrag dazu, Kinder auf einen guten Bildungsweg zu bringen, sie schulfähig zu machen und sie mit sozialen Kompetenzen auszustatten. Das müssen wir genauso kommunizieren, um jungen Menschen, die vor einer Ausbildung stehen, den Reiz dieses wichtigen Berufes deutlich zu machen.

Dagmar Niederlein, Leiterin des Kölner Jugendamtes

Dagmar Niederlein, Leiterin des Kölner Jugendamtes

In vielen Kitas bieten Eltern ihre Unterstützung an, um das Personal zu entlasten, zum Beispiel indem sie stundenweise die Aufsicht übernehmen oder Leseübungen mit den Vorschulkindern machen wollen. Aber sie dürfen es nicht. Warum ist das so?

Kitas dürfen laut Personalverordnung, die für NRW gilt, nur Fachkräfte und Ergänzungskräfte beschäftigen. Also Erzieher und Erzieherinnen oder ausgebildete Ergänzungskräfte. Eltern dürfen nicht ersatzweise für Fachkräfte einspringen. Sie dürfen Ausflüge mit begleiten. Aber Fachkräfte müssen trotzdem immer dabei sein. Da geht es auch um die Aufsichtspflicht.

Glauben Sie mir, ich habe große Empathie für die Eltern
Dagmar Niederlein

Und da hat die Kommune keinerlei Spielraum? Könnte man nicht zum Beispiel Werkstudenten aus dem Bereich Pädagogik oder Sozialarbeit in den Kitas einsetzen?

Nein, da haben wir überhaupt keinen Spielraum, wir würden sonst gegen das Gesetz verstoßen. Glauben Sie mir, ich habe große Empathie für die Eltern. Es tut mir unglaublich Leid, dass wir als Kommune im Kitabereich kein verlässliches, für Familien wirklich stützendes System mehr sind, sondern dass wir durch den Fachkräftemangel instabil geworden sind. Und dass wir Kindern nicht mehr diese verlässliche Struktur so bieten können, wie wir das gerne würden. Aber wir versuchen alles, nicht nur bei der Fachkräftegewinnung.

Wo denn noch?

Es geht auch um die Mitarbeiterbindung. Wir tun ganz viel, um die Kollegen und Kolleginnen zu halten. Viele ältere Beschäftigte sagen zum Beispiel, dass es ihnen zu laut geworden ist in den Kitas. Also ergreifen wir in den Einrichtungen, wo das nötig ist, bauliche Maßnahmen, um den Lärm zu reduzieren. Aber nochmal: Wir müssen vor allem zusehen, dass wir die Ausbildungskapazitäten steigern und das Berufsbild bewerben. Das ist der Weg.

Wünschen Sie sich mehr Unterstützung vom Land? Und wie könnte die aussehen?

Bisher dürfen wir pädagogische Ergänzungskräfte ausschließlich in der Gruppenform Drei einsetzen, also bei den Über-Dreijährigen. Wir würden Kinderpflegerinnen und -pfleger aber gerne auch in den Gruppenformen Eins und Zwei einsetzen, also bei den noch Jüngeren. Damit wäre uns schon sehr geholfen, und dafür gäbe es auch noch Menschen auf dem Arbeitsmarkt. Aber auch das verbietet uns das Gesetz bisher. Für 2026 erwarten wir allerdings eine Reform des Kinderbildungsgesetzes NRW. Darin erhoffe ich mir Maßnahme wie diese. Das wäre ein kleiner Hoffnungsschimmer.

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