Abo

Die Fehler der OberstaatsanwältinInterner Bericht im Fall von Sven W.

Lesezeit 4 Minuten
landgericht

Das Kölner Justizgebäude an der Luxemburger Straße.

Köln – Der Fall von Sven W., der am Rande des Christopher Street Days 2016 angeblich Widerstand gegen Polizisten geleistet haben soll, war reich an Wendungen.

W. hatte bei einem Streit in einem Schnellrestaurant an der Marzellenstraße eingegriffen und versucht zu schlichten. Von Polizisten, die zum Tatort gerufen wurden, wurde W. geschlagen, getreten und festgenommen. Später fand er sich wegen Widerstands gegen Polizisten vor Gericht wieder – doch Amtsgericht und Landgericht sahen W. nicht als Täter, sondern als Opfer, dem von den Beamten Unrecht angetan worden sei. Eine ehemalige Polizeischülerin belastete ihre früheren Kollegen schwer. Der Richter am Landgericht sprach von mehreren Straftaten im Amt, darunter gefährliche Körperverletzung, und entschuldigte sich im Gerichtssaal für den Staat. Trotz des erneuten Freispruch für Sven W. am Landgericht ging die Staatsanwaltschaft erneut in Revision, bis ihn letztinstanzlich das Oberlandesgericht in allen wesentlichen Punkten freisprach.

Kölner Oberstaatsanwältin soll Abläufe missachtet haben

Nun wurde die Oberstaatsanwältin intern versetzt, wie der „WDR“ aus Justizkreisen erfuhr. Einem internen Untersuchungsbericht der Generalstaatsanwaltschaft Köln zufolge soll sie mehrere dienstliche Abläufe missachtet haben. „Da ist von massiven Fehlentscheidungen der Oberstaatsanwältin die Rede“, sagt der frühere Landtagsabgeordnete Bernhard von Grünberg (SPD), der den Prozess beobachtete. So soll die Oberstaatsanwältin ihren Behördenchef nicht über die Einstellung des Verfahrens gegen zwei Polizisten informiert haben, gegen die nach den Beschuldigungen gegen sie im Gerichtssaal ermittelt worden war.

Ein Sprecher der Kölner Staatsanwalt betont indes gegenüber dieser Zeitung, die Versetzung der Oberstaatsanwältin habe nichts mit dem aktuellen Fall zu tun, der Wechsel in einen anderen Fachbereich sei lange geplant gewesen. Die Umsetzung der Oberstaatsanwältin in den Bereich Organisierte Wirtschaftskriminalität sei seit mehr als einem Jahr angedacht gewesen, teilt die Generalstaatsanwaltschaft mit. Bei den Fehlern der Oberstaatsanwältin handele es sich nicht um „massive Fehlentscheidungen“, sondern um „Versehen“, die „in Anbetracht der durchgängig hohen Arbeitsbelastung vorkommen“ könnten.

Das könnte Sie auch interessieren:

Gegen die Polizeibeamten stand der Verdacht schwerer Straftaten im Raum – das Verfahren wurde gegen eine Geldbuße von 750 Euro eingestellt. „Der Bericht liest sich sehr seltsam, ich vermute, dass ganz andere Leute da Weisung erteilt haben“, sagt von Grünberg. Justizminister Peter Biesenbach soll persönlich über den Verlauf des Verfahrens informiert worden sein. Trotzdem hielt die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse für nicht relevant genug, um beispielsweise über die Einstellung des Verfahrens gegen die Polizisten zu informieren.

Das sagt Sven W. zur Versetzung

Sven W. verspürt keine Genugtuung über die Versetzung der Oberstaatsanwältin. „Ich hatte gedacht, dass da Köpfe rollen müssen, für mich sieht das nach einer Beschwichtigung für die Öffentlichkeit aus“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ am Mittwochnachmittag. „Angemessen wäre wohl eher gewesen, sie aus dem Dienst zu entziehen.“

Direkt morgens wissen, was in Köln passiert

Jetzt für „Stadt mit K“ anmelden!

Was bringt der Tag? Was kann ich in Köln unternehmen? Wo sollte ich essen gehen? Oder soll ich vielleicht doch lieber ein Rezept nachkochen? Wie ist die aktuelle Corona-Lage in der Stadt? Und welche Geschichten sollte ich auf keinen Fall verpassen?

All das liefern wir Ihnen in unserem Newsletter „Stadt mit K“ von Montag bis Freitag immer bis spätestens 7 Uhr bequem und kostenlos in ihr E-Mail-Postfach.

Als Newsletter-Abonnent erhalten Sie außerdem regelmäßig exklusive Informationen und können an interessanten Aktionen und Gewinnspielen teilnehmen. 

Jetzt für „Stadt mit K“ anmelden und über Köln auf dem Laufenden bleiben! 

Hier geht's zur Anmeldung.

W. kämpft derweil weiter für sein Recht – er hat das Land auf eine Entschädigung von 15.000 Euro verklagt. Der Anwalt des Landes NRW bot zunächst 2000 Euro an, da er „bereits Genugtuung durch die gegen ihn ergangenen Entscheidungen (…) erlangt“ habe. Inzwischen wolle das Land 10.000 Euro zahlen, „allerdings samt einer Verschwiegenheitserklärung“, sagt Sven W. „Das mache ich nicht.“ Er sei bewusstlos geschlagen worden, getreten, gedemütigt, zu Unrecht eingesperrt und habe viele Jahre in Prozessen gesessen. „Ich werde aber immer noch als Täter dargestellt und soll abgespeist werden.“ Eigentlich sollte Justizminister Biesenbach am Mittwoch im Rechtsausschuss des Landtags Rede und Antwort stehen. Der Sitzungspunkt im Ausschuss wurde jedoch kurzfristig auf den 2. Juli vertagt.

KStA abonnieren