Preisverleihung in KölnTischlerin unterstützte Tausende Mädchen

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Zu sehen sind die Preisträgerin Else-Falk-Preises, Christiane Lehmann, sowie Henriette Reker.

Preisträgerin Christiane Lehmann (l.) und Oberbürgermeisterin Henriette Reker

Christiane Lehmann vom Handwerkerinnen-Haus in Köln wurde mit dem städtischen Else-Falk-Preis ausgezeichnet.

Eigentlich war sie nur als Tischlerin zum Aufbau des Mädchenwerkstatt-Gebäudes engagiert. Doch in dem Haus fand sie ihre Lebensaufgabe.  Christiane Lehmann arbeitet seit fast 27 Jahren für den Verein Handwerkerinnen-Haus Köln, der seit 1989 im Worringer Bahnhof in Nippes beheimatet ist. In dieser Zeit haben hier Zehntausende junge Mädchen und Frauen Handwerk erlernen und perfektionieren können.

Christiane Lehmann (64) begleitete viele von ihnen vom ersten Ansetzen des Sägeblatts bis zur abgeschlossenen handwerklichen Ausbildung und ist stolz darauf: „Es ist so schön zu sehen, wie schnell sich die Mädchen auf die oft für sie fremde handwerkliche Arbeit einlassen, mit wie viel Freude und Durchhaltevermögen sie in der Werkstatt dabei sind, wie sie bei uns Talente und Fähigkeiten entdecken und Selbstwirksamkeit erfahren. Und vor allem: eigene Vorstellungen von einer selbstbestimmten Lebens- und Berufsperspektive entwickeln.“

Kölner ist Vorbild im Kampf um Geschlechtergerechtigkeit

Nachdem sie bereits vor zwei Jahren nominiert wurde und den zweiten Platz belegte, wurde Christiane Lehmann nun von Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Rathaus mit dem Else-Falk-Preis für eine „innovative Vorbildfunktion im Kampf um Geschlechtergerechtigkeit“ ausgezeichnet.

Die 16-köpfige Jury der Stadt Köln zeigte sich begeistert. „Die Kombination aus handwerklichem Geschick und großer Leidenschaft ist es, was unsere Preisträgerin ausmacht. Und damit schlägt sie wichtige, bedeutende Brücken zwischen zwei Welten“, sagte Bettina Mötting, ehemalige Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Köln und eine Freundin von Lehmann in ihrer Laudatio.

„Jedes einzelne Mädchen verdient Unterstützung“

Christiane Lehmann machte ihr Abitur in den 70er Jahren und hatte früh den Wunsch, Tischlerin zu werden. Doch sie wuchs mit Stereotypen und Lebensvorstellungen auf, die sie zunächst wie selbstverständlich ins Studium in Sozialpädagogik führten. Erst als sie 30 wurde, machte sie eine Ausbildung zur Tischlerin, als einzige Frau zwischen 18 Männern in ihrem Jahrgang. Einschüchtern lassen habe sie sich davon aber nie: „Ich war endlich genau da, wo ich sein sollte und wollte.“

Mit ihrem sozialpädagogischen Hintergrund und ihrer praktischen Fähigkeit brachte Lehmann genau die richtigen Qualifikationen für das Handwerkerinnen-Haus mit. Eine der jungen Frauen, die sie betreute, war Janine, die Lehmann zur Preisverleihung eingeladen hatte. Damals kam Janine e aus der achten Klasse einer Hauptschule in die besondere Ausbildungsstätte und entdeckte schnell ihre Liebe zum Handwerk. Sie war wieder motiviert, ihren Schulabschluss zu schaffen, machte eine Ausbildung zur Tischlerin, holte das Abitur nach und studierte schließlich Sozialpädagogik. Nun soll noch ein Psychologiestudium folgen. 

Dass Menschen wie Janine in ihre Fußstapfen treten, macht die Tischlerin stolz. „Janines Beispiel zeigt einmal mehr, wie viel Potenzial der Gesellschaft verloren geht, wie viele Talente ungenutzt bleiben, wenn nicht ausreichend in chancengerechte Bildung und Kinder- und Jugendarbeit investiert wird.“

Neues Programm gegen Schulverweigerung

Mit schul- und ausbildungsbegleitenden Programmen unterstützen Christiane Lehmann und die 15 Angestellten viele Schülerinnen, die hier gehört und begleitet werden. Mit dem Projekt „Pfiffigunde“ zur Prävention von Schulverweigerung soll zukünftig bereits in der Grundschule und in Kitas gestartet werden. „Wenn die Kinder schon früh merken, was sie können und wie viel Spaß es macht, das zu können, dann bleiben sie dran und dann haben wir richtig was gewonnen.“

Nominiert vom Frauengeschichtsverein und dem DGB Stadtfrauenausschuss setzte sich Christiane Lehmann gegen 15 weitere Frauen durch und erhielt ein Preisgeld von 5000 Euro. Der Preis ist benannt nach der Jüdin Else Falk, die lange in Bayenthal lebte, wo auch ein Stolperstein an sie erinnert. Über Jahrzehnte hatte die Frauenrechtlerin zahlreiche soziale Projekte auf den Weg gebracht, bevor sie 1933 vom NS-Regime gezwungen wurde, ihre Arbeit zu beenden. „Ich bin froh und auch besonders stolz, dass wir es in meiner Amtszeit geschafft haben, diesen wichtigen Preis in Köln ins Leben zu rufen“, sagte Oberbürgermeisterin Reker.

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