„Hatte seit 15 Jahren keinen Kater mehr“Kölner Naturwein-Pionierin holt für Messe internationale Winzer nach Ehrenfeld

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Naturwein-Pionierin Surk-ki Schrade in ihrem Weinladen „La Vincaillairie“ in der Leostraße in Ehrenfeld

Naturwein-Pionierin Surk-ki Schrade veranstaltet parallel zur weltgrößten Weinmesse, der Pro-Wein in Düsseldorf, den „Weinsalon Natürel“ in den Balloni-Hallen in Köln-Ehrenfeld.

Vor 15 Jahren eröffnete Surk-Ki Schrade die erste Naturweinhandlung Deutschlands – was das Produkt besonders macht und wer zur Naturwein-Messe am Wochenende kommt.

Die Wahl des Datums lag nahe. Als Weinhändlerin Surk-Ki Schrade 2014 erstmals in ihrem Ehrenfelder Geschäft „La Vincaillarie“ in der Leostraße eine kleine Hausmesse veranstaltet hat, war klar: Das soll ein Kontrapunkt zur weltgrößten Weinmesse „Pro Wein“ in Düsseldorf sein. Zum achten Mal organisiert die 53-Jährige nun schon die mittlerweile gewachsene internationale Naturwein-Messe „Weinsalon Natürel“, die diesen Samstag, 9. März, bis Sonntag, 10. März, in den Balloni-Hallen stattfindet.

Dann präsentieren 74 Weingüter aus Europa ihre Produkte. „Aus Deutschland gab es 2015/16 nur fünf Winzer, nach Corona waren es schon über 40. Einigen musste ich auch absagen.“ Schrade erwartet Fachpublikum aus den USA und Japan. „Es kommen Leute aus den Top-Weinbars in New York.“

„Weinsalon Natürel“ in Köln-Ehrenfeld: Naturwein im Trend

Gerade in den vergangenen zwei Jahren habe das Thema nochmal richtigen Aufwind erlebt. „Das hängt mit dem Zeitgeist zusammen. Es gibt ein Umdenken im Konsumverhalten. Auch die Frage, was ein guter Wein ist, spielt eine Rolle. Die Leute beschäftigen sich zudem mit Sauerteigen, Kimchi und Fermentation“, so Schrade. Mode hin oder her, das kümmert Schrade nicht wirklich. „Naturwein ist einfach Wein, der anders hergestellt wurde.“ Dabei ist anders relativ: Die Weingeschichte reicht 9000 Jahre zurück.

La Vincaillairie in der Leostraße 57 in Köln-Ehrenfeld

„La Vincaillairie“ in der Leostraße 57 in Köln-Ehrenfeld.

„Ende des Zweiten Weltkrieges ging es mit der Industrialisierung von Lebensmitteln los – mit der kontrollierten Herstellung, dem kontrollierten Geschmack. Bis dahin war alles Naturwein, also vergorener Traubensaft.“  Ihr Motto lautet daher: „Nichts kommt rein und nichts raus.“ Bei der industriellen Weinherstellung dürfen etliche Zusatzstoffe zum Einsatz kommen – von beigemischter Hefe bis hin zur Hausenblase, der pulverisierten Schwimmblase von Fischen.

Naturweinen darf nur etwas Schwefel hinzugegeben werden

Nicht alle Zusatzstoffe müssen laut EU-Gesetzen angegeben werden, da es sich bei Wein um ein Genussmittel handelt: Die Regelungen sind hier weniger strikt als für Lebensmittel. Auch bei Bioweinen sind mehr Zusatzstoffe erlaubt. Bei Naturwein aber darf höchstens ein wenig Schwefel zur Stabilisierung hinzugegeben werden, allerdings erst nach der Gärung – dieses wirkt antibakteriell. Und wer keinen Wein verträgt, oft einen Kater hat, dem rate sie zunächst zu Naturwein. „Manchmal reagieren die Leute auf Zusatzstoffe, von denen sie gar nicht wissen, dass sie drin sind.“ Sie selbst sagt: „Ich habe seit 15 Jahren keinen Kater mehr.“ Aber jeder Körper ticke anders.

Naturweine können, müssen aber nicht trüb sein. Das weckt mitunter Vorbehalte. „Das Auge trinkt immer mit. Ich frage dann, welchen Apfelsaft trinkt ihr? Da kommt dann immer: den Trüben. Das ist Gewöhnungssache“, so Schrade.

Die Weinwissenschaft behaupte zwar, Naturweine hielten sich weniger gut, aber davon will die 53-Jährige nichts wissen. „Mein ältester Wein ist von 1995. Das ist ein schöner, gereifter Wein. Im Sommer sollte man den Wein nicht in einem LKW mit Plane umherfahren. Deswegen hängen hier auch nur leere Flaschen, die mögen keine UV-Strahlung.“ Den Wein lagert Schrade eine Etage tiefer, in einer Kühlzelle.

Weinszene: Eine Männerdomäne

Die zweifache Mutter und frühere Regieassistentin gilt als Pionierin des Vin Naturel. Kennengelernt hat sie ihn auf einer Weinmesse in Marseille. Daraufhin hat sie vor 15 Jahren die erste Naturweinhandlung in Deutschland eröffnet. Die Reaktionen seien zunächst harsch gewesen. „Ich wurde angeschrien, als blöd hingestellt, weil es ja nicht sein kann, dass Wein ohne Schwefel hergestellt wird. Das waren Fachkollegen – Männer. Auch in der Naturwein-Szene sind mehr Männer, aber wir Frauen sind hier lauter.“

In der herkömmlichen Branche gebe es zwar auch Frauenvereinigungen, aber diese würden eher machen, was die Männer vorgeben. Auch was die Lehre des Schmeckens an den Weinschulen betreffe. „Ich finde es furchtbar, wenn jemand sagt, ich muss eine Brombeere im Wein schmecken. Wenn ich das nicht tue, bin ich deswegen nicht falsch.“ Schrade versuche in ihren Weinproben daher das eigene Selbstbewusstsein beim Schmecken zu stärken.

Die Messe findet Samstag und Sonntag in den Balloni-Hallen am Ehrenfeldgürtel statt: Von elf bis 14 Uhr für Fachpublikum, von 14 bis 18 Uhr für Privatbesucher. Eintritt kostet 23 Euro.

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