Vorbild Niederlande?Wo Kreisverkehre den Kölner Verkehr verändern sollen – und warum sie nicht immer eine Lösung sind

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Im Beteiligungsportal von „Senf“ und „Kölner Stadt-Anzeiger“ werden Kreisverkehre so viel diskutiert wie kein anderes Thema. Wie sie Köln verändern werden – eine Analyse.

Keine Wartezeiten, kein Start und Stopp, eine elegantere Straßenführung. Wenn es um die Umgestaltung der Stadt und ihres Verkehrsnetzes geht, sind die Kölnerinnen und Kölner an Kreisverkehren sehr interessiert. Das zeigen Auswertungen von Leserkommentaren auf dem Beteiligungsportal „Senf.App“ (zuvor „Senf.Koeln“), mit dem der „Kölner Stadt-Anzeiger“ kooperiert. Auf dem Portal können Anwohnerinnen und Anwohner ebenso wie interessierte Beobachter Vorschläge für mögliche Optimierungen des Verkehrs und des öffentlichen Raums hinterlegen.

Die Einrichtung von Kreisverkehren wird an zahlreichen Stellen gefordert und diskutiert, kein Thema bewegt die Kölnerinnen und Kölner im Rahmen der Online-Befragung mehr. Auch die Stadtverwaltung sieht in dem Thema großes Potenzial, um die Verkehrswende voranzutreiben und den Verkehrsfluss insgesamt zu verbessern.

„In Kreisverkehren ist die Fahrgeschwindigkeit nachgewiesenermaßen niedriger als an gewöhnlichen Kreuzungen, wodurch die Verkehrssicherheit erhöht wird“, dies sei ein entscheidender Vorteil, sagte ein Stadtsprecher dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Kreisverkehre seien zudem übersichtlicher und einfacher zu verstehen. Außerdem können Kreisverkehre laut Stadt leistungsfähiger sein als Kreuzungen, die mit Vorfahrt oder Ampeln geregelt sind.

Zahlreiche Kölner fordern neuen Kreisverkehr in der Innenstadt

Doch es gibt auch hier, wie immer in der Verkehrsgestaltung, häufig Konflikte. „Nachteile können sich im Einzelfall für den Fuß- und Radverkehr ergeben, beispielsweise durch längere Entfernungen für Fußgänger“, heißt es von der Stadt weiter. Knotenpunkte mit einer dominierenden Fahrtrichtung und weniger befahrenen Nebenstraßen etwa seien weniger gut für Kreisverkehre geeignet.

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KStA x Senf

Besonders groß war das Interesse an einem möglichen neuen Kreisverkehr mitten in der Kölner Innenstadt an der Kreuzung Blaubach/Neuköllner Straße. „Die Verkehrssituation an dieser Kreuzung ist definitiv verbesserungswürdig“, heißt es von einem Nutzer, dem zahlreiche Kölnerinnen und Kölner zustimmten.

„Fußgänger müssen eine halbe Ewigkeit warten, um über die Hälfte der Kreuzung zu gelangen und dann nochmal warten, bis sie die zweite Hälfte überqueren können. Fahrradwege sind in der ganzen Gegend nur sporadisch zu finden“, so der Nutzer weiter. „Ein Kreisverkehr könnte doch vielleicht den Verkehrsfluss verbessern? Im gleichen Zuge könnte dieses Gebiet für Fahrradfahrer aber auch Fußgänger attraktiver gemacht werden.“

„Senf“ hat für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ eine Visualisierung angefertigt, die an dem Beispiel aufzeigt, wie sich der Stadtraum durch zentrale Kreisverkehre verändern kann.

Geforderter Kreisverkehr im Rechtsrheinischen wird gebaut

Wie die Stadt auf Anfrage mitteilte, ist die Einrichtung eines Kreisverkehrs an diese Stelle jedoch ausgeschlossen. Die Verwaltung hat ein Programm eingerichtet, das weniger Ampeln zum Ziel hat. Auch die Kreuzung Blaubach/Neuköllner Straße wurde in einer Voranalyse auf Grundlage von Verkehrsdaten analysiert, ein Kreisverkehr wurde aber frühzeitig ausgeschlossen. Die Datenanalyse der Stadt steht hier der Wahrnehmung vieler Anwohner entgegen.

In anderen Fällen kamen Stadtverwaltung und Bürger auf dieselbe Idee: Für die Kreuzung der Straßen Dattenfelder Straße, Hans-Schulten-Straße und Rather Kirchweg in Brück wurde im Beteiligungsportal ein Kreisverkehr angeregt – und tatsächlich liegt bereits ein Baubeschluss vor. Der Kreisverkehr wird an dieser rechtsrheinischen Achse gebaut. 

Verkehrsforscher: „Kreisverkehre mit unglaublicher Karriere“

Für sieben weitere mögliche Kreisverkehre, die im Portal angeregt wurden, plant die Stadt Machbarkeitsstudien (siehe unten). In den kommenden Jahren werde man eine Liste an Kreuzungen überprüfen. Die Planung ist ein Hinweis darauf, dass die – zumeist intuitive – Wahrnehmung der Kölnerinnen und Kölner an vielen Stellen die tatsächlichen Potenziale der Verkehrsentwicklung erkennt.

An den zahlreichen Projekten, die in der Stadt nun geprüft werden, lässt sich ein Trend erkennen. „Die Einrichtung neuer Kreisverkehre ist ein Baustein für die Verkehrswende, da sie den Verkehr oftmals leistungsfähiger abwickeln und die Geschwindigkeit verringern können“, sagte der Stadtsprecher. Seit vielen Jahren schaffe die Verwaltung auch mit dem Bau weiterer Kreisverkehre erfolgreich Alternativen zu Ampeln. Das Ziel sei es, „den Austausch von Ampelanlagen an möglichst vielen Stellen zu realisieren.“

Dass Kreisverkehre sich je nach Ort völlig unterschiedlich auf den Verkehr auswerten, zeigt eine Auswertung zweier Kreisverkehre, die in den vergangenen Jahren errichtet wurden und die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ mithilfe von Daten des Navigationsgeräteherstellers „TomTom“ vorgenommen hat.

Beim Kreisverkehr an der Kitschburger Straße/Friedrich-Schmidt-Straße in Braunsfeld, der 2018 in Betrieb ging, hat sich die Fahrzeit vor der Eröffnung in zwei Richtungen verlängert, in zwei Richtungen jedoch auch verkürzt. Dasselbe gilt für die Durchschnittsgeschwindigkeit (siehe Grafiken). Ein einheitliches Bild lässt sich für die Veränderungen des Autoverkehrs in Braunsfeld also nicht zeichnen, wenn es um den Kreisverkehr geht.

Anders in Finkenberg: Der Kreisverkehr, der hier eröffnet wurde, hat einen erkennbar positiven Einfluss auf den Autoverkehr. In alle vier Richtungen konnte durch die Umstellung die durchschnittliche Fahrzeit verringert werden, die Durchschnittsgeschwindigkeit hat sich durch die Veränderung in alle vier Richtungen erhöht (siehe Grafiken).

Doch längst nicht jeder hält Kreisverkehre für ein Zukunftskonzept. In erster Linie verbessern sie den Verkehrsfluss im Autoverkehr, meint etwa der Soziologe und Verkehrsexperte Andreas Knie, der an der Technischen Universität Berlin zur Zukunft der Mobilität in deutschen Großstädten forscht. Der Trend zum Kreisverkehr sei kein Kölner Phänomen: „Kreisverkehre haben in den vergangenen zehn Jahren eine unglaubliche Karriere hingelegt, es gibt keine europäische Stadt mehr, die keinen hat“, sagte Knie im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Tatsächlich sei der Kreisverkehr da, um den Verkehr flüssiger zu machen. „Aber mit ihm doktort man aus meiner Sicht nur an den Symptomen einer verfehlten Verkehrspolitik“, so Knie weiter. Man löse keine strukturellen Probleme, sie seien ein Instrument der klassischen Verkehrspolitik, die auf das Auto fixiert sei. „Der Kreisverkehr ist eine Optimierung nur für den Autofluss und gehört zumindest für große, enge Städte in die Mottenkiste“, so Knie weiter.

Die Kölner Verkehrsplanung ist weit entfernt von Kreisverkehren, die wie etwa in niederländischen Städten als großflächige Anlagen mit einer weitgehenden Trennung der verschiedenen Verkehrsmittel arbeiten. Dafür bräuchte es auch grundsätzlich andere Prämissen in der deutschen und nordrhein-westfälischen Verkehrs- und Stadtentwicklungspolitik.

Der Fahrradclub ADFC weist darauf hin, dass geschützte Kreisverkehre hierzulande in den technischen Regelwerken bisher nicht vorgesehen seien, „aber auf der Grundlage des Straßenverkehrsrechts oder des Straßenrechts ebenfalls umsetzbar“ seien. Pilotprojekte für Kreisverkehre mit Fahrradschwerpunkt wären auch in Köln mit Hürden wie einem höheren Planungs- und Investitionsaufwand verbunden, prinzipiell aber nicht ausgeschlossen.

Stadt Köln: Kreisverkehre nur eines von vielen Instrumenten

„Auch auf die Kölner Probleme sind Kreisverkehre nicht die Antwort“, sagte der Wissenschaftler. „Wir sehen ganz klar, dass Menschen mit dem Auto fahren, wenn die Straßen da sind. Es geht also um eine Neupriorisierung, nicht um eine Verbesserung einzelner Ecken für den Autoverkehr, die letztlich sogar Anreiz für die Nutzung des Autos sind.“

Dass die Ersetzung von Ampeln durch Kreisverkehre kein Allheilmittel ist, um die Straßen modern zu gestalten, ist auch der Stadt klar. „Es muss immer eine Einzelfallprüfung stattfinden, die sich mit den Verkehrsmengen, der Zusammensetzung des Verkehrsgeschehens, sicherheitsrelevanten Themen und weiteren örtlichen Rahmenbedingungen, beispielsweise der Verfügbarkeit ausreichender Flächen, auseinandersetzt“, heißt es von der Stadt. Kreisverkehre, die nur dem Autoverkehr helfen, sind nicht der Anspruch der Verwaltung.


Bei „Senf.koeln“ diskutierte Kreuzungen, an denen die Stadt die Abschaffung der Ampeln überprüfen will:

Weidenbach/Honschaftsstraße (Höhenhaus) Breslauer Straße/Ecke Ostlandstraße (Marsdorf), Blumenbergsweg/Mercatorstraße (Blumenberg), Kempener Straße/Wilhelmstraße (Nippes), Kempener Straße/Gocher Straße/Siebachstraße (Nippes), Kempener Straße/Merheimer Straße (Nippes), Moltkestraße/Bismarckstraße/Vogelsanger Straße (Neustadt-Nord)

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