Kölner Gastrokümmerin„Trotz Krise wollen viele Gastronomen neu aufmachen“

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Gastrokümmerin

Jutta Schiweck-Nitsche (l.) und ihre Kollegen Manuel Rieger und Petra Voigt. Zusammen sind sie die Zentrale Anlaufstelle Gastronomie.

Köln – Gastrokümmerin, das klingt für jemanden, der in der Stadtverwaltung arbeitet, doch schon sehr menschelnd. Seit einem halben Jahr ist Jutta Schiweck-Nitsche in dieser neugeschaffenen Position – fast die Hälfte der Zeit sind die Gastronomen, um die sie sich kümmert, im Lockdown.

Ist sie da nicht auch zum Gastrokummerkasten geworden? Oder zur Klagemauer? Jutta Schiweck-Nitsche lacht. „Es kommen auch viele Sorgen. Und dafür haben wir ein offenes Ohr.“ Aber es sei ja nicht so, dass die Gastronomie weg sei. „Wir haben immer noch ganz normale Anträge von Leuten, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Und es gibt sogar mehr Anträge von bestehenden Betrieben und viel mehr Ideen für Umbauten, die eingereicht werden, weil sich alle auf eine Wiedereröffnung vorbereiten wollen.“ So wurden 35 Stellungnahmeverfahren für Baugenehmigungen angefertigt. „Das machen wir in direkter Zusammenarbeit mit dem Bauamt und das geht sehr zügig.“

Kein Vorbilder in anderen Städten

Auf Vorbilder aus anderen Städten konnte sich die Gastrokümmerin nicht stützen. „Wir haben uns ganz neu selber aufgebaut.“ Allerdings ist Schiweck-Nitsche kein Neuling. Sie war viele Jahre in der „ganz normalen“ Gaststätten-Abteilung der Stadt tätig, zuständig für die Innenstadt einschließlich der Ringe – auch ohne Pandemie kein leichtes Pflaster.

Bei den meisten Anfragen vor allem in den hoffnungsvollen Spätsommermonaten ging es um die Erweiterung der Außengastronomie. Zwischen den beiden Lockdowns war zum Beispiel unter bestimmten Bedingungen erlaubt worden, auch auf Parkplätzen Tische und Stühle aufzustellen. Schiweck-Nitsche und ihre beiden Kollegen checken die Lage auch immer mal wieder vor Ort. Mit „viel Fingerspitzengefühl“ wird auch mit Nachbarn gesprochen, die sich über stehengebliebenes Außengastronomie-Mobiliar beschweren. „Wir wollen nicht, dass da sofort ein Schreiben rausgeht.“ Solche Dinge würden stattdessen möglichst auf telefonischem Wege direkt geregelt.

Ein aktueller Fall: Im Rheingarten hatte ein Gastronom unzulässigerweise eine Fläche zugeteert, um Tische aufstellen zu können. Auch hier wurde telefoniert – und der Teer verschwand wieder.

Baugenehmigungen und Beratung

Die Zentrale Anlaufstelle Gastronomie gibt es seit dem 1. September 2020. In dieser Zeit wurden unter anderem bearbeitet:

35 Stellungnahmen zu Baugenehmigungen wurden angefertigt.

In 92 Fällen wurden wetterfeste Aufstellelemente für Außengastronomie-Flächen geprüft.

Es gab 190 telefonische und persönliche Beratungen.

55 komplizierte Fälle von Neukonzessionen und Anträge auf Außengastronomie wurden bearbeitet, 27 davon abgeschlossen.

Fragen gibt es auch zu den immer neuen und oft sehr peniblen Take-Away-Regeln – etwa, ob ein Getränk immer mit Deckel verkauft werden muss. „Offene Gebinde“ ohne Deckel sind eigentlich nicht erwünscht, denn die verleiten angeblich zum sofortigen Verzehr – Verzehr ist aber erst in 50 Meter Entfernung von der Verkaufsstelle erlaubt. Man sei nun übereingekommen, dass diese Regel auch aus Umweltschutzgründen im wahrsten Sinne des Wortes etwas offener gehandhabt wird.

Unruhe bei Clubs und Diskotheken

Eine große Welle von Anfragen gibt es aktuell, weil in normalen Zeiten die Konzession nach einem Jahr erlischt, wenn der Betrieb nicht fortgeführt wird. Da herrschte vor allem bei den seit Pandemie-Beginn komplett lahmgelegten Clubs und Diskotheken große Unruhe, die sich schnell über die sozialen Medien verbreitete. „Wir haben dann schon – bevor die offizielle Verfügung kam – die Wirte informiert, dass sie ganz beruhigt sein können und keine neuen Anträge stellen müssen.“

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In den vergangenen drei Wochen habe es auch wieder eine neue Flut von Anfragen zur Außengastronomie gegeben. Nachdem die Verlängerung des Lockdowns sicher ist, sei es nun „bedrückend ruhig“. Aber Wechselbäder der Gefühle ist die Gastrokümmerin gewohnt. Und sie bleibt optimistisch. „Die Gastronomen sind sehr erfinderisch, ob es Gutscheine oder Lieferungen nach Hause sind. Und die Kölner halten auch sehr zu ihrer Gastronomie.“ Vor der Pandemie habe bei Restaurants oft die Devise gegolten: höher, schneller, weiter, noch ausgefallenere Einrichtung. Jutta Schiweck-Nitsche glaubt, dass die Gäste sich nach dem langen Entzug wieder darauf besinnen, dass die Gastronomie vor allem ein Treffpunkt ist. 

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