Zweite AnmelderundeZu wenig Schulplätze linksrheinisch in Kölner Gymnasien – Eltern fürchten weite Wege

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Eltern auf dem Alter Markt. Sie halten Schilder in der Hand, mit denen sie gegen die Verlosung von Schulplätzen demonstrieren.

Schon im letzten Frühjahr demonstrierten Eltern vor dem Rathaus auf dem Alter Markt gegen den Schulplatznotstand.

Vor der zweiten Runde ist klar, dass die Gymnasialplätze nicht reichen. Entscheidend wird, wie viele Kinder außerhalb Kölns einen Platz annehmen. 

Knapp 500 Kölner Familien leben derzeit im Ausnahmezustand. Vor der in wenigen Tagen startenden zweiten Anmelderunde für die Kinder, die bisher an den weiterführenden Schulen leer ausgegangen sind, ist die Anspannung riesig. Wo bekommt das eigene Kind einen Platz und wie weit wird der Schulweg? Wird es überhaupt für alle Kölner Kinder einen Platz geben? – Fragen, die Eltern gerade buchstäblich den Schlaf rauben.

Eine Mutter aus Nippes berichtet, ihr Sohn habe vorgeschlagen, in diesem Schuljahr bewusst sitzenzubleiben, damit es vielleicht im nächsten Jahr mit einem Platz klappt. Marlene (9) aus Mauenheim fehlten hundert Meter. „Wir haben in unmittelbar erreichbarer Nähe drei Gymnasien“, erzählt Mutter Melanie Engels. Beim Da Vinci Gymnasium sei es statt Verlosung nach Schulweglänge gegangen „Da hatten wir uns mit 1,3 Kilometer die besten Chancen ausgerechnet.“ Die Freundin, die 100 Meter näher wohnte, hat nun einen Platz, Marlene nicht. „Sie kann das einfach nicht begreifen. Auch wir als Familie fühlen uns von der Stadt völlig alleingelassen.“

Knapp 100 Ablehnungen allein an drei Kölner Schulen

So wie Familie Engels geht es vielen Familien, vor allem im Kölner Norden und Nordwesten gab es in diesem Jahr die größten Überhänge: Kinder aus Longerich, Ossendorf, Mauenheim, Nippes und Ehrenfeld gingen in großer Zahl leer aus. Allein das Da Vinci Gymnasium, das Dreikönigsgymnasium und das Albertus-Magnus-Gymnasium haben zusammen knapp 100 Ablehnungen rausgeschickt.

Zehn Gymnasien stehen nun auf der Liste mit noch freien Plätzen – das „kleinste Übel“ sei das Gymnasium Kreuzgasse knapp 40 Minuten mit öffentlichen Verkehrsmitteln entfernt, sagt Engels. Ab Montag müssen sie sich für eine Schule entschieden haben und dort anmelden – nur um dann wieder in einem Lostopf zu landen. Aber was, wenn es da nicht klappe? Schließlich schielten alle Kinder aus dem Linksrheinischen auf die Plätze der beiden Innenstadtgymnasien Kreuzgasse und Kaiserin-Augusta-Gymnasium als die einzigen zumindest einigermaßen zu erreichenden Schulen. Als Horrorszenarien haben linksrheinische Eltern vor Augen, dass ihr Kind auf der anderen Rheinseite landet – in den Gymnasien in Porz, Kalk oder Buchheim mit sehr langen Anfahrtswegen.

Stadt Köln schafft keine Transparenz zur Zahl der freien Schulplätze

Was den Familien nun vor allem fehlt, ist Transparenz. Die Stadt jedoch verweigert mit Verweis auf das laufende Verfahren Informationen dazu, wie viele freie Plätze es für die verbliebenen Kinder überhaupt noch gibt und an welcher Schule es wie viele sind. „Transparenz im Anmeldeverfahren ist uns sehr wichtig. Dennoch haben wir uns entschieden, die konkreten Zahlen zu vorhandenen Plätzen nicht zu benennen“, hieß es dazu vonseiten der Stadt an die Eltern. Den Eltern werde damit vorenthalten, eine abgewogene, informierte Entscheidung zu treffen, wenn man sie schon in eine weitere Runde mit unwürdiger Lostombola schicke, kritisierte Olaf Wittrock, Sprecher der Initiative „Die Abgelehnten“. Sie müssten sich die Informationen selbst zusammensuchen.

Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zufolge entfallen von den 493 Absagen der Wunschschulen 319 aufs Gymnasium und 174 auf Realschulen. Auch das ein in dieser Dimension neues Phänomen, dass nun auch Realschulen betroffen sind. Den 319 unversorgten Gymnasialkindern stehen KStA-Berechnungen nach in Summe zwischen 250 und 270 freie Gymnasialplätze gegenüber. Das wären mindestens 50 Gymnasialplätze in Köln zu wenig. Besonders gravierend ist der Mangel im Linksrheinischen: Dort stehen etwa 140 freien Plätzen mindestens 232 Absagen von linksrheinischen Gymnasien gegenüber, wie Wittrock aus den Rückmeldungen von Eltern zusammengetragen hat. Dort gibt es also knapp 100 Plätze zu wenig.

Wie viele Kinder die Rheinseite wechseln müssen und ob die Plätze doch zumindest in Summe für alle reichen, hängt nun entscheidend davon ab, wie viele Kölner Kinder außerhalb der Stadt an Gymnasien etwa in Hürth, Pulheim oder Dormagen einen Platz annehmen. Und das weiß derzeit nicht einmal die Stadt Köln. Denn: obwohl es ja in Köln keine Mehranmeldungen mehr gibt, konnten sich Eltern, denen das bekannt war, mit einer Kopie des Anmeldescheins in den angrenzenden Nachbarkommunen anmelden und trotzdem mit dem Original am Kölner Verteilverfahren teilnehmen und sich so zwei Optionen sichern.

Dort werden teilweise erst jetzt die Zu- oder Absagen verschickt. Allein die Dormagener städtischen Gymnasien haben an 37 Kölner Kinder Zusagen geschickt. Manche Familien geben daher dann ihre Kölner Plätze frei, wodurch auch jetzt immer noch Kinder an Kölner Gymnasien über die Warteliste nachrücken. Das Hürther Albert-Schweitzer-Gymnasium, das traditionell auch Sülzer Kinder nimmt, verschickt die Bescheide erst in dieser Woche. Außerdem hat das Ursulinengymnasium in der Innenstadt aktuell angesichts der Platznotsituation entschieden, dass bei einer relevanten Zahl weiterer Anmeldungen dort kurzfristig noch eine weitere Klasse aufgemacht wird. Interessierte Eltern können sich dort melden.

Wenn es nicht für alle reicht, hat die Stadt allerdings keinen Plan B. Weitere Mehrklassen, das hat die Bezirksregierung klargemacht, werden im Raumbestand und ohne zusätzliche Fachräume nicht mehr genehmigt. In den vergangenen zehn Jahren hatte die Stadt in Summe 120 Mehrklassen eingerichtet – ohne dass die räumlichen Bedingungen in den aus den Nähten platzenden Schulen angepasst wurden. Allein im vergangenen Schuljahr waren sieben Mehrklassen nötig, um den Bedarf zu decken. Sowohl von Bezirksregierung als auch geschlossen von allen Gymnasialschulleitungen kam danach das Signal, dass dieser Weg, immer mehr Kinder auf engstem Raum unterzubringen, nicht mehr mitgetragen werde. 

Kölner Eltern und Kinder wollen vor dem Rathaus demonstrieren

Schon jetzt ist sicher, dass es Kinder geben wird, die auch in der 2. Runde wieder leer ausgehen. Im vergangenen Jahr war das auch so. Danach vermittelte die Stadt dann in Einzelberatung allen einen Platz in, wie es hieß, „zumutbarer Entfernung“. Als zumutbar bezeichnete Schuldezernent Robert Voigtsberger damals in der Pressekonferenz einen Schulweg von 30 Minuten pro Weg.

Am Montag werden Eltern und Kinder vor dem Schulausschuss demonstrieren. „Wir fordern, das intransparente Verfahren zu stoppen“, so Wittrock. Man solle sich mit den Schulleitungen und der Bezirksregierung zusammensetzen, um möglichst verträgliche Lösungen für die Abgelehnten zu finden, statt sie in immer neuen Losverfahren gegeneinander um die besten Plätze antreten zu lassen. „Es ist wichtig, dass die Kinder als die Hauptbetroffenen sich ausdrücken können, ihre Wut und Ohnmacht auch artikulieren“, sagt eine Mutter aus Longerich. Ihr neunjähriger Sohn hat mit seinem Vater in den letzten Tagen als Bewältigungsstrategie das Lied „Schreckgespenst“ komponiert, das er auf der Demo mit Freunden vortragen will. „Erstwunsch - No. Zweitwunsch - No. Alle diese Wünsche warn fürs Klo.“ heißt es da im Refrain. Und am Schluss: „Verjagt endlich das Schreckgespenst!“

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