Gelebte VergangenheitEin Kölner lebt im Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts

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Ein Mann im altmodischen Anzug und Hemd mit Fliege steht in einem altmodisch eingerichteten Wohnzimmer.

Bonanno steht im Wohnzimmer, auf dem Esstisch liegt eine handgemachte rote Samttischdecke.

Der Jugendstil hat es Wahl-Kölner Valerio Bonanno angetan.

„Ich bin 31 Jahre alt und habe bislang aus einem Koffer gelebt, hatte während des Studiums meistens möblierte Zimmer oder kleine Wohnungen mit Ikea-Möbeln. Vor sechs Monaten habe ich endlich meine Traumwohnung gefunden“, erzählt Valerio Bonanno und öffnet voller Stolz die schwere Holzeingangstür des stilvollen Altbaus.

Ins Auge sticht zunächst die imposante grüne Briefkastenanlage und der bis ins Obergeschoss durchlaufende grüne Fliesenspiegel, der von dem Hausbesitzer liebevoll und originalgetreu nach und nach restauriert wird. Die weiße, mit Ornamenten verzierte Hausfassade im Agnesviertel ist für den frisch promovierten Bonanno mehr als ein Sechser im Lotto. 

Kölner lebt wie im 19. Jahrhundert

„Jugendstil, das ist genau meine Epoche. Diese Zeit fasziniert mich so sehr, dass ich nicht nur meine Wohnung mit Originalmöbeln aus dieser Zeit eingerichtet habe, sondern, dass ich mich auch täglich mit Original-Outfits aus dieser Zeit kleide“, sagt der gebürtige Italiener Bonanno, der einen Anzug, aus dem Jahre 1890 trägt.

Ein Hausflur mit Briefkäste und verzierten Fliesen und Steinboden erinnert ans ausgehende 19. Jahrhundert.

Der Hauseingang mit den Briefkästen und der Haustür ist Original Jugendstil.

Die Altbauwohnung ist 85 Quadratmeter groß, hat drei Zimmer, Küche und Bad mit einer Deckenhöhe von 3,50 Metern sowie einen sehr schmalen, aber 13 Meter langen Flur. Der neue Mieter Bonanno hat die gesamte Wohnung in lindgrün und beige, den Farben der Jugendstilepoche anstreichen lassen. 

Antike Bilder, Bücher und eine Samttischdecke aus den 20er-Jahren

„Als ich einzog, war hier alles weiß. Ich habe den Sockel mit Wandpaneelen vertäfeln lassen, die Wände zu drei Vierteln Höhe in Lindgrün und das letzte Viertel in Elfenbein streichen lassen. Dann habe ich nach und nach die ganzen Möbel, Lampen und Bilder gekauft.“

Bonanno, der in Pisa studiert und in Köln und Paris seine Dissertation in Philosophie geschrieben hat, ist seit seinem 14. Lebensjahr leidenschaftlicher Sammler von Kunstobjekten, alten Büchern, Bildern und antiken Fotografien, die jetzt in seiner neuen Wohnung alle einen würdigen Platz erhalten haben.

Bonanno kennt in Köln inzwischen jeden Antiquitätenladen

„Ich bin ein Genussmensch. Alles, was ich in meiner Wohnung sehe, gibt mir ein körperlich gutes Gefühl. Ich lebe diese alte Zeit. Wenn ich diese Lampen sehe, wenn ich den Schlag der Pendeluhr höre, wenn ich mir diese handgemachte rote Samttischdecke aus den 20-er Jahren anschaue, dann bekomme ich Gänsehaut. Ich habe mit dieser Zeit eine sehr, sehr tiefe Verbindung, es ist mein Leben“, so der 31 -Jährige, der seit sieben Jahren in Köln wohnt und aktuell in einer großen internationalen Unternehmensberatung tätig ist.

Auf einem hochbeinigen Tischchen steht eine Tischleuchte mit Fransen, an der Wand hängen alte Schwarz-Weiß-Fotos.

Mit viel Liebe zum Detail hat Valerio Bonanno sich eingerichtet.

Die 85 Quadratmeter mussten komplett neu möbliert werden, deshalb war Bonanno in den letzten sechs Monaten ständig auf der Suche nach Schränken, Vitrinen, Stühlen und Lampen. Woche für Woche kam ein neues Stück hinzu.

In Köln kennt er inzwischen jeden Antiquitätenladen, er besucht Flohmärkte und stöbert im Internet. In seiner Freizeit beschäftigt er sich fast ausschließlich mit der Epoche des Jugendstils, schaut alte Spielfilme, blättert in alten Büchern.

Ständig auf der Suche nach Originalen

„Wenn ich Lampen oder Teppiche brauche, muss ich mich damit ernsthaft auseinandersetzen. Ich bin ständig auf der Suche nach Originalen, nur die will ich haben. Und wenn ich mal ein Plagiat erwische – was immer mal passieren kann – dann ist das kein rausgeschmissenes Geld, im Gegenteil: aus solchen Fehlkäufen lerne ich permanent dazu“, erzählt Bonanno, der kleidungs- und einrichtungsmäßig zwar am Anfang des 20. Jahrhunderts lebt, aber auf Laptop, Handy, Thermomix und Staubsauger sowie eine moderne Küche trotzdem nicht verzichten möchte.

Seine Bekannten und Freunde akzeptieren Bonannos etwas andere Art, sich zu kleiden und zu leben. Denjenigen, die seine Wohnung wie ein Museum empfinden, erwidert er: „Ja das stimmt, aber es ist ein Museum, in dem man alles anfassen darf.“

Ein antiker Holzschrank mit Spiegel steht neben einem wuchtigen Holzbett.

Der Kleiderschrank und das Bett spiegeln die Zeit um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Man beachte die Hüte auf dem Schrank.

Im Schlafzimmer steht ein altes Holzbett, die Matratze ist neu, der Schlafanzug allerdings  ein Originalstück aus der Jugendstilepoche. In den zwei Kleiderschränken, die je 1.000 Euro gekostet haben, hängen sehr wertvolle, originale Kleidungsstücke, die aus der Zeit um die Jahrhundertwende stammen.

Diese präsentiert der Unternehmensberater seinen inzwischen 16.000 Followern regelmäßig auf seinem Instagram-Kanal. Bonanno legt großen Wert darauf, dass er sich nicht verkleidet, sondern mit den Sachen jener Zeit kleidet.

Und so ist denn auch seine neue Wohnung im Agnesviertel nicht nur Wohnung, sondern eine Art Lebensprojekt, das immer weiter optimiert und auch im täglichen Leben genutzt wird. „Ich bin ja ein Sammler und kein Kellersammler, diese Möbel, diese Menschen in den Bilderrahmen sind ja alle Zeugen unserer Vergangenheit, sie müssen täglich sichtbar sein“.

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