Jüdischer Friedhof in Köln-DeutzDie wildeste Ruhestätte der Stadt

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Umgekippter Grabstein, der an einem Baum lehnt. Auf jüdischen Friedhöfen soll der Mensch möglichst wenig eingreifen.

Umgekippter Grabstein, der an einem Baum lehnt. Auf jüdischen Friedhöfen soll der Mensch möglichst wenig eingreifen.

Köln – Friedhöfe gelten Juden als heilige Böden, sie gehören den dort Bestatteten. Gepflegt werden dürfen sie höchstens schonend – die Natur, Symbol des Lebens, soll frei gedeihen. Eine kommerzielle Nutzung der Pflanzen ist nicht gestattet. Mehr als 230 Pflanzenarten sind auf dem 1695 errichteten Friedhof heimisch, davon allein rund 130 verschiedene Stauden. Der Majoran blüht neben der Wegwarte, Friedhofsgärtner Erich Reichart zeigt eine Lilienart und mahnt, die Veilchen nicht zu zertreten.

Die traditionellen Grabsteine sind schlicht und gleichförmig.

Die traditionellen Grabsteine sind schlicht und gleichförmig.

Der jüdische Friedhof ist ein einzigartiges Biotop – regelmäßig sind Naturschützer des BUND vor Ort, es sind schon viele wissenschaftliche Arbeiten über die Flora und Fauna des Friedhofs geschrieben worden. Reichart senst von Zeit zu Zeit die Wiesen, um sie auszumagern – das ist zwar eine Arbeit von Jahrhunderten, aber hie und da ist nach 17 Jahren schon zu sehen, dass die Gräser und Wildblumen weniger hoch und dafür vielfältiger wachsen.

Die neueren Grabsteine sind prunkvoller und mit heidnischen Symbolen versehen.

Die neueren Grabsteine sind prunkvoller und mit heidnischen Symbolen versehen.

Augenfällig sind die Grabsteine – einige stehen, andere liegen. Das liegt daran, dass die Gegend um den Friedhof nicht immer ein friedlicher Ort war. Nachdem Napoleon vertrieben war, bauten die Preußen Köln zur Festung aus, in Deutz entschieden sie sich für kleine Forts, eines liegt nur einen Steinwurf vom Friedhof entfernt. Die Ruhestätte lag in der Schusslinie, allein deswegen durften die Grabstelen zwischen 1859 und 1882 nicht aufgestellt werden. Es gibt auch keine Rütteltests wie auf christlichen Friedhöfen – fällt ein Stein hin, so bleibt er liegen.

Bekannte Gräber

Zu den bekanntesten Grabstätten zählt jene der Bankiersfamilie Oppenheim. Therese Oppenheim, die hier begraben liegt, übernahm nach dem Tod ihres Mannes und Bankgründers Salomon Oppenheim nach dessen Tod 1828 die Bankgeschäfte. Dass eine Frau vor fast 200 Jahren eine Bank führte, findet Erich Reichart bemerkenswert: „Da könnten sich die heutigen Banker eine Scheibe Emanzipation von abschneiden.“ Die Oppenheims ließen die Synagoge in der Glockengasse bauen, gründeten die „Rheinische Zeitung“ (später „Neue Rheinische Zeitung“). Deren Chefredakteur war 1842/43 übrigens Karl Marx.

Das Grab der Bankiersfamilie Oppenheim ist das wohl bekanntest auf dem Friedhof.

Das Grab der Bankiersfamilie Oppenheim ist das wohl bekanntest auf dem Friedhof.

Auch Michael von Geldern, ein Großonkel Heinrich Heines, fand auf dem jüdischen Friedhof in Deutz die letzte Ruhe. Beerdigt wurde in Deutz ferner der Schriftsteller, Philosoph und Zionist Moses Hess, dessen sterbliche Überreste inzwischen nach Jerusalem überführt wurden. Hess gründete den ersten deutschen Arbeiterverein -– er gilt als Vater der deutschen Sozialdemokratie. Bekannt sind auch der Kantor Isaak Offenbach, Vater des Komponisten Jacques Offenbach, und Moritz Schüler, Bruder der berühmten jüdischen Schriftstellerin Else Lasker-Schüler. Die letzten Toten wurden in Deutz 1941 beerdigt.

Während die Gräber im nördlichen Bereich des Friedhofs fast alle gleich aussehen – einfache Steine mit Gravuren der Verstorbenen – nur das Oppenheim-Grab sticht heraus –, so sind die Grabmähler im Süden prunkvoller und vielfältiger. Das liegt daran, dass die Gräber im Norden älter sind, und die Älteren es mit den jüdisch-orthodoxen Traditionen und Vorschriften genauer nahmen. Demnach soll jeder Grabstein gleich schlicht aussehen – da auch jeder Menschen beziehungsweise Auferstandene vor Gott gleich ist.

Friedhofsgärtner Erich Reichart senst die Wiesen von Zeit zu Zeit, um sie auszumagern und die Artenvielfalt zu vergrößern.

Friedhofsgärtner Erich Reichart senst die Wiesen von Zeit zu Zeit, um sie auszumagern und die Artenvielfalt zu vergrößern.

Die Geschichte des Friedhofs

1695 erlaubte der Kölner Erzbischof und Kurfürst Clemens Josef, in Deutz einen jüdischen Friedhof zu errichten. „Erlaubte“, weil Juden nicht die gleichen Rechte wie Christen hatten.

1698 fanden die ersten Bestattungen auf dem Deutzer Friedhof statt. Es ist der älteste jüdische Friedhof in Köln, seit 1928 gehört er der jüdischen Gemeinde Köln. Gepflegt wird die Ruhestätte seit den 1980er Jahren von der Stadt. Seit 1989 gilt der Friedhof als Denkmal.

1918 wurde der Friedhof geschlossen und der jüdische Friedhof in Bocklemünd, auf dem bis heute beerdigt wird, eröffnet.

Viermal pro Jahr führt Gregor Aaron Knappstein vom NS-Dokumentationszentrum über den Friedhof, auch die Synagogengemeinde bietet Führungen an. Die Synagogengemeinde, Tel. 716 620 und das NS-Dok, Tel. 221 26332, informieren.

Tipps in der Umgebung

Mit dem Rad fünf Minuten entfernt liegen die Poller Wiesen. Bei gutem Wetter lohnt ein Abstecher in die Poller Strandbar, das Café-Restaurant Rhein+Wiese oder ins Germania Restaurant, jeweils in der Alfred-Schütte-Allee.

Zwei Steinwürfe südlich des Friedhofs befinden sich die Kfz-Zulassungsstelle, Max-Glomsda-Straße 4, und der Handelshof, Rolshover Str. 229-231, nördlich lädt der Deutzer Stadtgarten zum Verweilen ein.

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