Ein 64-Jähriger soll die türkische Inhaberfamilie aus Köln rassistisch beleidigt und zweimal Feuer gelegt haben. Die Familie wehrt sich.
64-Jähriger unter VerdachtPolizei ermittelt nach Brandstiftungen vor türkischem Kiosk am Kölner Dom

Yakup Ayaz vor seinem Kiosk in der Marzellenstraße
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Die Szenen auf dem Überwachungsvideo sind verstörend: Ein gut gekleideter Mann mit hellem Hut zieht einen Müllcontainer über den Gehweg der Marzellenstraße in der Innenstadt und stellt ihn genau vor den geschlossenen Jalousien des „Istanbul“-Kiosks ab, schräg gegenüber von McDonald's am Dom und gleich neben der Wache der Bundespolizei. Es ist der Dienstagmorgen in dieser Woche, 1.30 Uhr. Die Straße ist menschenleer.
Der Mann klappt den Deckel des Containers zurück, zieht ein Feuerzeug hervor, zündet ein Stück Pappe an und legt es in den zur Hälfte mit Müll gefüllten Container. Er legt ein zweites brennendes Stück nach, doch die Flammen gehen aus. Der Mann verschwindet kurz und kehrt erneut mit brennenden Papier in der Hand zurück. Diesmal fängt der Müll Feuer. Der Mann entfernt sich.
Mehr als zehn Minuten lang brennt der Container lichterloh, ehe er schmelzend in sich zusammenfällt. Reinigungskräfte, die hinter dem geschlossenen Rollladen im Kiosk putzen, bemerken die Flammen schließlich und rufen die Feuerwehr.
Zwei Tage später steht Yakup Ayaz unter der verkohlten, von der Hitze verbogenen Leuchtreklame seines Geschäfts. Ihm und seinem Vater gehört auch das Kebap-Restaurant im Nachbarhaus sowie ein weiterer Kiosk um die Ecke. Seit 2009 betreibt die Familie Ayaz hier ihre Geschäfte. „Wir hatten seitdem nie Ärger mit irgendwem“, sagt der 25-Jährige – bis vor etwa zwei Wochen dieser Mann aufgetaucht sei.
Köln: Mann beschimpft und bedroht türkische Familie
Am 4. April brannte es zum ersten Mal nachts vor dem Kiosk. Zurück blieb ein Brandfleck am Rollladen. Auch diese Tat geschah genau vor der Linse der Überwachungskamera. Der Täter ist augenscheinlich derselbe wie der am Dienstag dieser Woche.

Spuren der Brandstiftung am „Istanbul“-Kiosk in der Marzellenstraße.
Copyright: Ayaz
Yakup Ayaz kennt den Mann sogar, erzählt der 25-Jährige, tagsüber sei er mal zu Gast im Kebap-Restaurant gewesen. Ein anderes Mal habe er versucht, etwas zu stehlen. Dann wiederum habe er sich mittags auf die Verkehrsinsel an der Marzellenstraße gestellt, in der linken Hand eine Bierflasche, im rechten Ärmel gut sichtbar ein Messer, und habe in Richtung des Kiosks gebrüllt: „Ich bin Deutscher. Ihr Scheiß Ausländer, ihr Scheiß Kanacken, geht zurück in euer Land!“
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Ungeklärte Fälle, die Köln bis heute bewegen

Bei jedem Feuer, bei jedem Zwischenfall rief Ayaz die Polizei. Die sei auch immer schnell gekommen, habe den Verdächtigen kontrolliert, seine Personalien aufgenommen, ihn aber letztlich immer wieder gehen lassen. Wir können nichts machen, hätten die Beamten ihm mitgeteilt, sagt Ayaz.
Ich will nicht, dass die Leute hier irgendwann Blumen vor unserem Laden ablegen.
„Über unserem Kiosk ist ein Hotel, da ziehen bald die ersten Gäste ein“, sagt Yakup Ayaz am Tag nach dem Brand des Containers. „Was, wenn der hier nochmal was anzündet? Was, wenn dann jemand ums Leben kommt? Wir sind verzweifelt, es muss was passieren. Ich will nicht, dass die Leute hier irgendwann Blumen vor unserem Laden ablegen.“
Warum der Täter es offenbar auf die türkische Familie abgesehen hat, können sich Yakup Ayaz und sein Vater nicht erklären. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ handelt es sich bei dem Verdächtigen um einen 64 Jahre alten Mann, der in Köln lebt und sich öfters im Bereich des Hauptbahnhofs aufhält. Angeblich ermittelt die Polizei gegen ihn bereits wegen einer weiteren Brandstiftung in Eitorf: Am 5. April soll er dort abends einen brennenden Karton in Richtung einer Tankstelle geworfen haben. Zudem soll er Kunden eines Supermarkts bedroht haben. Was den Mann antreibt, ist unklar. Möglicherweise ist er psychisch krank.
Nun hat das Amtsgericht reagiert: Auf Antrag der Staatsanwaltschaft schickte ein Richter den 64-Jährigen wegen Verdachts auf Brandstiftung und Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft. Vorerst also sitzt der Mann im Klingelpütz, Familie Ayaz kann erst einmal durchatmen. „Das ist eine sehr gute Nachricht“, sagt Yakup Ayaz, als der „Kölner Stadt-Anzeiger“ ihn über die Inhaftierung informiert.
Sollte der 64-Jährige für schuldfähig erklärt werden, wird ihm wohl bald der Prozess gemacht. Andernfalls könnte auch eine Einweisung in eine Klinik in Frage kommen.