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Kölner TierlebenDer Taubenzüchter von Ehrenfeld

Lesezeit 3 Minuten

Züchter Gerhard Michels in seinem Taubenschlag

Ehrenfeld – Unter alten Apfelbäumen und blühenden Rosenstöcken hindurch gelangt man in Gerhard Michels’ kleines Paradies. Schon von weitem hört man das Gurren der Tauben. Am Ende des schmalen Gartenwegs steht der Besucher plötzlich vor einem großen Taubenschlag, an dessen Fenstern Dutzende Tauben sitzen und neugierig herausgucken. „Ja, was so ein echter Taubenschlag ist, das kennt ja heutzutage kaum einer mehr“, sagt Michels in bestem Kölsch und breitet die Arme aus. „Der Taubensport stirbt aus.“

Nicht so bei ihm. In der Kleingartenanlage „Kölner Kiwis“ in Ehrenfeld hält der Urkölner seit 20 Jahren an die 200 Tauben. Er macht den ganzen Zirkus rund ums Taubenjahr mit: Trainingsflüge, Preisflüge, Jungvogel-Aufzucht. Und wehe, der Laie verwechselt eine seiner Brieftauben mit gewöhnlichen Stadttauben: „Kann man nicht vergleichen“, ruft der 79-Jährige und nimmt den erstbesten Vogel in die Hand. „Luurens, wie gepflegt die ist! Die Federn! Die Füße!“, erklärt er und fährt der verdutzten Taube zärtlich durchs Gefieder. „Bei den Brieftauben jiddet auch ganz verschiedene Farben. Blaue, Hellblaue, Schwarze, Weiße, Schecken, Fahle und so weiter.“ Doch eine gute Taube hat, ähnlich wie ein gutes Pferd, keine Farbe. Sie muss vor allem schnell sein. Preise fliegen.

Scanner speichert die Zeit

Und das geht so: Mehrmals monatlich sammeln die Regionalverbände die Tauben der Züchter ein und fahren die Tiere zu einem Auflassort. Das kann Idar-Oberstein sein, aber auch schon mal Barcelona. Dort werden die Tauben aufgelassen, also fliegengelassen. Die Ortszeit wird genauso akribisch festgehalten wie Wetter, Windrichtung und Luftfeuchtigkeit. Und dann fliegen die Tauben heim. Nach Ehrenfeld, nach Wesseling, nach Frechen und Brühl. Wo schon die Züchter mit der Taubenuhr sitzen. Kehrt eine Taube in den Schlag zurück, läuft sie mit ihrem Ring durch einen Scanner, der nicht nur die Taube identifiziert, sondern auch bis auf die Sekunde ihre Flugzeit. Geld verdienen kann man mit dem Sport schon lange nicht mehr. Trotzdem: Für Gerhard Michels gibt es nichts Besseres. „Unsere ganze Familie war taubenjeck“, sagt der alte Herr und lacht. „Ich hatte fünf Brüder. Und früher, da hat man die Vögel ja noch im Hof gehalten, auf dem Dachstuhl. In meinem Elternhaus auf der Hospelstroß, da war immer jet loss.“

Die Begeisterung für ein Hobby, das etwas aus der Zeit gefallen scheint, hat abgefärbt. Seit zwei Jahren hilft Michels sein Urenkel Brandon. Jeden Nachmittag radelt der nach der Schule herbei und hilft mit den Tauben. Finden seine Freunde das nicht komisch, Freizeit im Kleingartenverein? „Nö, überhaupt nicht“, sagt der 16-Jährige, der mit seinem Opa Kölsch in einer Unverständlichkeit spricht, als wäre es eine Fremdsprache. „Ich hatte hier schon oft Kumpels mit, und die fanden das auch cool. Wenn man dann hier sitzt und auf die Tauben wartet, das ist spannend. Wer die schnellste war, ob man ein gutes Auge bei der Nachzucht hatte und so.“

Risiko fliegt mit

Apropos Nachzucht. Die Jungtiere waren an diesem Nachmittag noch nicht draußen. Und so öffnen Großvater und Enkel die Klappen an den Fenstern und lassen die Tauben auf. Mit der Hand über den Augen sehen die Männer ihren Vögeln nach, wie sie nach und nach immer höher in den tiefblauen Sommerhimmel über Köln steigen. Das Risiko fliegt immer mit. „Einmal ist eine sieben Jahre fort geblieben“, erzählt der Taubenvater. Doch als sie wiederkehrte, hat Michels sie sofort erkannt. Wie er jedes seiner Tiere erkennt. „Am Gesicht, das ist wie beim Menschen auch.“ Und kehrt eine der Brieftauben verletzt zurück, etwa, weil sie in eine Hochspannungsleitung geraten ist, nimmt der alte Mann Nadel und Faden zur Hand und näht die Vögel wieder zusammen. Das hat er schon von seinem Vater gelernt. Und: „Et hätt noch immer joot jejange.“