KommentarKöln verlottert immer mehr – und die Stadt macht es sich zu leicht

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Wegwerfbecher und Unrat vor dem Dom.

Wegwerfbecher und Unrat vor dem Dom.

Die AWB erklärt die Verwahrlosung der Stadt mit dem Phänomen der „Mediterranisierung“ – doch das ist nur ein Euphemismus für gelebte kölsche Müllkultur.

Der Regen der letzten Tage brachte für die Kölner Innenstadt ja auch etwas Positives mit sich: Der gröbste Dreck auf der Domplatte und an anderen neuralgischen Punkten in der City wurde einfach mal weggeschwemmt. Ein Beitrag zu einem nachhaltigen Konzept für mehr Sauberkeit ist das aber natürlich nicht.

Im Ernst: Das Thema Müll und Verwahrlosung der historischen Innenstadt beschäftigt mich umso mehr, als ich in italienischen Städten während meines Urlaubs erleben durfte, wie sehr diese gerade die Bereiche um ihre Kathedralen und zentralen Plätze blitzeblank und in Schuss halten. Zurück in Köln, empfindet man die Zustände rund um den Dom noch stärker als Zumutung.

Euphemismus für die gelebte kölsche Müllkultur

Und beinahe könnte man dann schon wieder darüber lachen, dass die Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) die zunehmende Verwahrlosung der Stadt mit dem Phänomen der „Mediterranisierung“ erklären. Was für ein Euphemismus für die gelebte kölsche Müllkultur!

Es wäre ja auch so schön praktisch für alle Verantwortlichen, wenn man die Schuld am beschämenden Stadtbild einfach dem Klimawandel und den damit verbundenen Folgeerscheinungen wie der intensiveren Nutzung des öffentlichen Raumes (Stichwort: Wegbier!) geben könnte. Zumal schon der verstorbene Oberbürgermeister Norbert Burger, der Köln von 1980 bis 1999 regierte, eine ganz simple Erklärung für den kölschen Schmuddel hatte: Von den Römern angefangen, hätten sich so viele Völker und Kulturen hier niedergelassen, da sei das eben so.

So leicht darf die Stadt es sich nicht machen

Doch so einfach ist es nicht. Und vor allem: So leicht darf es sich die Stadt Köln nicht machen!

Halten wir uns an die Fakten: In den vergangenen Jahren hat die Verwahrlosung noch einmal stark zugenommen. Allein die Meldungen an wildem Müll, der im Stadtgrün und an öffentlichen Plätzen hinterlassen wird, haben sich von 2016 bis 2022 auf 19.000 mehr als verdreifacht.

Carsten  Fiedler

Carsten Fiedler

Carsten Fiedler, Jahrgang 1969, ist Chefredakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Geschäftsführender Chefredakteur des Newsrooms der Kölner Stadt-Anzeiger Medien. Begonnen hat Fiedlers Karriere in der...

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Das spricht zwar in der Tat dafür, dass viele Kölnerinnen und Kölner ein großes Mentalitätsproblem in Sachen Müll haben. Vielleicht sollte FC-Stadionsprecher Michael Trippel die heimischen und Gäste-Fans im Rheinenergie-Stadion mal mit „Willkommen in der dreckigsten Stadt Deutschlands!“ begrüßen. Ob es hilft?

Stadt und AWB hätten früher handeln müssen

Es zeigt aber auch, dass die Stadt und insbesondere die AWB schon länger von einer Verschärfung der Situation wissen – und unbedingt früher hätten handeln müssen.

Was, liebe Stadtspitze, ist eigentlich so schwer und übermäßig komplex daran, ein Sofortprogramm zur intensivierten Reinigung an den neuralgischen Punkten aufzulegen? Gerade jetzt, in der touristischen Hauptsaison, wäre das unbedingt nötig.

Stattdessen, so heißt es, sei doch im Jahr 2022 die Entwicklung eines „Masterplans Sauberkeit“ beschlossen worden. Bis zum Ende dieses Jahres sollen konkrete Maßnahmen ausgearbeitet und Pilotprojekte definiert werden. 2024 soll der finale Plan dann im Rat beschlossen werden.

Das klingt leider stark nach dem üblichen Vorgehen in der Politik: Arbeitskreis gründen, Debatte aushalten, Problem aussitzen. Das ist zu wenig. Die Mülleimer quellen jetzt über, Baustellen und Dreckecken sind jetzt eine Zumutung, Köln verspielt jetzt seinen Ruf als Kulturstadt bei zehntausenden Touristen und Besuchern. Es muss gehandelt werden. JETZT und nicht erst 2024.

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