Joy Crookes kehrt nach vier Jahren Pause auf die Bühne zurück. Das Warten hat sich gelohnt.
Eine Stimme, die Wurzeln schlägtJoy Crookes berührt Köln mit politischer Soul-Poesie

Joy Crookes bei ihrem Konzert in Köln
Copyright: Laura Ostenda
Dass alles Private auch politisch ist, weiß die irisch-bangladeschische Sängerin Joy Crookes. Ebenso wie schwer es ist, die Unsicherheiten der Zwanziger auszuhalten. Davon hat sie am vergangenen Samstag in der Live Music Hall in Köln gesungen und ihr langersehntes zweites RnB- und Soul-Album „Juniper“ vorgestellt.
Joy Crookes betritt optisch zurückgenommen die Bühne: schwarzer Blazer, schwarze Anzughose, langer glatter Pferdeschwanz. Entgegen ihren Musikvideos, in denen sie in komplexer fantasievoller Bildsprache Geschichten erzählt, steht hier nur ihre Stimme im Fokus. Eine Stimme, die mit der von Amy Winehouse verglichen wurde, braucht Platz. Es gibt Momente, in denen die Sängerin sich vor dieser Kraft selbst fast zu fürchten scheint. Vielleicht ist es auch die Unsicherheit, nach der vierjährigen Pause und persönlichen Krisen wieder auf der Bühne zu stehen. Ihre Fans stört das nicht.
Neues Album: Widerstandskräftig wie ein Wacholder
Ihr neues Album heißt „Juniper“, zu Deutsch Wacholder. Eine besondere Eigenschaft, die sich beide teilen und auch zum Albumnamen führte, ist die Widerstandskraft. Wie die Wurzeln dieser Pflanze durchdringt Crookes mit ihrer Stimme jede Schwierigkeit und Verletzung. Sie wirkt so offen und durchlässig während des Auftritts, dass nach jedem Lied viel Applaus ertönt. Zwischen den Songs entschuldigt sie sich für ihre Aufregung und erzählt von einem Exfreund, der sich als schwul herausgestellt hat. Das wiederum tut sie so lässig nebenbei, als telefoniere sie mit einer Freundin.
In „Carmen“ singt Crookes vom Wunsch, begehrt zu werden, wie die blonde hellhäutige Carmen, die zur Projektionsfläche einer unerreichbaren Schönheit wird. Der vermeintliche Neid ist Kritik an struktureller Diskriminierung, die Crookes selbst erlebt hat. Diese Sozialkritik verbindet sie mit Witz und Ironie. Auch mit Vertrauen in Liebesbeziehungen hat sie in den letzten Jahren gekämpft, in „Brave“ spricht sie sich selbst Mut zu, sich romantisch wieder zu öffnen.
Die 27-Jährige verhandelt in ihren neuen Songs aber nicht nur romantische Beziehungen, sondern singt auch über das Loslösen von den eigenen Eltern. In „Somebody to you“ reflektiert Crookes die ambivalente Liebe zum Vater, den sie bewundert hat, aber oft emotional nicht greifen konnte. Joy Crookes Ehrlichkeit tut weh und ist genau deshalb wahrhaftig schön.
Vor den letzten zwei Songs tritt Crookes an eine Holzwand neben der Bühne und raucht. Ihre Band spielt weiter. Die letzte Raucherin, die die Zigarette re-kultivieren kann? Joy Crookes zuzuhören macht Lust zu tanzen und spendet gleichzeitig Trost.

