Keine Chance gegen DiscounterKölner Bäckerei Heilinger schließt fast alle Filialen

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Ralf Merscher und seine Frau Elke betreiben seit vielen Jahren die Traditionsbäckerei Heilinger.

Ralf Merscher und seine Frau Elke betreiben seit vielen Jahren die Traditionsbäckerei Heilinger.

Klettenberg – Brotduft kann Kindheitserinnerungen wecken, so wie derjenige, der in der Backstube von Ralf Merscher hängt. Viele Menschen kaufen in seiner Bäckerei Heilinger an der Siebengebirgsallee, weil Merscher mit viel Liebe und Wissen solches Brot backt, aus dem auch schon die Stullen ihrer Kindertage bestanden. Ralf und Elke Merscher betreiben das Bäckereihandwerk schon sehr lange nach allen Regeln der Kunst. Jeder Teig bekommt die Zeit, die er benötigt, um zu reifen, ohne Zusatzstoffe, wie beispielsweise der dreistufige Natursauerteig, drei Tage lang.

Um das Roggenbrot zu kaufen, das Ralf Merscher daraus backt, fahren manche Kunden extra aus anderen Vierteln nach Sülz. So jedenfalls ist es in den Sozialen Netzwerken zu lesen, wo die Kunden trauern, dass nun auch die Filiale der Bäckerei Heilinger an der Luxemburger Straße geschlossen hat. Wer künftig die Produkte aus Merschers Backstube kaufen möchte, muss das Stammhaus an der Siebengebirgsallee in Klettenberg besuchen. Nur noch dieses wird das Bäckerpaar weiterbetreiben. Es ist das letzte von fünf Geschäften. Schon zum 31. Dezember 2015 machten die Merschers ihre Läden in Zollstock, an der Dürener und an der Berrenrather Straße dicht. 1994 hatte das Paar den Betrieb von Elke Merschers Vater Hans Heilinger übernommen. 

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Heilinger hatte den Betrieb 1956 an der Berrenrather Straße, Ecke Neuenhöfer Allee gegründet. Damals florierte das Geschäft. 1964 übernahm er die Bäckerei an der Siebengebirgsallee, wo sich heute noch Produktion, Verwaltung und Hauptgeschäft befinden. Im Zeitraum von 1970 bis 1991 kamen weitere Läden hinzu. Ebenfalls im Jahr 1991 heiratete Ralf Merscher die Bäckerstochter. Er hatte einst als Brötchenjunge im Geschäft angefangen und war mittlerweile zum Meister avanciert. Knapp 20 Jahre später tritt das Paar den Rückzug an – etappenweise. „Wir möchten auf keinen Fall Insolvenz anmelden“, so die Bäckersfrau. „Deswegen schrumpfen wir uns jetzt gesund.“ Die Gründe für die schwierige Lage, in denen sich der Betrieb befindet, seien vielfältig, sagt das Paar.

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Der Konkurrenzdruck durch Discounter, die aufgebackene Tiefkühlware zu Schleuderpreisen anbieten und Großbäckereien, die Brote am Fließband backen, sei enorm. Preislich könne der Handwerksbetrieb da nicht mithalten. „Wir bestellen qualitativ hochwertige Rohstoffe“, schildert Ralf Merscher. „Wenn ein Großfilialist 32 Tonnen Butter bestellt, bekommt er sie zu einem günstigen Preis. Die Rabatte, die die Lieferanten den Großkunden geben, werden dann bei uns draufgeschlagen. Und wir zahlen dann für die vergleichsweise geringe Menge ein Vielfaches.“

Gut ausgebildetes Personal ist Mangelware

Zugleich müssten sie ihre Angestellten bezahlen. Und für das anspruchsvolle Handwerk bräuchte es fachlich gut ausgebildetes Personal. Das sei Mangelware. Elke Merscher fasst das Problem mit einer rhetorischen Frage zusammen. „Wer möchte denn heute noch Bäcker werden angesichts unserer Arbeitszeiten?“ Wenn junge Menschen freitagabends das Wochenende einläuten, beginnt Ralf Merscher die Vorbereitungen für den Samstagsverkauf – um 23 Uhr abends. Während der Woche beginnt sein Arbeitstag um zwei Uhr morgens. Dafür legt er sich dann mittags zwei, drei Stunden hin – und geht abends um 21 Uhr wieder schlafen. Und mit dem Backen ist es nicht getan. Der Einkauf und die Buchhaltung und vieles mehr warten auf den Bäckerei-Inhaber.

Zwölf Stunden Arbeit am Tag

„Eine Bäckerei zu betreiben bedeutet 12 Stunden zu arbeiten, sechs Tage in der Woche“, sagt Elke Merscher. Das möchte sich nicht jeder aufhalsen. „Das Geschäft an der Luxemburger Straße haben wir einem Mitarbeiter angeboten“, erzählt Elke Merscher. „Er wollte es nicht. Die jungen Leute verdienen lieber weniger und haben mehr Freizeit.“ Nun wird eine Filiale der Bäckerei Kraus dort einziehen. Nur das Stammhaus an der Siebengebirgsallee soll geöffnet bleiben – erstmal. Denn auch die Merschers träumen von mehr Zeit – beispielsweise schlicht, um gesund zu werden.

Durch die jahrelange auch körperlich anspruchsvolle Arbeit hat Ralf Merscher einen Bandscheibenvorfall. Und Elke Merscher kann sich vorstellen, in ihren alten Beruf zurückzukehren. „Eigentlich bin ich ja ausgebildete Narkoseschwester. In der Branche bekomme ich auf jeden Fall wieder einen Job.“

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