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WildgänseExperten verteidigen die in Köln oft unbeliebten Vögel

Lesezeit 4 Minuten
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Kanada-Gänse bevölkern den Kalscheurer Weiher.

  • Einige Kölner empfinden die Wildgänse als Plage.
  • Das Image der „Gängster-Gänse“ hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend verschlechtert.
  • Doch zwei Kölner Experten ergreifen nun Partei für das Federvieh und sagen: Wildgänse sind besser als ihr Ruf.

Lindenthal/Zollstock – Sie sind viele und sie haben keine Angst. Die aus fernen Ländern eingewanderten Kanada- und Nilgänse paddeln nicht nur auf den Kölner Weihern, sondern stehen auch gerne einmal den Spaziergängern im Weg, wo sie ihren grünen Kot hinterlassen. Im städtischen Grün fühlen sie sich so wohl, dass sie sich fleißig vermehren, während die einheimischen gefiederten Wasserbewohner wie Enten, Blesshühner und Schwäne auf den Gewässern die Minderheit bilden.

Kölner Parkbewohner empfinden Gänse als Plage

Wie jüngst berichtet, empfinden so manche Parkbewohner die Gänse mittlerweile als Plage. Vielleicht auch, weil die Migranten aus Nordamerika mit ihren schwarz-weißen Köpfen und diejenigen aus Afrika, die dunkle Ringe um die Augen tragen, vergleichsweise gefährlicher anmuten, kursierte in den Medien einige Gerüchte: Die Gangster-Gänse seien aggressiv, würden die Herrschaft über die Weiher für sich behaupten und dafür sogar andere Vögel umbringen.

So hat sich das Image der Vögel in den vergangenen Jahren zunehmend verschlechtert. Doch zwei Kölner Experten ergreifen nun Partei für das Federvieh und sagen: Wildgänse sind besser als ihr Ruf. Holger Sticht, Landesvorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), hat beobachtet, dass die diversen Gänsearten, egal ob heimische Graugans oder Nil- und Kanadagans auf vielen Gewässern Kölns problemlos koexistieren, natürlich immer unter den in Ökosystemen gegebenen Konkurrenzbedingungen. Insofern gäbe es auch nie zu viele Gänse.

Keine Probleme aus ökologischer Sicht

„Es bildet sich die Anzahl, die den vorhandenen Ressourcen entspricht“, so Sticht. „Aus ökologischer und naturschutzfachlicher Sicht gibt es

keine Probleme. Als Vertreter des BUND möchte ich Werbung dafür machen, sich an den neuen Mitbewohnern in Zeiten des Artensterbens zu erfreuen und kölsche Gelassenheit zu beweisen.“

Eier entnehmen fürs Gänse-Management

Sticht hält auch nichts vom „Gänse-Management“, das in Düsseldorf praktiziert wird und jüngst auch von der Lindenthaler Bezirksvertretung für Köln angeregt wurde. Zwei der besonders bevölkerten Gewässer liegen in dem Bezirk.

In Düsseldorf versucht die Verwaltung des Problems der wachsenden Gänse-Population dadurch Herr zu werden, dass sie den Nestern einzelne Eier entnimmt. Einige Experten bezweifeln allerdings, ob es sinnvoll ist, die Bestände auf diese Weise zu „managen“. 

Holger Sticht nennt einen Vergleichsfall: „In Duisburg waren zehn Jahre Ei-Entnahme völlig wirkungslos“, schildert er.

„Die Beschwerden nahmen ab, weil etwas getan wurde. Dass es gar keine Folgen hatte, interessierte nicht. Für Unsinniges sollten wir aber kein öffentlich finanziertes Personal einsetzen.“ 

Lindenthaler Weiher-Patin verteidigt Wildgänse 

Auch Claudia Scherping, die sich als Patin mehrerer Weiher im Stadtbezirk Lindenthal um die Wasservögel kümmert, verteidigt die Einwanderer: „Ich kann nicht bestätigen, dass die Nilgänse aggressiver sind als andere Wasservögel“, betont sie. „Leider haben sie einen schlechten Ruf, da viel Unwahres erzählt wird.“ Bei dem Gänsekot, über den viele die Nase rümpfen, handele es sich nur um nicht verdaute organische Reststoffe aus der Pflanzennahrung sowie Harnsäure aus dem Stoffwechsel.

Im Gegensatz zu Hundehaufen würde dieser Kot gar nicht riechen und sei auch nicht gleichermaßen verkeimt. Das Fazit der Weiherpatin: „Ich persönlich finde die Vermüllung an den Gewässern viel schlimmer als den Kot von Wasservögeln.“

Auch die Stadtverwaltung geht moderat mit dem Thema um und prüft derzeit noch ob, inwieweit und wo es Sinn macht, die Gänsescharen zu „managen“. Joachim Bauer, stellvertretender Leiter des Amts für Landschaftspflege und Grünflächen, weist darauf hin, dass nur an einigen Kölner Gewässern größere Kolonien leben.

Kölner Weiher sind Gänse-Hotspots

„Es gibt Hotspots, wie den Decksteiner Weiher, den Kalscheurer Weiher und den Stadtwaldweiher“, schildert er, „weil die Gewässer mit ihren Inseln in der Mitte den Wasservögeln optimale Brutvoraussetzungen bieten und die Füchse von den Nestern fernhalten.“ An anderen Stellen gebe es aber deutlich weniger Gänse. Amtsleiter Manfred Kaune hält es zwar für „grundsätzlich erfolgversprechend, wenn die Eier fachmännisch entnommen werden“, möchte das aber eher zurückhaltend tun: „Wir haben die Erkenntnis, dass es keine wirksame Methode gibt, mit der wir stadtweit gegen die Gänse etwas unternehmen können und das möchten wir eigentlich auch gar nicht“, sagt er.

Bestand erfassen, dann gezielt reduzieren

Die Mitarbeiter der Grünflächenamtes würden mit einem erfahrenen Biologen und dem Umweltamt zunächst ein Monitoring durchführen, um die tatsächliche Situation in Köln zu erfassen. Damit könnten sie die Orte identifizieren, an denen sich die Gänse in größerer Zahl aufhalten. Dann werde entschieden, wo der Bestand gezielt reduziert werden müsse. „Es gibt Bereiche,da sind die Gänse aus verschiedenen Gründen ein echtes Problem“, fasst Kaune zusammen, „und es gibt Orte, da wird keiner gestört“.

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