VereinssportWo sich die Talente tummeln

Im Verein kennengelernt, inzwischen dicke Freunde: (v. l.) Matthias Caspari, Andreas Kemski, Natascha Große Entrup und Michael Schlottke mit ihren Kindern.
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Widdersdorf – Als Michael Schlottke vor der Wahl zwischen Widdersdorf und Berlin stand, hat er sich entschlossen, in Widdersdorf zu bleiben. Eine Entscheidung für Vorstadt und Familie, gegen Großstadt und Karriere. „Es war eine grundsätzliche Frage“, sagt Schlottke, ein kräftig-muskulöser Sportsmann mit hanseatischem Akzent, „der Verein und das Umfeld hier haben dabei eine große Rolle gespielt“.
Michael Schlottke ist Trainer der einer F-Jugend-Mannschaft des Sportvereins Lövenich-Widdersdorf (Löwi). Er ist eingefleischter Fußballer, früher hat er ambitioniert in der Landesliga gespielt, und ein Trainer, der nicht brüllt, wie ein paar andere Trainer-Väter auf der Anlage, sondern immer ruhig bleibt. Er verfolgt die Philosophie: „Bei mir spielt jeder auf jeder Position, egal, wie gut oder schlecht er ist.“
Talent und Ehrgeiz
Schlottke trainiert auch seine Söhne Marius (8) und Ben (5). Marius sind Talent und Ehrgeiz schnell anzusehen, er ist der Torschützenkönig der Mannschaft. „Zu erleben, wie die eigenen Kinder Fußballspielen lernen, ist etwas Besonderes“, sagt der Vater. Aber da sind auch noch die anderen Jungs wie der wendige Nic, der ebenfalls viele Tore schießt, oder der bissige Levin, ein unangenehmer Verteidiger, der keinen Ball verloren gibt. Levin und Nic sind Marius’ beste Freunde, die drei gehen in die gleiche Klasse und kicken zusammen, so oft es geht. Inzwischen sind auch ihre Eltern befreundet – die Familien sind sogar schon zusammen in Urlaub gefahren. „Ob das durch den Fußball kam oder die Schule, weiß ich gar nicht mehr“, sagt Levins Vater Matthias Caspari, „hier in Widdersdorf lernt man sich so oder so kennen“, sagt Natascha Große Entrup, Mutter von Nic. „Sei es über die Babygruppe, die Kita, die Schule oder den Verein.“
Die Fußballanlage dient nicht nur als Tummelplatz für Talente, sie ist auch Kontaktbörse für Elternbekanntschaften. Im Schatten um die Plätze versammeln sich an sieben Tagen in der Woche Väter und Mütter, gucken ihren Zöglingen zu und quatschen: Da steht Lukas Sinkiewicz, Ex-FC-Profi, der inzwischen in Bochum spielt, in Widdersdorf gebaut hat und seinem vierjährigen Sohn Luis zuschaut, neben Petra Mandelarzt, die hier Stammgast ist, weil Sohn Ben (5) zweimal pro Woche bei den Bambinis trainiert und samstags Spiele hat. Man redet übers Baugebiet und Zinssätze, Kindergarten und Beruf – und manchmal auch über den Wandel in Widdersdorf, der für den Sportverein eine echte Herausforderung bedeutet.
Nicht genug Trainer und Plätze
860 Mitglieder hatte der Löwi-Verein im Jahr 2001 – heute sind es 1860. Darunter sind mehr als 800 Kinder und Jugendliche – allein 420 Mitglieder hat die Jugendfußballabteilung, fünf F-Jugend- und vier Bambini-Mannschaften sind gemeldet. Kein Wunder, dass engagierte Väter wie Michael Schlottke extrem gefragt sind. „Das führt zu Problemen bei der Belegung“, sagt Berthold Andel, seit 20 Jahren Jugendleiter der Fußballsparte. „Früher gab es oft zu wenig Kinder, um eine Mannschaft zusammenzukriegen, heute gibt es nicht genug Trainer und Plätze“, ergänzt Vater Stefan Fink, der vor zehn Jahren aus Bergheim nach Widdersdorf zog. „Man kann das mit einem lachenden und einem weinenden Auge sehen.“
Susanne Betz, seit zwei Jahren Geschäftsführerin des Sportvereins, sieht funktionsgemäß in erster Linie das Gute: „Im Verein wird nicht von Alt- und Neu-Widdersdorf oder Alt- und Neubürgern geredet. Hier kommt man hin, um Sport zu machen, und lernt sich kennen“, sagt die 52-Jährige. Natürlich bedeute der Zuzug in die Neubaugebiete für den Verein „eine große Herausforderung“: „Früher gab es Schongymnastik für Senioren, heute denken wir über Turnen ab dem Babyalter nach, bieten Aquajogging und Yoga an. Aber ist das schlecht?“ Auch die Platzprobleme seien vorerst gelöst, seit die private Friedensschule ihre Halle zu humanen Konditionen vermiete – ab Oktober kann auch ein 100 Quadratmeter großer Raum im neuen Vereinsheim für Kurse genutzt werden. Es ist das erste Vereinsheim, seit der Sportclub 1927 gegründet wurde. „Ohne die Neubaugebiete“, sagt Susanne Betz, „hätten wir weder die Kunstrasenanlage noch das Vereinsheim bekommen.“ Und Vater Schlottke wäre jetzt vielleicht in Berlin.