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MedizintourismusLukratives Geschäft für Kölner Kliniken

Lesezeit 4 Minuten

Agenturchef Mikhail Khaitine

Köln – Aufgeregt setzt sich Tatiana Puschkarewa in das Beratungszimmer von Christian Schneider, Facharzt für innere Medizin an der Pan-Klinik. Auf Russisch klagt die 61-jährige Geologin über erhöhten Blutdruck in Stresssituationen. Die Dolmetscherin übersetzt – Schneider nickt verständnisvoll.

Puschkarewa ist eine von Tausenden ausländischen Patienten, die sich in Köln medizinisch behandeln lassen. Die Gäste kommen vorwiegend aus dem russischsprachigen und arabischen Raum. Genaue Zahlen, wie viele Gesundheitstouristen jedes Jahr nach Köln kommen, gibt es nicht. Doch Experten wie Gregor Gosciniak, Marketingleiter von KölnTourismus, sind sich sicher: Es handelt sich um einen boomenden Markt, der für Köln immer mehr an Bedeutung gewinnt.

Puschkarewas Aufenthalt in Köln ist von kurzer Dauer. Einen Abend zuvor ist die Ukrainerin mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter in Köln angekommen. Schon morgen wollen sie zurück nach Kiew. Eine lange Reise nur für einen kurzen „Check-up“ – das kann sich nicht jeder leisten.

Vermittelt hat die Reise Mikhail Khaitine. Er ist der Chef von „Med Cologne“, einer auf russischsprachige Patienten spezialisierten Dienstleistungsagentur. Er versucht, die naheliegende Vermutung zu widerlegen, dass nur Oligarchen, Politiker oder Leute aus dem Showbiz zu Kölner Ärzten und Krankenhäuser reisen. Nicht alle seien reich, meint der 45-Jährige. „Man kennt uns über Internet, Mundpropaganda, Partner oder Ärzte vor Ort.“

Seine Firma betreut die Gäste „ab dem Moment, in dem sie aus dem Flugzeug steigen“. Man helfe ihnen bei Verständigungsproblemen, organisiere Ausflüge für die mitgereiste Familie und übernehme auch schon mal die Rolle eines Beraters, sollte sich ein Patient von einer Klinik etwa falsch behandelt fühlen. Die Kosten, die „Med Cologne“ seinen Kunden in Rechnung stellt, würden vom jeweiligen Aufwand abhängen. Ein lukratives Geschäft? „Wenn man es richtig macht, dann ja“, sagt Khaitine. Die Patientin aus der Ukraine kann aufatmen. Das Ergebnis der Untersuchung ist wenig besorgniserregend. Wegen eines Herzproblems solle sie täglich eine kleine Dosis Betablocker zu sich nehmen. Schneider verschreibt eine große Packung, denn es ist unklar, ob die Medikamente in der Ukraine verfügbar sind. Puschkarewa und Schneider kennen Berichte, in denen davon die Rede ist, dass in Moskau oder Kiew über die Hälfte der Medikamente gefälscht seien.

Beeindruckt von Professionalität

„In der Ukraine hat Deutschland einen sehr guten Ruf, was Kardiologie und Gefäßchirurgie angeht“, antwortet Puschkarewa auf die Frage, warum sie nach Deutschland gekommen ist. „Die Kunden haben Vertrauen in deutsche Ärzte“, sagt Khaitine. Das gilt auch für Antonina Safronowa, die sich seit zwei Wochen im St.-Vinzenz-Hospital in Nippes behandeln lässt. Die 59-jährige ehemalige Staatsbeamtin ist beeindruckt von der Professionalität in deutschen Krankenhäusern. In höchsten Tönen lobt sie die Arbeit des Chefarztes Dietmar Pennig, der sich um ihre gebrochenen Hände kümmert. In Moskau habe man nicht viel mehr machen können, als ihr einen Gips anzulegen. Im St.-Vinzenz-Hospital wurde sie operiert. Heute bekommt die Pensionärin die Fäden gezogen.

Man könne nicht sagen, dass russische oder ukrainische Kliniken per se schlecht seien, sagt Khaitine. Im Gegenteil: Immer mehr Krankenhäuser würden über moderne Geräte verfügen. Allerdings fehlten das entsprechend qualifizierte Personal und Erfahrung im Umgang mit moderner Technik. Auch würde man in Deutschland nicht „radikal“ vorgehen und sofort zur Operation schreiten, sondern erst alternative Maßnahmen abwägen.

Die Kölner Kliniken freuen sich über die Gäste aus dem Ausland. Die meisten Einrichtungen seien „knapp bei Kasse“ und würden um russische und arabische Patienten regelrecht buhlen, sagt Khaitine. Das Geld aus dem Ausland sei für die einzelnen Krankenhäuser eine nicht eingeplante Einnahme außerhalb des regulären Budgets. Diese käme wiederum auch den Kölnern zugute, weil die Kliniken dadurch in neue Geräte investieren könnten.

Doch nicht nur Kliniken und Vermittlungsagenturen profitieren vom Gesundheitstourismus. Die Patienten sind auch Kunden von Boutiquen, Juwelier- und Kleidungsgeschäften sowie Gäste in Restaurants, Hotels und Museen. Weniger als die Hälfte des Geldes, das ein Patient hier ausgibt, gehe an die Krankenhäuser oder an ihn, sagt Khaitine.

Aber das Wachstum ist auch in diesem Bereich endlich. Bei den arabischen Gesundheitstouristen gehen die Zahlen bereits zurück, sagt Tourismus-Experte Gosciniak. Wenn vor Ort der Qualitätsstandard steigt, entfällt der Hauptgrund für die Reise. So seien zum Beispiel in Saudi-Arabien immer mehr „Medical Cities“ entstanden, ganze Komplexe mit Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen.

Damit verbunden ist eine Wanderungsbewegung in umgekehrter Richtung: Statt der Patienten, die nach Deutschland kommen, ziehen nun deutsche Ärzte in die Golfstaaten. Von diesem Trend sind Länder wie Russland oder die Ukraine noch weit entfernt.