In der Arche für Obdachlose bietet die „Barber Angels Brotherhood“ regelmäßig kostenlose Haarschnitte und Bartrasuren an. Der Service wird dankbar angenommen.
„Wir geben den Menschen ihre Würde zurück“Profis schneiden Obdachlosen in Köln-Mülheim die Haare

In der Arche für Obdachlose bietet die „Barber Angels Brotherhood“ regelmäßig kostenlose Haarschnitte und Bartrasuren an.
Copyright: Rika Kulschewski
Im Aufenthaltsraum der Arche für Obdachlose in Mülheim herrscht am Montagmittag reges Treiben: Das Brummen von Rasierern füllt den Raum. Es ist die Hintergrundmusik für die vielen angeregten Gespräche, die geführt werden. Um einen großen Tisch sitzen immer vier Menschen gleichzeitig, denen die Haare geschnitten werden. Vielen von ihnen sieht man an, wie sehr sie das genießen.
Köln-Mülheim: Friseurinnen bieten kostenlose Haarschnitte für Obdachsuchende an
„Wenn ich nicht rasiert bin, fühle ich mich einfach ekelhaft“, erzählt Jürgen Klubertz, der seit zehn Wochen in einer U-Bahn-Station schläft. Ute Ganser-Koll rasiert ihm sorgfältig den Bart und schneidet dann auch seine Haare deutlich kürzer und bringt einen Schnitt rein. „So viel Zeit hat sich noch kein Friseur für mich genommen“, sagt er anschließend erfreut, „jetzt fühle ich mich wieder wohl“.
Ganser-Koll fragt ihn dann, ob er noch etwas gebrauchen könnte. Duschgel, Zahnbürste, Haarwachs, Nagelknipser bietet sie ihm an. Zunächst zögert Klubertz etwas, nimmt dann aber doch dankend Nagelknipser und Duschgel mit. Im Herausgehen bedankt er sich mehrfach.
Barber Angels Brotherhood sind in ganz Deutschland unterwegs
„Hast du das Lächeln gesehen?“, fragt Handan Koch während sie einem weiteren Mann die Haare schneidet, „dafür machen wir das!“ Koch und Ganser-Koll sind Mitglieder der Barber Angel Brotherhood. Der gemeinnützige Verein bietet seit 2016 kostenlose Haarschnitte und Bartrasuren für Menschen an, die sich die Dienstleistung sonst nicht leisten könnten.
Angefangen habe alles in München, erzählt Ute Ganser-Koll. Gründer Claus Niedermaier habe mit fünf weiteren Friseuren die Aktion gestartet. „Claus hat damals gesagt, dass er zwar kein Geld geben könnte, dafür aber sein Handwerk“, sagt Ganser-Koll, „und das ist noch immer der Gedanke“.
Mittlerweile ist der Verein in ganz Deutschland und darüber hinaus tätig und bietet regelmäßig in Einrichtungen diverser Städte kostenlose Haarschnitte und Bartrasuren an. Die Mitglieder tragen immer Kutte, also schwarze Westen mit Vereinsabzeichen und weiteren Patches, und erinnern so an einen Motoradclub, deswegen auch „Brotherhood“.

Ein Mitglied der Barber Angels Brotherhood, die sich ähnlich einem Motorradclub kleiden, frisiert Alexandra Hartmann.
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In Köln und im Umkreis sind unter anderen Geli Frisch, Ute Ganser-Koll, Uli Beyel und Nandan Koch regelmäßig unterwegs. „Das ist so eine tolle Arbeit“, sagt Geli Frisch. „Die Menschen geben uns so viel Dankbarkeit zurück“. Alle von ihnen sind ausgebildete Friseurinnen, am diesem Montag in Mülheim nutzen sie ihren freien Tag für das Angebot.
„Ich kann nie sagen, dass diese Arbeit Routine ist“, sagt Ganser-Koll, „es ist immer wieder besonders. Wir sind die einzigen, die Obdachlosen so nah kommen, das bedeutet ganz viel“. Was die Barber Angels geben, sei viel mehr als ein Haarschnitt: „Wir geben den Menschen ihre Würde zurück, weil die Themen Obdachlosigkeit und Armut leider mit viel Scham behaftet sind“, ist Uli Beyel überzeugt, „sie haben danach wieder ein ganz anderes Selbstbewusstsein“.
Menschen nehmen das Angebot dankend an
Auch Alexandra Hartmann ist überzeugt, dass es bei der Aktion nicht um den Haarschnitt geht. Sie hat von Geli Frisch einen Pony und die Spitzen geschnitten und dann noch einen Zopf geflochten bekommen. „Der Haarschnitt ist nicht das, was wichtig ist“, sagt Hartmann, „es geht darum, sich pflegen und teilhaben zu können. Um das innere Wohlfühlgefühl. Wir sind genauso Teil der Gesellschaft, wie Menschen, die sich einen Haarschnitt leisten können“.
Hartmann war zwei Jahre lang ohne festen Wohnsitz, bevor sie eine Wohnung in Höhenhaus fand. „Ich komme aber trotzdem nicht drum herum, das Angebot von den Angels anzunehmen“, sagt sie. „Das Leben ist teuer, und ich mache mir immer Sorgen, wie lange ich es mir noch leisten kann“. Sie finde es deshalb toll, dass es das Angebot gibt und nennt die Friseurinnen helfende Engel.
Auch Andreas Pink hat das Angebot dankend angenommen. Er lebt seit zweieinhalb Jahren auf Kosten der Stadt in einem Hotel. Die Aussicht auf eine Wohnung sehe für ihn schwierig aus. „Ich find die Aktion cool und die Damen sehr cool“, sagt Pink, „also ist das hier alles cool.“

