Foodsharing in KölnFahrradboxen gegen die Verschwendung

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Auch heute sind die Boxen auf dem Fahrrad an der U-Bahn-Haltestelle Lohsestraße gut gefüllt, meint "Foodsharer" Matthias Nink - jeder, der möchte, darf hier Lebensmittel abgeben.

Köln-Nippes – Es ist kalt und regnerisch an diesem Montagmittag. Matthias Nink zieht den Kragen an seinem Mantel noch etwas höher, dann öffnet er die Deckel mehrerer grauer Plastikkisten, die auf einem unscheinbaren Fahrrad am Ausgang der U-Bahn-Haltestelle Lohsestraße in Nippes montiert sind. „Eigentlich wieder ganz gut gefüllt“, sagt er und zeigt auf eine Handvoll Äpfel, ein paar schrumpelige Paprikas und frischen Feldsalat, eine angestaubte Gewürzsammlung und mehrere Trink-Kartons mit Kinderpunsch in den Kisten. 

Jeder kann hier in den sogenannten „Fairteiler“ aussortierte Lebensmittel hineinlegen - und bedienen darf sich ebenfalls jeder. „Foodsharing“ heißt dieses Prinzip, und das graue Fahrrad - das zweite seiner Art in Köln, ein weiteres Exemplar steht an der Haltestelle Herler Straße in Buchheim - ist hier erst vor wenigen Wochen positioniert worden. „Ein Fahrrad deshalb, damit wir mobil sind und dorthin können, wo gerade etwas los ist“, erklärt Nink, der für den losen und nichtprofitablen Foodsharing-Zusammenschluss in Köln als Botschafter fungiert. „Das ist wichtig, denn die Leute wollen nicht erst durch die halbe Stadt fahren müssen, um aussortierte Lebensmittel abzugeben.“

18,4 Millionen Tonnen landen pro Jahr im Müll

Und um damit einen Beitrag gegen Lebensmittel-Verschwendung zu leisten: Rund 18,4 Millionen Tonnen Nahrung landen in Deutschland laut einer WWF-Studie nämlich jedes Jahr im Müll. „Und oft sind das eben Lebensmittel, die die Leute nicht mehr wollen, oder die vielleicht in Supermärkten wegen des abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatums nicht mehr verkauft werden können - obwohl sie eigentlich noch gut sind“, sagt Nink. Schon etwa 500 Menschen, schätzt der 30-Jährige, sind deshalb in ganz Köln an 18 Standorten in der Foodsharing-Szene aktiv, um Lebensmittel vor der Mülltonne zu retten. Und auch immer mehr Betriebe machen mit.

Ein Großteil des Inhaltes der Plastikboxen auf dem Fahrrad kommt inzwischen von ihnen. Nink erklärt: "Da fahren wir auch mal für zwei am Abend übrig gebliebene Brötchen in die Bäckerei - das unterscheidet uns von der Kölner Tafel, die nur größere Mengen abnimmt." Doch nicht nur das: Die Tafeln geben Lebensmittel in den meisten Fällen nur an nachweislich Bedürftige ab.

Jeder darf sich bedienen

In der Foodsharing-Szene ist das anders. Jeder darf von den „geteilten“ Lebensmitteln so viel mitnehmen, wie er möchte - ganz egal, wieviel er verdient. „Hauptsache, nichts landet im Müll“, erklärt Nink, der nach eigenen Angaben selbst schon mehr als 12 000 Kilo Lebensmittel vor der Tonne gerettet hat und in seiner Funktion als Botschafter rund zehn Stunden pro Woche in sein Ehrenamt investiert.

Besonders wichtig ist ihm und seinen Mitstreitern vor allem eines: Spenden annehmen wollen sie nicht - sondern eben nur Lebensmittel, die man selbst ganz bewusst nicht mehr möchte. Genießbar müssen sie natürlich noch sein, auch wenn keiner kontrollieren kann, was in die Kisten gelegt wird „Da können wir nur appellieren - aber bisher haben wir keine negativen Erfahrungen gemacht“, sagt Nink.

Exotisches ist gefragt

Auf gefüllte Kisten stoße man übrigens quasi immer - und gefragt sei vor allem, was exotisch ist. „Aber was man reinlegt, ist bis auf einige Ausnahmen wirklich egal. Entscheidend ist ja, dass man es selbst nicht mehr benötigt“, so Nink, der übrigens hofft, dass das Projekt „Foodsharing“ bestenfalls irgendwann nichtig ist. Vorausgesetzt, es gibt keine Lebensmittel-Verschwendung mehr. Bei in Deutschland nach wie vor weggeworfenen Lebensmitteln im Wert von 230 Euro pro Jahr und Kopf wohl ein eher frommer Wunsch. 

Wie Foodsharing in Köln funktioniert

Wer beim Foodsharing Lebensmittel teilen möchte, kann das in Köln problemlos tun - indem er Aussortiertes einfach zu einer Sammelstelle bringt. Eine Kontrolle, was so zum Beispiel in den Kisten an der U-Bahnhaltestelle Lohsestraße landet, gibt es also nicht. Aber: Viele Nutzer des Angebotes schreiben auf der offiziellen Internetplattform der Kölner Foodsharing-Szene, welche Lebensmittel sie wann in die Boxen gelegt haben - und erhöhen so die Transparenz und Kontrollmöglichkeit der "Fairteiler". "Und wir haben natürlich auch einige Regeln, was absolut nicht in die Boxen darf", erklärt der Kölner Foodsharing-Botschafter Matthias Nink.Tabu sind zum Beispiel Spirituosen oder besonders sensible Lebensmittel wie Hackfleisch oder Speisen aus rohem Ei. 

Die Kölner Foodsharing-Community hofft auf weitere Interessierte und Unterstützer. Kontakt über das Internet. 

www.foodsharing.koeln

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