Das Theater-Ensemble von „Wilhelm – der Verein“ zeigt auf dem Marktplatz das Stück „Rhinozerosse“. Es ist bis 14. September noch dreimal zu sehen.
Open-Air-TheaterWenn Nashörner über den Wilhelmplatz in Nippes trampeln

Mit rund 150 Gästen war auf dem Wilhelmplatz die Premiere von „Rhinozerosse“ zu sehen.
Copyright: Bernd Schöneck
Die Aufregung in der kleinen französischen Stadt ist groß: Mehrere Menschen haben gesehen, wie ein Nashorn durch die Straßen gerannt kam. Vielleicht ist es aus dem Zoo ausgebrochen, könnte man denken – jedoch gibt es einen solchen in der Stadt gar nicht. Schon bald darauf mehren sich die Nashorn-Sichtungen, und die Katze einer Hausfrau (Doris Plenert-Sieckmeyer), von dem Dickhäuter auf dem Marktplatz zertrampelt, wird zum ersten Opfer der Invasion.
Im Gespräch mit seinem guten Freund Jean (Thomas Fehlen) bemerkt der Hauptcharakter Bérenger (Felix Zimmermann), dass jener Sympathien für die neue Spezies in der Stadt entwickelt, und gerät mit ihm darüber in Streit. „Auch die Rhinozerosse haben ihren Platz! Sie sind so vorwärts gewandt und wissen, was sie wollen – im Gegensatz zu uns“, meint jener. Kurz darauf muss Bérenger in dessen Wohnung entsetzt miterleben, wie sich Jean selbst in ein Nashorn verwandelt und die Herde fortan verstärkt.
Währenddessen weicht die anfängliche Aufregung der Stadtgesellschaft einer gewissen Lethargie und einem Relativismus: Statt der Bedrohung ins Auge zu blicken, verheddert man sich in Details – etwa, ob es sich um ein afrikanisches oder asiatisches Nashorn gehandelt habe, ob es ein Horn aufweise oder zwei. Einige misstrauen den Presseberichten: „Vielleicht hat einfach nur eine Maus einen Floh zertrampelt, und es wird ein Elefant daraus gemacht.“ Ein Städter nach dem anderen schließt sich den Rhinozerossen an und der Alltag gerät immer mehr aus den Fugen. Als letzte menschliche Artgenossin bleibt Bérenger nur noch seine Freundin Daisy (Janine D'Aragona), die sich jedoch nach einem Streit ebenfalls unter die Nashörner begibt. Trotzdem beschließt dieser, als letzter verbleibender Mensch standhaft zu bleiben.
Erneutes Stück mit Nashorn-Bezug
Mit der Aufführung von „Rhinozerosse“ bietet die Theaterkompanie „Wilhelm – der Verein“ unter Leitung und Regie von Klaus Prangenberg erneut Schauspiel unter freiem Himmel auf dem Wilhelmplatz; die Treppenstufen des Taj Mahal werden zur Bühne. Dass, nach „Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute“ im Vorjahr, erneut Nashörner im Mittelpunkt der Handlung stehen, ist dabei ein kleiner Zufall. Rund 150 Gäste waren bei der Premiere auf dem Wilhelmplatz dabei; nach etwas Wetterpech zu Beginn konnte das knapp 75-minütige Stück eine halbe Stunde später als geplant, dann aber unter trockenen Bedingungen, losgehen.
Und das Warten hatte sich gelohnt: Das Ensemble bot eine packende, temporeiche, schauspielerisch gekonnte und nachdenklich machende Aufführung. Der französisch-rumänische Autor Eugène Ionesco hatte das 1959 erstaufgeführte Bühnenspiel vor dem Eindruck seiner Beobachtungen im NS-Regime, und später der Ceaușescu-Diktatur, geschrieben, als Kritik an Massenbewegungen und Mitläufertum.
Auch in der Nippeser Aufführung gibt es einen politischen Wink mit dem Zaunpfahl, da die Nashörner in hellblauer Einheitskluft und gleichfarbiger „Kriegsbemalung“ im Gesicht dargestellt werden, deren Röhren und Trampeln derweil das auf dem Platz umherlaufende Orchesterduo aus Yukari Yaki (Schlagzeug, Blockflöte) und Yoshiki Matsuura (Posaune) herüberbringt. Zudem wird an einer Stelle auch das Publikum auf dem Platz musikalisch eingebunden, das sich im Kanon-Singen üben kann. Ein lohnenswertes Kulturerlebnis mit viel Hintersinn.
Weitere Aufführungen gibt es am 7., 13. und 14. September, jeweils ab 18 Uhr.