Norbert Walter-Borjans überließ seine Sülzer Wohnung seinem Sohn. Nach langer Suche fand er eine neue Bleibe in Riehl, ein Veedel, das er lieben lernte.
Mein VeedelUnterwegs in Riehl mit dem Wahlkölner „NoWaBo“, NRWs Ex-Finanzminister

Einen Blumenstrauß kauft Walter-Borjans auf dem Wochenmarkt am Riehler Gürtel.
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Zum Spaziergang hat Norbert Walter-Borjans („NoWaBo“) einen Spickzettel mitgebracht. Schließlich möchte der 73-Jährige nichts auslassen bei dem Rundgang durch sein Veedel, der am Botanischen Garten beginnt. „Den kann ich als Ganzes empfehlen“, sagt der deutsche Politiker, von 2019 bis 2021 mit Saskia Esken Parteivorsitzender der SPD, davor Finanzminister in NRW, war er auch in der NRW-Staatskanzlei und im Saarland tätig. 2006 wählte der Kölner Rat ihn zum Wirtschafts- und Liegenschaftsdezernenten. Außerdem war er mal Stadtkämmerer.
Als er vor drei Jahren mit seiner langjährigen Lebensgefährtin, Ingrid Hentzschel, eine Wohnung suchte, drohte es fast, Düsseldorf zu werden. Denn als er aus Berlin wieder nach Köln kam, wohnte sein zweiter Sohn in seiner Sülzer Wohnung. „Meine Kinder haben mich wohnungslos gemacht“, sagt er schmunzelnd. Vier hat er, eine Enkelin, eine Zweite ist unterwegs. Die beiden suchten klassisch über Immoscout. „Sie glauben nicht, dass ein ehemaliger Minister oder Parteipolitiker eine Wohnung hinterhergeworfen bekommt.“ Als nach langer Suche Riehl aufploppte („Ich kenne die Stadt eigentlich wie aus meiner Westentasche, auch aus meiner Zeit der Stadtverwaltung“), war dieser Stadtteil ein weißer Fleck. Die beiden haben sich schnell daran gewöhnt. Für den gebürtigen Krefelder war Köln eigentlich immer die einzige Option. Zur Promotion war er nach seinem Studium nach Köln gekommen. „Das erste Mal, dass ich ein K-Kennzeichen wollte. Seitdem fühle ich mich als Kölner. Die Menschen in Köln, das ist meine Frequenz“. Die einzige deutschsprachige Millionenstadt, in der er sonst leben könnte, wäre Wien.

NoWaBo arbeitet gerne mit Marmor.
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Ein kurzer Abstecher in die Wohnung. Dort zeigt er seine Skulpturen. Seit 24 Jahren betätigt er sich als Bildhauer. Nach der Politik ist er figürlich geworden. „Handschmeichler“ nennt er seine Skulpturen aus Marmor oder Granit. Einmal pro Jahr arbeitet er bei einem Berliner Bildhauer. Auch die Bilder an der Wand sind von „NoWaBo“.

In der Unterkirche von St. Engelbert stellt Norbert Walter-Borjans schon mal seine Kunst aus.
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Es geht zum Wochenmarkt am Riehler Gürtel, Nüsse für die Eichhörnchen auf dem Balkon kaufen und einen saisonalen Blumenstrauß. Gewürze holt er für seine Kochliebhaberei. Sein Lieblingsstand war am Mittwoch nicht da. „Der Italiener hat ein tolles Cranberrybrot. Das ist ein Muss samstags zum Frühstück.“ Die Kirche St. Engelbert, direkt am Gürtel, wird im Volksmund Zitronenpresse genannt, erzählt er unterwegs. „Eine architektonische Meisterleistung, unten ein weltliches Fundament. Oben hat es einen geistlichen Überbau.“ Die Rundkirche wurde 1932 von Dominikus Böhm geschaffen. Der Verein „Riehl Kunst“ organisiert in der Unterkirche Ausstellungen, an denen er bereits zweimal teilgenommen hat.
Auf der Stammheimer Straße findet NoWaBo alles, was er benötigt. Den Kaffee trinkt er schwarz im Café Kundera. Er liebt den Döner, im Körners Gasthaus trinkt er gerne ein Kölsch. Auch wenn die Kneipe früher dank FC Devotionalien noch uriger war. „Die Kneipe läuft super. Es ist wie ein kleines Brauhaus.“ Auch würde er nie in einen Stadtteil ohne eine Bäckerei-Filiale von Merzenich ziehen.

NoWaBos Stammfriseur ist Thomas Eifler, ein waschechter Riehler.
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Wir stehen am Hintereingang vom Zoo, für den er eine Jahreskarte hat. Häufig kommt er mit seiner Enkelin her. Vor allem die Elefanten haben es den beiden angetan. Mit seiner Lebensgefährtin hat er vor anderthalb Jahren entschieden, auf ein Auto zu verzichten. Wenn er eins braucht, ist eine Car-Sharing-Station in der Nähe. Auch haben sie ein Deutschlandticket, der Hauptbahnhof ist ja nur drei Stationen entfernt. Was ihn bei der KVB manchmal nervt, ist das ständige Belügen an den Anzeigetafeln. „Da steht ewig, die Bahn kommt in sieben Minuten.“
Das Geld des Steuerzahlers liegt NoWaBo am Herzen
Seine größtes Erfolgserlebnis für Köln war der Umzug des Chemie-Unternehmens Lanxess von Leverkusen nach Köln. „Da war ich maßgeblich beteiligt.“ Damals als Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Ganz raus aus der Politik sei man natürlich nie. Man habe nur einen anderen Blick. „Man kennt die ja alle. Durch die Tätigkeit ist man Teil der Stadtgesellschaft. Man muss aufpassen, dass man sich nicht reinziehen lässt“. „NoWaBo“ ist noch im Verwaltungsrat des Leichtathletik-Vereins ASV Köln tätig. Aktuell unterstützt er Anne Brorhilker bei ihrer Buchvorstellung „Cum/Ex, Milliarden und Moral.“ Die ehemalige Oberstaatsanwältin in Köln war maßgeblich an der Aufklärung der Cum/Ex-Straftatbestände beteiligt. Über den Verein Finanzwende, der sich als unabhängiges und überparteiliches Gegengewicht zur Finanzlobby versteht, gehen sie der Frage nach, warum sich der Staat so schwer tut, die Milliarden zurückzufordern, die ehrlichen Steuerzahlern zusteht.
Norbert Walter-Borjans' Joggingrunde führt über die Zoobrücke
Finanzgerechtigkeit, Steuergerechtigkeit - für diese Themen brennt er nach wie vor. Aber er investiert inzwischen auch viel in seine Freizeit und den Sport. Seine Joggingrunde führt ihn häufig über den Rhein, am Haupteingang des Zoos vorbei, über die Zoobrücke bis in den Rheinpark in Deutz und zurück (7,8 km), oder über die Deutzer Brücke (dann sind es 9 km). Über die Severinsbrücke sind es 10,2 Kilometer. Eine Brücke, je nach Tagesform. Ohne Brücke geht es auch schon mal durch den Johannes-Giesberts-Park ins Nachbarveedel Nippes.
Der Spickzettel verrät, es geht zurück von der Ecke Stammheimer Straße zum Riehler Gürtel. Dort hat Thomas Eifler seinen Friseursalon. In seinem Laden war früher die Stadtbücherei, erzählt der gebürtige Riehler. 19 Jahre war er der Hoffriseur des Kölner Dreigestirns, dort gab es Empfänge. „Das Ereignis in Riehl“, so Eifler. Fritz Scheidgen „die Stimme von Riehl“ hat die Moderation übernommen. Riehl sei ein altes, gewachsenes Viertel. Walter-Borjans sieht das mittlerweile auch so. Wer im Sommer kommt, sollte den Biergarten „Am Schwimmbad“, An der Schanz 2 und den „Schlemmergarten“ im Kleingartenverein, Boltensternstraße 90, besuchen. Und was er nicht nur an seinem Stadtteil, sondern generell an der Domstadt mag? „Dieses aus der Lamäng angesprochen zu werden, das macht es aus.“
Veedelstipps
Kundera, Café und Weinbar, Stammheimer Straße 102
Körners Gasthaus, Stammheimer Straße 100
Haarmoden Eifler, Riehler Gürtel
Wochenmarkt Riehler Gürtel, mittwochs und samstags von 7 bis 13 Uhr.

