Prozess in KölnNach Mord an Großmutter – 22-Jähriger fühlt sich im Gefängnis wohl

Lesezeit 2 Minuten
5F9EE8008B098DDF

Der 22-Jährige Maurice H. beim Prozess in Köln

Köln – Er war das ungeliebte Kind. Der Störfaktor in der neuen Familie, als die Mutter nach der Scheidung mit dem zweiten Ehemann zwei Stiefkinder zur Welt brachte. Es folgten Stationen in mehreren Pflegefamilien, Wohngruppen, Kinderpsychiatrien. Das Gefühl der Einsamkeit, Isolation und Verzweiflung des heute 22-jährigen Maurice H. wurde immer größer. „Der einzige Mensch, der mich verstanden hat, war meine Oma“, sagt H. über die 79-jährige Frau, die er im Juni dieses Jahres nach einem Streit erstochen hat.

Die Staatsanwältin spricht von heimtückischen Mord. Seit Mittwoch wird H. der Prozess gemacht. Leichenblass mit unbeweglichem Ausdruck im Kindergesicht, sitzt der 22-Jährige da und sagt auf Anraten seines Verteidigers Markus Loskamp zunächst nur zur Person aus.

Prozess in Köln: Angeklagter wurde in der Schule gemobbt

Was er zu Protokoll gibt, ist leise und kaum zu verstehen. Seine Antworten kommen monoton, in Zeitlupe, wenn sie überhaupt kommen. H. vermeidet jeglichen Blickkontakt, erzählt ohne Selbstmitleid von seiner Zeit als Mobbing-Opfer in der Schule, als die Klassenkameraden sich in sozialen Netzwerken über ihn lustig machten, sogar eigens dafür eine Facebook-Gruppe gründeten.

Das könnte Sie auch interessieren:

Oder seine Zeit als Bäckerlehrling, wo er sich im Betrieb ausgenutzt fühlte und trotz guter Noten die Lehre kurz vor der Abschlussprüfung hinschmiß.

Nach Mord an Oma: 22-Jähriger fühlt sich in JVA wohl

Er habe sich immer schon „wertlos“ gefühlt, manipuliert, missverstanden und verzweifelt, sagt H. Hinter Gitter sei das anders. „In der JVA fühle ich mich wohler als draußen. Wir haben da alles eins gemeinsam – sind die Ausgestoßenen“, beschreibt H. seine Gefühlslage.

Er habe sich immer einen kreativen, künstlerischen Beruf gewünscht, sagt er und verweist auf zahlreiche Portraitzeichnungen von Prominenten, die er in seiner Freizeit fertigt. Aber er hatte nie das Selbstvertrauen, sich entsprechend zu bewerben.

Angeklagter zeigt bei Prozess in Köln depressive Seite

„Es ist mir egal, was mit meinem Leben passiert, ich bin eh eine Last für alle“, ist eine von mehreren Aussagen des Angeklagten, die eine depressive Seite des sensiblen 22-Jährigen offenbaren. Sein leiblicher Vater, der zu seinem Sohn eine eher desinteressiert lieblose Beziehung zeichnet, berichtet von einem Suizidversuch des Sohnes, den er allerdings nicht ernst genommen habe.

Die Beziehung zur Kindsmutter beschreibt der Vater als „flüchtige Bekanntschaft“, den Sohn habe er nie gewollt und sich damals für eine Abtreibung ausgesprochen: „Aber da war der Zeitpunkt bereits überschritten“, sagt der Vater auch heute noch mit Bedauern und gibt zu, dass der Sohn ihm später eher lästig war.

Der Prozess ist auf zehn Verhandlungstage angesetzt.  

KStA abonnieren