Polizistin über den 11.11.„Plötzlich bekam ein Kollege eine Faust aufs Auge“

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Zwei Polizisten knien auf der Zülpicher Straße und fesseln einem Mann, der auf dem Bauch liegt, die Hände auf dem Rücken zusammen. Zwei Mitarbeiterinnen des Ordnungsamtes stehen daneben und halten Schaulustige fern.

Einsatz für Polizei und Ordnungsamt auf der Zülpicher Straße am 11.11.

Respektloses Verhalten, Beleidigungen, Angriffe auf Polizisten -  die Beamtin einer Hundertschaft berichtet im „Kölner Stadt-Anzeiger“ von ihrem Einsatz auf der Zülpicher Straße am 11.11.

Mehr Einsätze insgesamt, aber weniger Diebstähle, weniger Körperverletzungen, weniger Überfälle und weniger Sachbeschädigungen – die vorläufige offizielle Polizeibilanz zum 11.11. fällt im Vergleich zum Vorjahr eher positiv aus. Dennoch hatten die Beamten und Beamtinnen vor allem in der Nacht zum Samstag im Kwartier Latäng alle Hände voll zu tun, Betrunkene und Randalierer in Schach zu halten. „Es war total hemmungslos“, berichtet die erfahrene Polizistin einer Hundertschaft im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Hier ist ihr Bericht.

Eines direkt mal vorweg: Natürlich waren am 11.11. auch viele Leute auf der Zülpicher Straße, die normal Karneval feiern wollten und das auch getan haben. Aber als Polizei kriegen wir vor allem diejenigen mit, die sich nicht benehmen können. Und was wir da erlebt haben, hat mich teilweise fassungslos gemacht.

Wie soll ich die Stimmung am späten Abend auf der Zülpicher Straße am besten beschreiben? „Aggressiv“ ist das falsche Wort. Total hemmungslos war es auf jeden Fall. Ein hemmungsloses Besaufen. Überall lag Erbrochenes, in jeder Ecke stank es nach Urin. Müll wurde einfach fallen gelassen, es wurde überall gegen getreten, gegen gepinkelt.

Völlig verbrannte Erde im Viertel.
Polizistin

In der Engelbertstraße haben ein paar Leute einfach so gegen die Dixie-Klos getreten. Die fanden das lustig. Auf dem Barbarossaplatz sah es in der Nacht aus, als sei aus hundert Metern Höhe ein Glascontainer drauf gefallen. Überall Scherben. Völlig verbrannte Erde im Viertel. Ich weiß nicht, woher dieses Verhalten kommt. Das ist so ein Ich-Denken, total egoistisch und gleichgültig. Nach mir die Sintflut. Vollkommen respektlos. Mit Karneval hat das nichts zu tun.

Es liefen diesmal auffallend viele Jugendgruppen herum, die gingen durch das Viertel fast so wie wir als Hundertschaft. Fünf oder sechs Leute, nicht verkleidet, nüchtern, und die laufen da einfach nur so durch. Aber man sieht die und weiß sofort: Die haben nichts Gutes vor. Die passen da nicht rein, die sind auf Stress aus. Wir haben diese Gruppen kontrolliert, wollten wissen: Was ist eure Intention? Einer hatte einen gefährlichen Schlaggegenstand dabei, andere Drogen.

Polizisten einer Hundertschaft stehen in zwei Reihen hintereinander auf der Zülpicher Straße und sichern die Absperrgitter.

Polizisten schützen die Absperrung am Zugang zur Zülpicher Straße.

Manchmal wurden wir bei einer Kontrolle auch von diesen Gruppen bedrängt, die Leute kommen einem dann immer näher. Kollegen aus einer anderen Hundertschaft hatten einen jungen Mann und seine Begleiter am Zülpicher Platz angesprochen, weil die irgendwelche Sachen herumgeworfen und Gesten zu den Kollegen gemacht hatten. Plötzlich bekam ein Kollege eine Faust aufs Auge. 

Manchmal wurdest du auch einfach nur läpsch von der Seite angemacht, quasi im Vorbeigehen einmal durchbeleidigt, völlig ohne Grund. „All Cops are bastards“ und so etwas. Manche, von denen du es gar nicht gedacht hättest, werden dann plötzlich ganz kleinlaut und entschuldigen sich, wenn man sie anspricht. Andere reagieren nach dem Motto: „Halt die Fresse, mein Vater ist Anwalt.“

Was ist mit denen los? So etwas kann in einer Katastrophe enden.
Polizistin

Viel wurde ja vorher über das neue Sicherheitskonzept gesprochen. Die Idee, das Viertel abzusperren und nur einen Zugang zu machen, ist prinzipiell nicht verkehrt. Es ist ja wie beim Fußball: Irgendwann ist das Stadion voll. Und wenn dann trotzdem noch 50.000 Zuschauer rein wollen, muss man denen auch sagen: Nee, geht nicht.

Andererseits: Wenn der Druck vor einer Absperrung zu groß wird, kriegst du die Sperre irgendwann auch nicht mehr gehalten. Auf die Vernunft der Leute darf man dabei nicht zu sehr hoffen, wie man am 11.11. wieder gesehen hat: Die Polizei hat über Lautsprecher immer wieder durchgesagt, dass die Zülpicher Straße voll ist und dass keiner mehr reinkommt. Und was machen manche dann? Sie suchen sich eine Stelle, die sie überlaufen können, lachen dabei noch und freuen sich: „Cool, wir haben eine Lücke gefunden.“ Da frage ich mich: Was ist mit denen los? So etwas kann in einer Katastrophe enden.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Polizeipräsident Köln Falk Schnabel stehen am 11.11. auf der vollen Zülpicher Straße und sprechen in die Mikrofone von Journalisten.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Polizeipräsident Köln Falk Schnabel am 11.11. auf der Zülpicher Straße

Ich habe allerdings nicht verstanden, dass man die Menschen ausgerechnet in den Grüngürtel und zum Aachener Weiher umgeleitet hat. Dass man zugelassen hat, dass die Grünflächen verhunzt und zugemüllt wurden. Sagen wir mal so: Aus Umweltschutzgründen ist das eine glatte Sechs.

Warum sagt Frau Reker nicht: So etwas will ich in meiner Stadt nicht haben?
Polizistin

Klar, es ist total schwierig. Ich weiß auch keine hundertprozentige Lösung. Du wirst die Leute nicht davon abhalten können, auf die Zülpicher Straße zu gehen. Die ist an Karneval wie ein Magnet. Andererseits muss man auch die Anwohner schützen. Was die aushalten müssen, ist irre. Wenn die Oberbürgermeisterin dann noch am 11.11. auf der Zülpicher Straße steht und über die, die das Viertel jedes Jahr terrorisieren, sagt: „Die jungen Leute feiern eben so“, dann würde ich als Anwohnerin wahrscheinlich aus der Hose springen. Warum sagt Frau Reker denn stattdessen nicht: „So etwas will ich in meiner Stadt nicht haben“?

Ein Riesenlob dagegen muss man der AWB aussprechen. Was die für eine Top-Leistung bringen, das ist schon super. Ich habe Ladenbesitzer im Zülpicher Viertel gesehen, die haben einfach ihren Müll auf die Straße gekehrt nach dem Motto: „Die AWB macht‘s schon weg.“

Ich befürchte allerdings, so schnell ändert sich nichts. An Weiberfastnacht wird alles wieder genauso sein. Da kann man sich jetzt schon drauf einstellen.

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