Hausarzt legt Prioritätenliste anSo läuft in Köln eine Corona-Impfung als Hausbesuch

Lesezeit 4 Minuten
rde_KP_Hausbesuch_Impfung14

Der Arzt erklärt Hildegard Ploder vorher das Prozedere der Impfung.

Porz – Das Lächeln sieht man bei Dr. Johannes Nolte unter der Maske kaum. „1919, das schreibt man auch nicht alle Tage“, sagt er. Die Zahl ist das Geburtsjahr der Dame, bei der der 38-Jährige zuhause ist. Stolze 101 Jahre alt ist Hildegard Ploder, im August wird sie 102. Nolte sitzt auf der Couch im Wohnzimmer der Seniorin, über dem Papierkram. Der ist Pflicht vor dem, was ansteht. Ist alles ausgefüllt und unterschrieben, kann es losgehen. Aus einer kleinen Kühltasche holt Nolte eine graue Box. Der Inhalt: Spritzen mit dem Biontech-Impfstoff.

Arzt aus Zündorf impft im Pilotprojekt bei Hausbesuchen

Den hat der Arzt aus Porz-Zündorf direkt vom Impfzentrum in Deutz bekommen. Er gehört zu den fünf Kölner Ärzten, die an einem Pilotprojekt teilnehmen. Nolte und Kollegen durften bei Hausbesuchen impfen, noch bevor es die Hausärzte offiziell in ihren Praxen dürfen. Den Impfstoff für Nolte und seine Kollegen des Pilotprojekts „hat das Land locker gemacht“, sagt Nolte. So sollen Menschen, die es nicht ins Impfzentrum schaffen, plus zwei Kontaktpersonen geimpft werden. „Bisher wurde viel an Pflegeheime gedacht, die sind im wesentlichen durchgeimpft“, sagt Nolte. Wo bislang aus logistischen Gründen noch nicht ausreichend geimpft wurde, ist bei den Menschen, die zuhause gepflegt werden. Das warf die Frage auf, wie das organisiert wird. Die Antwort: über die Hausärzte.

Nolte hatte sich mit seiner Praxis beworben. „Mit zwei Ärzten und einer Praxisassistentin sind wir relativ groß“, erzählt er. Auch beim Thema Impfen ist seine Praxis geübt. „Wir haben in der Vergangenheit überdurchschnittlich viele Grippeimpfungen durchgeführt.“ Dann habe er die Nachricht erhalten, dass er beim Pilotprojekt dabei ist. Wöchentlich bis zu 30 Dosen stehen dem Zündorfer Arzt zur Verfügung.

101-Jährige Porzerin zuhause geimpft

Doch irgendwann waren all seine Hausbesuchspatienten geimpft. Manche waren schon zuvor mit Krankentransporten ins Impfzentrum gebracht worden. „Aus der ethischen Verantwortung heraus haben wir anderen Kollegen in Zündorf Bescheid gesagt: Nennt uns die Anzahl eurer Patienten, die es nicht ins Impfzentrum schaffen.“ Einige Patienten wurden ihm gemeldet. Doch waren immer noch Impfdosen übrig.

Johannes Nolte hat deswegen eine Prioritätenliste angelegt, Patienten nach Alter und Vorerkrankung sortiert. Auch hat er von Hildegard Ploder aus Lind gehört. Die nicht mehr das Haus verlassen kann und deren Pflegekraft nicht geimpft ist. Auch die Urenkel Milan, Mats und Jonas kommen gerne, um ihre „Granny“ wie Hildegard Ploder genannt wird, zu besuchen. In Zeiten von Corona ist das schwierig. Für Dr. Johannes Nolte gute Gründe, die Dame durch eine Impfung zu schützen.

Nun steht der Zündorfer Arzt im Wohnzimmer von Hildegard Ploder. Mit deren langjähriger Hausärztin ist der Besuch abgesprochen. Nolte steht auf der Seite „mit dem guten Ohr“ und erklärt der 101-Jährigen das Prozedere der Impfung.

Die Verabreichung des Impfstoffs muss schnell gehen

Den Pieks in den Arm gibt es auf die andere Seite. Hildegard Ploder ist ein wenig verdutzt. „Das war’s?“, fragt sie. Für heute ja, in drei Wochen kommt Dr. Nolte für die zweite Dosis. Wiederum zwei Wochen später soll der Impfstoff voll wirken. Zwei Bezugspersonen von Hildegard Ploder werden ebenfalls geimpft. Das ist rechtens bei Menschen, die zuhause gepflegt werden. Nolte wartet noch ab, ob sich irgendwelche Nebenwirkungen bei der Seniorin bemerkbar machen. Doch Hildegard Ploder lächelt nur. Sie hat in ihrem Leben schon ganz andere Sachen erlebt. Die drei sind dankbar, dass sie nun endlich geimpft sind.

Für Nolte geht es zurück zur Praxis und zur Zollturm-Apotheke nebenan. Mit der arbeitet der Arzt eng zusammen. Er nennt sie sein Basislager. Auf der Fahrt dorthin ruft der 38-Jährige seinen Kollegen Dr. Tim Wiechers an. Die Info: Er könne die nächsten Spritzen mit dem Impfstoff aufziehen. Das geschieht in der Apotheke, weil dort die Hygiene-Vorschriften besser eingehalten werden können. Zudem ist dort mehr Ruhe, um mit den Impfstoffresten, die in den Fläschchen übrig bleiben, noch weitere Spritzen aufziehen zu können. Zwei Stunden bleiben Nolte dann, den Impfstoff zu spritzen. Nicht, weil der Impfstoff schlecht wird, „sondern aus Verkeimungsgründen“, wie der Arzt erklärt. Der hat seine Prioritätenliste im Kopf, weiß, wohin er noch muss: Zu einem Mann, der durch drei Bypässe seinen Termin im Impfzentrum verpasst hat.

KStA abonnieren