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Rapper Marteria im Interview„Frauen hören besser hin“

Lesezeit 7 Minuten

Rapper Materia beim Interview mit dem "KölnerStadt-Anzeiger"

KölnMarteria, dein neues Album „Zum Glück in die Zukunft II“ steht auf der Platz 1, zwei Singles sind in der Top 10. Du sorgst gerade für eine Renaissance im deutschen Hip-Hop. Was hat dem Genre zuletzt gefehlt?

Marteria, mit bürgerlich Namen Marten Laciny, ist ein deutscher Rapper. Er wurde am 4. Dezember 1982 in Rostock geboren und vor seiner Musikkarriere Jugendnationalspieler in der U17 unter Horst Hrubesch. Sein Album „Zum Glück in die Zukunft II“ erreichte Anfang Februar Platz 1 in den deutschen Charts. Am 16. März und 9. April 2014 spielt der Rapper im Rahmen seiner Deutschlandtour zwei Konzerte im Kölner Palladium.

Marteria: Ich glaube, es gab immer sehr kreative Leute. Das Ding ist einfach, dass das in der Medienwelt nicht so angenommen wurde. Hip-Hopper wurden schnell als messerstechende Wahnsinnige abgestempelt. Das gibt ja ein besseres Bild. Für mich und meine Clique war Hip-Hop aber schon immer etwas ganz anderes. Für uns war das ein Mittel, um die Schwächeren zu beschützen, die die ausgelacht wurden, Zuwanderer oder jene, die in der Schule nur einen Pullover hatten. Ein arrogantes Arschloch zu sein, hat für mich nichts mit Hip-Hop zu tun. Ich glaube, ich habe den Leuten jetzt auch einmal gezeigt, dass es anders geht.

Du hast einen tollen Videoblog im Netz, für den Du scheinbar die ganze Welt bereist hast. Welchen Einfluss hatte dieser Trip auf die Entstehung des Albums?

Marteria: Das Projekt hieß „Track bei Trek“. Die Platte war im Prinzip schon fertig, als ich auf diese Weltreise gegangen bin. Wir wollten zu jedem Song des Albums so eine Art kurzes Video aus einem anderen Land machen und ihn so vorstellen. Insgesamt waren das 22 Flüge in 21 Tagen unter anderem nach Chile, Alaska, Panama und Nepal. Das war schon irre. Da ging es dann mal von 30 Grad auf -25 Grad, und umgekehrt. Aber ich finde, das ist eine sehr liebe Art, sein Album vorzustellen. Auch wenn das alles unfassbar aufwendig war.

Wie hat dich deine Jugend in der Plattenbausiedlung in Rostock-Groß Klein geprägt?

Marteria: Es war eigentlich eine sehr tolle Zeit. Wenn man Fußball spielen wollte, standen unten vor der Tür schon 25 Jungs. Die Gemeinschaft unter den Kids in diesen Plattensiedlungen war ungemein schön. Außer natürlich in der Zeit, als in Lichtenhagen der Brandanschlag auf das Asylbewerberheim verübt wurde. Dann gab es auf einmal viele Glatzen im Viertel und man hat unnötig aufs Maul bekommen. Deshalb ist meine Mutter damals auch mit uns nach Warnemünde gezogen.

Wie sehr die Stadt am Herzen liegt erfährt man im Song „Mein Rostock“, der das Album abschließt.

Marteria: Das ist halt mein Heimatlied. Es gibt Songs im Leben, die man nicht oft macht, die nicht einfach sind. Etwa Songs über dein Kind, deine Heimat, deinen Fußballverein. Obwohl letztere häufig mit viel Pathos daherkommen. „Mein Rostock“ liefert einen ehrlichen, schönen Blick auf die Stadt und soll erklären, warum es mich auch heute immer wieder zu ihr zurückzieht. Ich wollte aber auch sagen: Eh, ihr mit euren Vorurteilen wisst gar nicht wie schön es bei uns ist! Auch wenn die Stadt vielleicht dunkle Dämonen hat. Ich kämpfe so für ein besseres Image. Wir Mecklenburger und Rostocker sind sehr stolz auf unsere Heimat. Wir sind so ein wenig das Texas von Deutschland, das Outback.

Ein anderer Song - „Bengalische Tiger“ - weckt vom Text her Assoziationen von Fankrawallen, wie sie zuletzt immer häufiger in Fußballstadien oder, wie zuletzt in Köln, mitten in der Stadt vorkommen.

Marteria: „Bengalische Tiger“ soll tatsächlich gar kein Fußballlied sein. Ich bin zwar ein leidenschaftlicher Fan von Hansa Rostock und ich bin auch pro Pyro in den Stadien. Über die Stränge zu schlagen ist schon mal geil, aber wenn fünf Mann einen anderen umhauen, das geht halt gar nicht. Das Lied erzählt aber eigentlich vom Straßenkampf. Die Idee dazu ist mir in Uganda gekommen. Ich hab da an der Uni in Kampala eine Deutschstunde gegeben, als plötzlich draußen mit Tränengas geschossen wurde, nur weil die Studenten dort auf die Straße gegangen sind und gegen zu hohe Studiengebühren demonstriert haben. Das hat mir seht zu denken gegeben. Und die Idee des Songs ist daher, dass sich die nächste Generation so etwas nicht länger gefallen lassen wird. Der Song ist also eher ein politischer Song, denn solche Brandherde gibt es überall auf der Welt.

Du hast gesagt, Du willst „nachhaltige Musik“ machen. Was an deinem Album hältst Du denn für so wichtig, dass es überdauern sollte?

Marteria: Das ganze Album. Es enthält Themen, die sehr autobiografisch sind. Jeder Künstler kann einen guten Song machen. Die große Kunst, ähnlich wie beim Sushi ist jedoch, ein ganzes Album voll guter Musik zu machen. Ein gutes Album muss losgehen, Höhen haben, es muss Party haben, es muss nachdenkliche Phasen und Trauer beinhalten. Von den Emotionen her muss einfach alles dabei sein. Ich mag Alben nicht, wo nur 3-4 Lieder gut sind. Und wenn ich nur einen einzigen Song für die Nachwelt retten müsste, wäre das „Welt der Wunder“, weil er einen ganz klaren Blick auf die Welt hat. Wir haben doch alle bereits einen Sechser im Lotto dadurch, dass wir auf dieser Welt sein dürfen. Darüber sollten die Menschen nachdenken, wenn es ihnen Scheiße geht. Keine Leben sollte weggeschmissen werden. Das ist die Botschaft, deshalb ist das wohl der nachhaltigste Song.

Als ehemaliger aktiver Fußballer bist Du vermutlich ein sehr ehrgeiziger Mensch. Am Samstagabend bist Du als Musikact zu Gast bei „Schlag den Raab“. Würdest Du es Dir zutrauen, selbst als Prominenter gegen Kandidaten anzutreten?

Marteria: Auf jeden Fall, das ist doch etwas, das total Spaß macht. „Schlag den Raab“ ist wirklich eine Sendung, die ich sehr mag. Ich finde Wettkämpfe geil. Das würde ich sofort machen. Ich glaube ich hätte Chancen.

Haben Mädels ein besseres Gespür für Musik?

Marteria: Ja, das ist mein Erfahrungswert. Die hören einfach besser hin. Jungs reagieren oft nur auf ganz starke Emotionen, wie Wut und Hass. Die brauchen Action. Frauen haben 'nen klaren Blick auf die Dinge. Wenn ich denen was vorspiele, kommen schon mal: „Das verstehe ich jetzt nicht“.

Du sagst, Features, also Songs mit anderen Künstlern sind problematisch. Deine kommerziell erfolgreichsten Hits „Lila Wolken“ und „Verstrahlt“ waren aber beides Features. Wie passt das zusammen?

Marteria: Wenn ich Features machen, sind das bei mir Unterstützungen. Es wird kein ganzer Song aufgeteilt, nur eine andere Farbe hineingebracht. Lässt man den halben Song von jemand anderen rappen, verliert man selbst den roten Faden. Der Song mit Campino ist ein gutes Beispiel. Nur ganz am Ende der letzte Hook wird von ihm gesungen. Ich mag unterschiedliche Stimmen, wenn sie sich ergänzen.

Wie geht es jetzt weiter? Was hast Du für 2014 noch alles vor?

Marteria: Das ganze Jahr ist verplant. Es wird sich alles um Live-Auftritte drehen. Auch in Köln werde ich zweimal im Palladium spielen. Es wird Spaß machen, den Leuten die neue Platte zu zeigen. Wir wollen eine geile Show auf die Beine stellen. Das wird sicher auch sehr anstrengend.

Und danach? Einfach den Rucksack schnappen und noch einmal in die Welt hinaus?

Marteria: Gut möglich. Geplant sind auf jeden Fall die Seychellen, das Jordanland und ich fahre noch einmal nach Afrika, was sicher auch eine heftige Reise wird. Ich werde vor Ort das Projekt „Blue Uganda“, bei dem Brunnen für die Bevölkerung gebaut werden, unterstützen.

Das Gespräch führte Martin Boldt