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BezirksverwaltungEin Lotse im Ämterdschungel

Lesezeit 5 Minuten

Vom Balkon des Bezirksrathauses hat Bürgeramtsleiter Reiner Lindlahr freien Blick auf den Rhein.

Rodenkirchen – Reiner Lindlahr kennt die Kölner Verwaltung in- und auswendig. 46 Jahre hat er für die Stadt gearbeitet. Schon die Ausbildung für den gehobenen Dienst hat er bei der Stadt absolviert, danach war er rund 30 Jahre in der zentralen Verwaltung tätig, zuletzt als stellvertretender Personalamtsleiter. In den vergangenen zehn Jahren leitete er das Bürgeramt im Bezirksrathaus Rodenkirchen. Lindlahr wohnt mit seiner Familie in Zündorf. Der 62-jährige Bürgeramtsleiter von Rodenkirchen beendet seine berufliche Laufbahn Ende dieses Jahres und beginnt die Altersteilzeit.

Noch drei Monate haben Sie vor sich, bis Sie Ende Dezember die Altersteilzeit beginnen. Gibt es einen Endspurt, oder ist die Luft raus?

Reiner Lindlahr: Ich werde mich bis dahin noch weiter wie bisher engagieren. Vor allem möchte ich zusammen mit der Politik unbedingt noch ein Projekt zu Ende bringen, nämlich den Einsatz eines Shuttlebusses von Meschenich zum Kalscheurer Bahnhof. Von dort gibt es schnelle Zugverbindungen zum Kölner Hauptbahnhof. Die Meschenicher könnten dann doppelt so schnell den Hauptbahnhof erreichen wie bisher mit der regulären Buslinie. Wenn man bedenkt, welcher Milliardenaufwand bei der Nord-Süd-Stadtbahn betrieben wird, nur um die Fahrtzeit um ein paar Minuten zu verkürzen, dann müsste der Shuttlebus für Bürgerinnen und Bürger von Meschenich doch möglich sein.

Beschreiben Sie die Arbeit in einem Bürgeramt.

Lindlahr: Oberste Priorität ist Bürgerservice. Wir vom Bürgeramt kümmern uns um An- und Ummeldungen, um Führerscheine, Ausweise, um schulische Belange, um Sport und Verkehr, soweit es um den Bezirk geht. Für Sauberkeit und Ordnungsfragen ist der Bezirksordnungsdienst zuständig, der bei uns angesiedelt ist. Wir bereiten die monatlichen Sitzungen des Stadtteilparlaments vor, führen sie durch, bereiten sie in Form von Protokollen nach, prüfen Anträge auf Machbarkeit. Das Bürgeramt verwaltet auch die bezirksorientierten Mittel.

Initiator, Koordinator und Lotse

Und was tut der Chef?

Lindlahr: Der hat einen der vielseitigsten Jobs in der Stadtverwaltung. Ich bin Initiator, Koordinator, Lotse für die Anliegen von rund 100 000 Einwohnern im Bezirk mit 13 Stadtteilen. Wenn beispielsweise Themen festgefahren sind, greife ich ein. Ich denke da an die Bunsenstraße. Dort gab es keinen Rad- und Fußweg, was die Bürger kritisierten. Die Bunsenstraße ist eine Landstraße, deshalb fühlte sich die Stadt nicht zuständig. Das Land aber auch nicht, weil diese Straße keine Priorität hatte. Also habe ich das Problem persönlich beim Staatssekretär vorgebracht. Inzwischen gibt es einen Weg. Ein Bürgeramtsleiter koordiniert auch Gespräche zwischen den Ämtern, die an einem Projekt beteiligt sind. Beispiel Fußballplatz Rondorf. Liegenschaft, Stadtplanung, Sportverwaltung wurden an einen Tisch gebracht. Ein Lotse bin ich, weil ich die Probleme der Bürger und der Vereine in die Verwaltung hinein und an die richtigen Stellen transportiere.

Trotzdem gibt es für die Verwaltung meist schlechte Noten. Als zu schwerfällig und zu unpersönlich wird der Apparat kritisiert.

Lindlahr: Der riesige Verwaltungsapparat ist tatsächlich schwer zu durchschauen. Deshalb ist es wichtig, möglichst viele Bürgeranliegen vor Ort zu bearbeiten. Pro Jahr kommen ungefähr 100 000 Bürger mit ihren Problemen und Angelegenheiten zu uns ins Bezirksrathaus. Es wäre fatal, einige Bezirke zusammen zu legen, was ja vor kurzem diskutiert wurde. Eine Zentralisierung, also das Abziehen von Kompetenzen aus den Bezirken, ist auch so ein leidiges Thema. Es wurden jahrelang aufwändige Untersuchungen über Zentralisierung oder Dezentralisierung geführt, anstatt unsere Kräfte konstruktiv für besseren Bürgerservice einzusetzen. Einige der zentralisierten Aufgaben kamen inzwischen wieder in die Bezirke zurück, so die Jugend- und Sozialverwaltung und der Ordnungsdienst. Das Gezerre hat viel Kraft gekostet.

Und noch ein leidiges Thema: Bezirksrathaus. Wie viel Nerven hat das gekostet?

Lindlahr: Bald werden wir in den Büros wieder frieren, weil die Heizung nicht funktioniert. Vielleicht ist es auch brüllend heiß aus dem gleichen Grund. Eine Zumutung ist das marode Gebäude für Bürger und Mitarbeiter. Vor zehn Jahren haben Bezirksverwaltung und -politik schon gefordert, dass die Stadt mit Eigenmitteln ein neues Gebäude am alten Standort baut. Genau das hat der Rat in diesem Mai beschlossen. Nach zehn Jahren. In dieser Zeit wurden mehrere 100 000 Euro ausgegeben für Gutachten, die inzwischen einen ganzen Aktenschrank füllen. Zusammen mit den Verwaltungskosten wurde eine siebenstellige Summe ausgegeben, ohne dass irgendetwas passiert wäre. Jetzt warten wir dringend darauf, dass die Architektenauswahl beginnt. Ich hoffe, dass der Neubau nicht noch mal in Frage gestellt und der Ratsbeschluss geändert wird.

Erfolge und Erfreuliches

Gibt es denn auch Erfreuliches aus Ihrer Amtszeit zu berichten?

Lindlahr: Ja, die Aufzählung wäre lang. Die Sportanlage im Sürther Feld ist endlich fertig geworden. Das war auch so eine zähe Geschichte. Die Vergabe an vier Sportvereine war zuletzt ein Balanceakt. Für die geschlossene Meschenicher Jobbörse wurde eine Ersatzlösung gefunden. Wir haben eine Kompetenzagentur für arbeitslose Jugendliche geschaffen. Die Rodenkirchener Riviera ist noch schöner geworden durch die aufwändige Promenade, die im Zuge des Hochwasserschutzes entstanden ist.

Wie sieht die private Zukunft aus?

Lindlahr: Ich werde mich verstärkt meiner Familie widmen, mehr Sport treiben und reisen. Meinen bisherigen dienstlichen Einsatz für arbeitslose Jugendliche möchte ich in Form einer ehrenamtlichen Patenschaft für Schüler fortführen.

Und auch den Nachfolger einarbeiten?

Lindlahr: Bis jetzt kenne ich den Nachfolger oder die Nachfolgerin noch nicht. Wir sind hier nicht in der Abteilung Kultur. Da werden Personalfragen schneller gelöst.

Das Gespräch führte Ulrike Süsser