„So wohnt Köln“Zwölf Quadratmeter Freiheit im riesigen Rodenkirchener Sommershof

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KS_Sommershof_Bewohnerin im 12. Stock

Karin Barlen wohnt im zwölften Stock.

Rodenkirchen – Der Lieblingsplatz von Karin Barlen ist ihr zwölf Quadratmeter großer Balkon. Viele Jahre war die rüstige, ältere Dame, die in Mülheim einen Stoffladen und einen Bastelladen führte, passionierte Seglerin. Jahre ihres Lebens hat sie auf und am Wasser verbracht, so dass die Wahl ihrer Wohnung niemanden verwundert: Barlen wohnt direkt am Rhein in Rodenkirchen, der Blick geht aufs Wasser – über den Dom hinweg rheinabwärts, bis ins Siebengebirge rheinaufwärts.

Barrierefrei leben im zwölften Stock

„Im Sommer sitze ich nur draußen. Ich bin ganz glücklich“, erklärt die 82-Jährige. Barlen wohnt im zwölften Stock, der obersten Etage im Sommershof. Sie ist überhaupt nicht gut zu Fuß und auf ihre elektrische Fahrhilfe angewiesen. Das Haus, das 1978 gebaut wurde, ist erstaunlich barrierefrei.

Mit dem Aufzug und ihrem elektrischen Rollator fährt sie von ihrer Wohnung in die untere Etage und ist direkt mitten im Zentrum von Rodenkirchen. „Auf dem Markt treffe ich immer jemanden, den ich kenne. Aber der Blick auf den Rhein und die Schiffe, das reicht mir eigentlich. Ich genüge mir selbst“, erzählt sie, während sie liebevoll an ihren Balkonpflanzen zupft.

Keller sind im zweiten Stock

Barlen wohnt seit acht Jahren im Sommershof, einem Komplex aus Gewerbe- und Wohneinheiten. Der Wohnturm beginnt im dritten Stock und umfasst insgesamt 97 Wohnungen. Der zweite Stock ist geräumigen und vor allem trockenen „Kellern“ vorbehalten. In direkter Rheinnähe ist das nahezu ein Luxus. Die zweistöckige Tiefgarage, deren untere Ebene den Hausbewohnern vorbehalten ist, ist mitunter vom Hochwasser bedroht und muss im Notfall geräumt werden. Bevor Barlen in den Süden Kölns zog, wohnte sie im Colonia Hochhaus in Riehl im 24. Stock. „Aber da gab es keine Geschäfte, nicht einmal eine Zeitung konnte man in Reichweite kaufen. Man ist dort völlig auf ein Auto angewiesen“, erklärt sie.

Die Wohnung hat ihre Tochter vor acht Jahren für sie gekauft, auch als spätere Investition. Im Sommershof ist das kein seltenes Modell: Kinder kaufen für ihre Eltern. Der Altersschnitt im Haus ist dementsprechend eher hoch. Junge, rüstige Senioren schätzen die zentrale Wohnlage. Allerdings sind die Wohnungen auch verhältnismäßig klein und für Familien nicht wirklich geeignet. Die meisten der Apartments mit 36 oder 57 Quadratmetern sind eher auf Singles oder Paare zugeschnitten. Wenige Wohnungen haben eine Fläche von 73 oder 86 Quadratmetern. Die kleinen Apartments sind fast alle vermietet, die Hälfte der Wohnungen wird von den Eigentümern bewohnt.

Im Dezember 2012 zum Zeitpunkt des Kaufs, lag der Quadratmeterpreis ohne Tiefgarage bei 1000 Euro. Heute hat er das Dreieinhalbfache erreicht. Die Mieten liegen im Schnitt bei zwölf Euro. Bei einer Lage mit Rheinblick, die Karin Barlen genießt, wären auch 18 bis 20 Euro durchaus realistisch erzielbar. Das erklärt Rodenkirchens Immobilienexpertin Anja Senff, die im Sommershof selbst im Beirat aktiv ist.

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Bis vor einigen Jahren war der Wohnungsverkauf dennoch schwierig. „Der gesamte Hauskomplex wurde in Erbpacht gebaut. Die Käufer kaufen also nur die Wohnung, das Grundstück wird gepachtet. Für viele bedeutet dies eine Schwelle, denn sie erwerben zwar Eigentum, müssen aber dennoch monatlich eine Erbpacht zahlen“, erklärt Senff. Das hat sich allerdings in den letzten Jahren geändert, denn Immobilien sind rar und dementsprechend – Erbpacht hin oder her – heiß begehrt. Mit einem Hausmeister, Aufzug, Tiefgarage, Rolltreppen und Beleuchtung im Gebäudekomplex sind die Nebenkosten allerdings sehr hoch. Die Erbpacht, die auf 99 Jahre läuft, beträgt monatlich weitere 183 Euro im Monat. Dennoch gibt es nach Auskunft von Anja Senff in dem Gebäude nie einen Leerstand.

Leerstände im Geschäftsbereich

Anders sieht es in den Geschäftslokalen aus, der Sommershof, einst illustre Einkaufsmeile, hat derzeit einen hohen Leerstand zu beklagen. „Die Gewerbeeinheiten könnten alle vermietet sein. Viele Flächen stehen seit Jahren leer, obwohl es viele Interessenten gibt“, ärgert sich die Immobilienmaklerin und sieht den Grund in den jetzigen Eigentümern, der Darth White, einer Investmentfirma, die ihren Firmensitz auf Zypern hat und sich wenig um die Belange kümmere. „Die Kaltmieten sind zu hoch, die Nebenkosten im Gewerbebereich liegen mit sechs Euro pro Quadratmeter fast doppelt über dem städtischen Schnitt“, rechnet Senff vor. Dennoch wird sie nicht müde, in den Dialog mit den jetzigen Eigentümern zu treten, um Interessenten zu vermitteln. Ein fast 50 Jahre altes Haus ist natürlich reparaturanfällig. Mieter, Eigentümer und die wenigen Gewerbepächter leisten sich mit Bert Kern einen Hausmeister, der rund um die Uhr für alle vor Ort ist. 2017 wurde mit dem Tausch der Heizungsanlage ein erster Schritt in eine energetisch optimierte Zukunft getan.

Sonne von morgens bis abends

Die Rohre sind besonders reparaturanfällig. In sämtlichen neuen Miet- und Kaufverträgen ist deshalb festgehalten, dass bei Sanierung von Küche und Bad gleichzeitig sämtliche Steigleitungen erneuert werden. „So arbeiten wir uns sukzessive durch das Haus“, erklärt Hausmeister Kern. Karin Barlen sitzt derweil auf ihrem Balkon. Morgens empfängt sie die Sonne im Schlafzimmer, das mit einer eingezogenen Trennwand Privatsphäre zum Wohnraum bietet. Auch die Küche hat ihre Tochter ein Stück erweitert, damit sich die Seniorin frei bewegen kann. Wenn sie dann abends in ihrem Sessel im Wohnzimmer sitzt, kann sie dem Sonnenuntergang zuschauen. Sie wohnt eben ganz auf der Sonnenseite des Lebens – und das macht sie glücklich.

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