Kontrast und schrille FarbenKölner Fotograf lässt alte Menschen wieder scharf sehen

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Mann im karierten Jackett hält ein großes Foto von den Kranhäusern in der Hand.

Uwe Turek hat ein Konzept entwickelt, bei dem ältere Menschen Bilder wieder besser wahrnehmen können.

Uwe Turek entwickelt neue Konzepte bei der Gestaltung von Senioreneinrichtungen. Auch ein Seniorenhaus in Lindenthal hat er nun eingerichtet.

Fakt ist, dass das ‚ältere‘ Auge die farbliche Umgebung anders wahrnimmt als das Auge von jüngeren Menschen. Zahlreiche medizinische Studien belegen, dass mit zunehmendem Alter die Fähigkeit abnimmt, Farben voneinander zu unterscheiden.

„Farben erscheinen im Alter viel matter, farbloser und kontrastärmer. Die Umgebung wird von älteren Menschen wie durch Milchglas wahrgenommen“, sagt der Fotograf Uwe Turek aus Marienburg, der sich seit 15 Jahren mit dem Thema ‚Sehen im Alter‘ beschäftigt. „Obwohl dies unstrittig ist, nutzen nur wenige Seniorenheime die Chance, die Flure der Einrichtungen farblich an die Sehfähigkeiten der Einwohner anzupassen.“

Menschen sollen Bilder mit starken Farben und viel Kontrast besser wahrnehmen können

Der Anstoß kam durch seine Mutter, die ihr Leben lang eine hohe Affinität zum Wald hatte. Als sie nicht mehr Spazierengehen konnte, wollte der Sohn ihr den Wald ins Wohnzimmer holen. „Ich war mit meiner Kamera zu unterschiedlichen Tages- und Jahreszeiten im Wald, habe Lichtungen, Pilze und Tannenzapfen fotografiert und die Fotos dann im Großformat im Haus meiner Mutter aufgehängt“, erinnert sich der Kölner Fotograf. Doch der gewünschte Effekt sei ausgeblieben, sie habe weder die Tannenzapfen noch die Lichteffekte gesehen.

Aus dieser Erfahrung und Enttäuschung ist eine Mission entstanden:  Turek möchte durch seine farbstarken und kontrastreichen Fotografien älteren Menschen ihre Umgebung ins Zuhause holen und die Erinnerungen an alte Zeiten erlebbar machen.

„Mir ist der Bezug zur Heimat der alten Menschen sehr wichtig, da die wenigsten das Haus noch alleine verlassen können“, sagt Turek. Ein Schiff, zwei Möwen und ein paar Muscheln seien sehr beliebige Dekorationsmotive in Altenheimen und wirkten auf den langen Fluren immer lieblos und austauschbar. „Aber ein Flur, an dem man von Chlodwigplatz über die Severinstraße bis zum Dom spazieren kann, das weckt bei den Senioren Emotionen“, erzählt der Diplom-Designer, der jahrelang als Art-Director in einer Kölner Werbeagentur gearbeitet hat.

Mit Fotografien soll Heimat ins Seniorenhaus gebracht werden

Bei der Auswahl der Bildmotive und Themenkonzepte wird die jeweilige Heimleitung eng involviert. Turek will nicht dekorieren, sondern gestalten. Er hat unzählige themenbezogene Musterbücher, über den Wald, über Heilkräuter oder auch die Fußballstadien in den jeweiligen Städten.

„Mein Bildarchiv umfasst inzwischen 30.000 Fotos, die ich alle persönlich gemacht habe. Sollte aber eine Etage mit der Rodenkirchener Brücke oder dem Krieler Dom gewünscht sein, dann packe ich meine Kamera ein und ziehe los“, sagt der 65-Jährige, der in ganz Nordrhein-Westfalen unterwegs ist.

In einem Essener Seniorenheim hat er Etagen mit Fotos der Villa Hügel, der Margarethenhöhe und der Philharmonie, eine Natur-Etage mit dem Baldeneysee und Gruga Park und eine mit Impressionen der Zeche Zollverein gestaltet.

Seniorenhaus in Lindenthal lässt Flure neu gestalten

Im Cellitinnen-Seniorenhaus St. Anna in Köln-Lindenthal hat sich Turek gemeinsam mit Einrichtungsleiterin Marlies Gabriel für die Themen: Dorf, Wald, Berge und Meer entschieden. „Beim Aufhängen der Bilder mit Strand und Meer sagte eine Dame, die sonst kaum sprach, ‚isch jon en mie Zemmer un hol ming Badebutz‘“, erzählt Gabriel. Wenn solche Äußerungen kämen, dann habe sich die Investition gelohnt. „Die gezielte bildliche Gestaltung der Flure ist für unsere Bewohner wie eine Reise in ihre Vergangenheit, sie blühen förmlich auf und kommen auch untereinander ins Gespräch“, so Gabriel weiter.

Marlies Gabriel, Leiterin Seniorenhaus St. Anna in Lindenthal vor einer Fensterattrappe.

Marlies Gabriel, Leiterin Seniorenhaus St. Anna in Lindenthal vor einer Fensterattrappe.

Bei der Farbgestaltung in einem Seniorenheim spielt nicht nur das emotionale Wohlbefinden, sondern auch Sicherheit und Orientierung eine große Rolle. Deshalb hat sich Marlies Gabriel für die Folierung der Aufzugtüren und Treppenabgänge entschieden: „Unsere Bewohner sind 80 plus, viele sind dement und wollen permanent irgendwo hinlaufen. Um sie zu schützen haben wir die Stirnwände, Treppenhaustüren und Aufzüge mit Bildmotiven getarnt. Es hat sich bewährt.“

Für bettlägerige Patienten hat Uwe Turek zahlreiche Motive in Liegeposition fotografiert, die dann an der Decke über dem Bett befestigt und durch eine spezielle Rahmentechnik auch regelmäßig ausgetauscht werden können.

Turek, der in seiner Fotografen-Community den Spitznamen ‚King of Colors‘ trägt, hat ein Musterbuch mit dem Titel „Trilogie der Lebensfreude“ entwickelt, darin analysiert er die Wirkung von gelb, grün, blau oder blau auf den Gemütszustand der Betrachter. Deshalb, so betont er, sollten trübes Wetter, grauer Himmel oder bedrohliche Meereswellen bei der Flurgestaltung im Seniorenheim unterlassen werden.

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