Mit 18 Jahren ausgewandertSchneiderin schließt nach 40 Jahren ihr Änderungsatelier in Köln-Zollstock

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Eine Frau mit brünettem Pagenkopf und einer weißen Bluse steht hinter einer Ladentheke, hinter ihr hängen Kleider, eine Nähmaschine steht auf einem Tisch.

Soi Grigoriadu in ihrem Geschäft an der Vorgebirgstraße 200

Soi Grigoriadu kam mit 18 Jahren ins Rheinland, lernte hier ihren Mann kennen. Nach einem arbeitsreichen Leben will sie endlich wieder tanzen gehen.

An diesem Morgen verlässt eine Kundin die Schneiderei an der Vorgebirgstraße 200 mit einem großen Blumentopf in der Hand. Eine andere erkundigt sich nach Kleiderbügeln. In dem Eckladen von Soi Grigoriadu herrscht Endzeitstimmung. Menschen kommen und verschwinden mit dem letzten Inventar. Denn Zollstocks fleißige Schneiderin gibt ihren Laden auf – nach 40 Jahren. Es fällt der 79-Jährigen nicht leicht. Doch ihr Gedächtnis macht nicht mehr so richtig mit. Der Stress, jeden Tag im Laden zu stehen und ihrem Handwerk nachzugehen, ist mittlerweile einfach zu groß.

Bereits im Alter von 18 Jahren wanderte sie nach Deutschland aus. Das kleine Dorf im Norden Griechenlands in der Nähe von Thessaloniki war für die junge Frau zu eng: „Ich besuchte das Gymnasium in der nächsten Stadt Kozani“, erzählt sie. „Mein Vater sagte: Wenn Du sitzen bleibst, kommst Du zurück ins Dorf.“ Grigoriadu wurde nicht versetzt – und zurückbeordert. Da war sie 16 Jahre alt. Im Heimatdorf absolvierte sie eine Lehre bei einer Dorfschneiderin. Die Eltern waren streng. Abends herrschte Ausgehverbot. 

Grigoriadu hinterlässt traurige Stammkunden in Köln-Zollstock 

Dann schmiedete ihre acht Jahre ältere Schwester den Plan, mit ihrem Mann nach Deutschland zu ziehen. Als der krank wurde und das nicht konnte, ging sie allein. „Mein Vater hat mich dann gefragt, ob ich mit ihr gehen kann“, erzählt Grigoriadu. „Ich war begeistert.“ Die beiden jungen Frauen landeten zunächst in Hamburg. Doch der Schwager von Grigoriadus Schwester schlug vor, dass sie nach Köln ziehen. Er könne ihnen helfen, Arbeit und eine Wohnung zu finden. Das erste eigene Domizil befand sich in Bergisch Gladbach, wo die junge Schneiderin dann ihren Mann kennenlernte.

Sie trafen sich auf der Straße – und stammen zufällig aus Nachbardörfern.  Es folgten die Hochzeit, zwei Kinder und eine lange Zeit mit Näharbeiten im Hausatelier. 1983 öffnete Grigoriadu dann ihre eigene Änderungsschneiderei an der Vorgebirg-, Ecke Breniger Straße und erarbeite sich eine große und treue Stammkundschaft. Über die Jahre lernten die Schneiderin und ihre Kunden sich kennen, wurde das Verhältnis freundschaftlicher. „Eine Kundin möchte jetzt ein Buch schreiben“, erzählt Grigoriadu. „Ich soll auch darin vorkommen.“

Die Erinnerung an die Schneiderin und ihren Laden an der Straßenecke in Zollstock wird also bleiben. Dennoch ist die Trauer groß: „Ich weiß gar nicht, wo ich jetzt meine Kleidung ändern lasse“, klagt eine Kundin. „Wir waren immer sehr begeistert hier.“ Grigoriadu wird vielen fehlen. Aber sie hat jetzt andere Pläne: Ich habe zwei Enkelkinder und einen Urenkel. Um den kleinen Nico möchte sie sich jetzt einmal in der Woche kümmern, wenn seine Mutter arbeitet. „Ich werde auch viel lesen und Sudokus lösen, durch die Stadt bummeln und mir anschauen, welche Kleidung jetzt in ist“, sagt Grigoriadu. „Und vor allem werde ich jetzt tanzen gehen.“

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