IndustriegeschichteDie Schwebebahn hat ihren Ursprung in Köln

Eugen Langen hatte die Lösung für die Wuppertaler Verkehrsprobleme: Er entwickelte eine Schwebebahn zur Personenbeförderung.
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- Es ist fast in Vergessenheit geraten, dass in Mülheim einst Industriegeschichte geschrieben wurde.
- Ein Kölner Ingenieur hat vor über 100 Jahren das Konzept zur Schwebebahn patentieren lassen.
- Die damaligen Produktionsstätten liegen zwischen Deutz-Mülheimer Straße, Zoobrücke und Auenweg.
Köln –
Über die Jahrzehnte haben sich auch die Geräusche verändert. Vor mehr als 100 Jahren rappelten hier sonderbare Hochbahnen hin und her. Heute ist es das entfernte Rauschen der Autos auf der Zoobrücke, das unablässig durch zerborstene Fenster in die weitläufigen Fabrikhallen dringt. Wenn es regnet, fallen Tropfen durch das Dach auf den Boden, bilden Pfützen und Teppiche aus Grünspan. Hier und da haben sich größere Pflanzen angesiedelt.
Leer und ein bisschen unheimlich sind die fünf verlassenen und normalerweise verriegelten Produktionsstätten zwischen Deutz-Mülheimer Straße, Zoobrücke und Auenweg. Für Historiker ist es ein hochspannendes Terrain: Wo sich heute der Charme des Verfalls zwischen Backsteinmauern ausbreitet, wurde einst Industriegeschichte geschrieben.
Durch Zufall auf den Ort gestoßen
„Das ist eine kleine Sensation gewesen“, sagt Walter Buschmann über seine Entdeckung, die er vor mehr als zehn Jahren machte. Damals beschäftigte sich der 67-Jährige, der bis vor kurzem Referent für Technik und Industriedenkmäler beim Landschaftsverband Rheinland war, mit der Geschichte der Wuppertaler Schwebebahn. Gleichzeitig schaute er sich die Industriebrachen an der Deutz-Mülheimer Straße in Mülheim genauer an. Dabei fand Buschmann heraus, dass die Ursprünge der Schwebebahn in den fünf Fabrikhallen liegen, die zwischen 1888 und 1905 von der Eisenbahn-Waggonfabrik van der Zypen & Charlier errichtet wurden.
Teststrecke
Die fünf Fabrikhallen der Schwebebahn-Teststrecke stehen heute auf Entwicklungsgebiet, 500 neue Wohneinheiten sollen auf dem mehrere Hektar großen Gelände namens „Cologneo I“ (früher Euroforum Nord) entstehen. Die denkmalgeschützten Hallen sollen saniert und für gewerbliche Zwecke umgenutzt werden. Industriedenkmalpfleger Walter Buschmann hofft, dass der Hallencharakter erhalten bleibt.Den entscheidenden Hinweis für die Schwebebahn-Teststrecke bekam Buschmann im Planarchiv der Deutz AG an der Deutz-Mülheimer Straße. Doch die Deutz AG verlässt den Ort ihres Stammwerks in diesem Jahr. „Es ist zu befürchten, dass dabei nicht mehr benötigte Unterlagen entsorgt werden.“ (cht)
Durch Zufall also stieß Buschmann auf „einen der wichtigsten industriekulturellen Orte in Köln“. Jahrzehnte lang hatte sich niemand um diesen Ort gekümmert, die Waggon-Produktion wurde 1967 eingestellt. Und nach wie vor bekommen Passanten die Hallenfront nur von Weitem zu Gesicht, wenn sie durch ein Gittertor an der Deutz-Mülheimer Straße 129 schauen.
Neue Möglichkeiten für den damaligen Nahverkehr
Es war der Kölner Ingenieur und Fabrikant Eugen Langen, der sich 1893 eine „Hochbahn mit freischwebend hängenden Personenwagen“ patentieren ließ.
Langen war Teilhaber der Gasmotoren-Fabrik von Nicolaus August Otto, Aufsichtsratsvorsitzender der Maschinenfabrik Humboldt in Kalk und Zuckerfabrikant. Aber er war auch erfinderisch. Das Schwebebahn-System, das er in seinen Zuckerfabriken zum Materialtransport anwendete, wollte er auch zur Beförderung von Personen einsetzen.

Durch eine Öffnung fuhren die Bahnen ein und aus.
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Die modernen Zeiten schrien nach neuen Ideen: „Der immer dichter werdende Stadtverkehr des 19. Jahrhunderts machte es notwendig, neue Möglichkeiten für den Nahverkehr zu schaffen“, so Buschmann.Langen bildete zusammen mit van der Zypen & Charlier und der Elektrotechnikfirma Siemens-Schuckert ein Konsortium zur Entwicklung der Schwebebahn.
Auf dem Gelände von van der Zypen & Charlier, das in unmittelbarer Nachbarschaft zur Gasmotoren-Fabrik Deutz lag, wurde 1893 eine Teststrecke gebaut, von der es auch heute noch Überreste gibt. In einer der fünf Hallen sind zwei etwa zehn Meter lange Eisenschienen unter dem Dach zu sehen. Sie führen auf eine mittlerweile zugemauerte Öffnung, durch die vor mehr als 100 Jahren die Prototypen ein- und ausfuhren. „Wo genau die Teststrecke herführte, kann ich auch nicht sagen“, so Buschmann. Es habe sich aber um ein etwa 120 Meter langes Oval mit Anbindung an die Fabrikhalle gehandelt. „Dort konnte man die Probebahnen umbauen und effektivieren.“
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Im heutigen Mülheim, damals gehörte die Fabrik zum Stadtteil Deutz, sollte die neuartige Hängebahn, deren Räder erst an zwei, später nur noch an einer Schiene hingen und von Elektromotoren angetrieben wurden, getestet und potenziellen Kunden vorgestellt werden. Das Konsortium gründete sogar eine Vertriebsgesellschaft, die sich weltweit um Aufträge bemühte.
Aber nur die Städte Barmen und Elberfeld – später zu Wuppertal vereinigt – zeigten Interesse an Langens Konstruktion. Die Stadtvertreter sahen ein, dass die Verkehrsprobleme angesichts der engen Tallage und der schmalen Straßen nur mit einer Hochbahn gelöst werden konnten.

In einer der Hallen ist unter der Decke noch ein Teil der Teststrecke zu sehen.
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Eine Standhochbahn, wie es sie in Berlin gab, wäre zwar günstiger gewesen, aber die Schwebebahn mit ihren eisernen Tragkonstruktionen konnte filigraner ausgearbeitet werden. „Man befürchtete eine Verschandelung des Stadtbilds“, so Buschmann. Also entschieden sich Barmen und Elberfeld im Dezember 1894 für den Bau einer 13,3 Kilometer langen Schwebebahn-Strecke durch das Wuppertal bis nach Vohwinkel.
Fehlende Interessenten
1898 wurde mit dem Bau begonnen. Die Tragkonstruktion kam zwar nicht aus Mülheim, wohl aber die ersten Wagen. Sie bestanden nur aus Eisen und waren deshalb sehr fortschrittlich. In den Hallen an der Deutz-Mülheimer Straße standen wohl auch Presswerke, mit denen die Bleche in Form gebracht wurden.
Mit der Fertigstellung der Schwebebahn im Jahr 1903 war es vorbei mit der Mülheimer Testbahn, sie war überflüssig geworden. „Das Vorzeige-Projekt stand ja nun in Wuppertal“, sagt Buschmann. Weitere Interessenten für ein System zur Personenbeförderung fanden sich jedoch nicht. Nur in Dresden-Loschwitz entstand ein ähnliches Projekt, nur kleiner.

