„Am liebsten Lockdown“So reagieren Kölner Wirte auf 2G-plus in der Gastronomie

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Wirt Frank Markus vom Stapelhaus in der Kölner Altstadt

Köln – Der Hotel- und Gaststättenverband Nordrhein (Dehoga) hat sich empört über die neuen Pläne der Ministerpräsidentenkonferenz und des Bundes geäußert. Diese hat am Freitagnachmittag unter anderem eine Verschärfung der Corona-Regeln für die Gastronomie beschlossen. Demnach müssen Menschen, die nicht über eine Booster-Impfung verfügen, vor Betreten eines Restaurants oder einer Bar einen negativen aktuellen Corona-Test vorlegen müssen. „Das hat katastrophale Auswirkungen auf unsere Branche und kommt im Grunde einem Lockdown gleich“, sagte Dehoga-Geschäftsführer Christoph Becker im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. 

2G-plus in der Gastro: Unkelbach-Wirt will Betrieb auf Minimum herunterfahren

Viele Gastronomen hätten aktuell nur geöffnet, um Stammkunden zu bedienen und Mitarbeiter zu halten. Die Auflage, zu den Impfnachweisen nun auch noch Tests zu kontrollieren, könnte für viele Betriebe das Aus bedeuten. Während es in Großstädten wie Köln oder Düsseldorf zahlreiche Teststellen gebe, seien diese im ländlichen Raum rar gesät. „Viele Testcenter schließen um 18 Uhr, wer dann um 19 Uhr spontan beschließen will, noch essen zu gehen, schaut in die Röhre“, sagte Becker. Becker bestreitet, dass die Hotels und Gaststätten mit ihren Hygienekonzepte das Potenzial für eine verstärkte Ansteckung hätten. Die meisten Menschen würden sich im häuslichen Umfeld infizieren.

Für Wirt Alexander Manek vom Unkelbach in Sülz ist klar: „Wir fahren den Laden auf ein Drittel herunter, reduzieren das Personal auf ein Minimum, so dass wir nicht ganz so stark ins Minus geraten, der Rest geht dann in Kurzarbeit.“ Doch dann dürfe man auch keine Aushilfen mehr beschäftigen. „Das muss geklärt werden. Ich bin nur noch Krisenmanager. Eigentlich möchte ich nach zwei Jahren einfach nur wieder meinen Job machen.“ Wer stelle sich zwei Stunden für einen Test an, um zwei Bier zu trinken? „Am liebsten wäre uns, wenn wir sechs Wochen zu machen müssten, um dann wirklich wieder zu öffnen“, so Manek.

2G-plus für Kölner Altstadt-Wirt sicherstes Modell

Mit 2G-plus auf freiwilliger Basis fährt Kulisse-Wirt Philipp Anders aus der Altstadt hingegen schon seit Wochen gut. „Für mich ist das derzeit das Sicherste, was man machen kann“, so Anders. 

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Die Altstadt-Kneipe Kulisse

Die Gleichstellung des Boosters mit dem Schnelltest dürfte dafür sorgen, dass die Testkapazitäten nicht im selben Maßen strapaziert werden, dennoch ist diese Regelung für viele Wirte eine zusätzliche Hürde im ohnehin schwierigen Wintergeschäft.

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Für Altstadt-Wirt Frank Markus bedeutet 2G-plus eine erneute Verschlechterung seines schleppend laufenden Betriebs in der Altstadt, die im Vergleich zu den Veedeln noch mehr unter den Folgen der Pandemie leidet, weil sie in erster Linie von Touristen profitiert. „Das ist katastrophal“, so Markus. Nun drohe auch noch, dass die letzte Laufkundschaft wegbleibt.

Man müsse unterscheiden, ob es sich um ein Imbiss handelt, wo man schnell zu Mittag isst, ein Restaurant oder ob man ein Kneipenhopping am Wochenende plane, sagt Till Riekenbrauk vom Interessenverband Gastro.

Bei Barhopping sei 2G-plus gut, für Restaurants nicht

Im ersten Fall sei die Hürde viel höher. Dass das „plus“ nun auch für den Booster steht, sei gut, „weil die Booster-Quote recht hoch ist und Köln mit der Impfquote sowieso ganz gut dasteht“.

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Till Riekenbrauk

Unter den Wirten gebe es die Fraktion, die froh sei, dass sie überhaupt geöffnet haben; andere hingegen erreichen so langsam den Punkt, an dem sie einen Lockdown bevorzugen würden, weil sie dann auf bessere Hilfen hoffen können, so Riekenbrauk. „Diese Situation ist gerade die wirtschaftlich schwierigste in der ganzen Pandemie, sonst war entweder auf oder zu. Andererseits ist heute die Überbrückungshilfe IV herausgekommen, mit der man auch Hilfe erhält, wenn man freiwillig schließt, wenn man nachweisen kann, dass 2G zu Umsatzeinbußen geführt hat.“

Wirte aus dem Belgischen Viertel stehen vor kommunikativem Problem

Was bedeutet die jüngste Entscheidung für die rund 20 Lokale aus dem Belgischen Viertel, die seit November freiwillig auf 2G-plus umgestiegen sind? Nehmen sie die Erleichterung mit dem Booster mit? Das werde intern derzeit noch diskutiert, teilt Jens Ponke von der „Wohngemeinschaft“ auf Anfrage mit. Für die Wirte ergebe sich jedenfalls nun ein „kommunikatives Problem“: Wenn „die Wirte ihre eigene Verschärfung zurücknehmen und die aus unserer Sicht etwas weniger sichere Lösung übernehmen“, dann stünden sie „vor dem erneuten Problem, den Gästen zu erklären, warum wir das anders machen“, so Ponke.

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