Starkstrom und SprengstoffAC/DC schütteln 80.000 Zuschauer auf Kölner Jahnwiesen durch

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Von wegen altes Eisen: AC/DC geben auf der Bühne alles.

Von wegen altes Eisen: AC/DC geben auf der Bühne alles.

Der Kontrast zwischen Ty Taylor und Brian Johnson könnte kaum größer sein. Taylor, der Sänger der hervorragenden amerikanischen Vorgruppe Vintage Trouble, erinnert auf den Kölner Jahnwiesen nicht nur mit seiner Stimme an den jungen James Brown, er sieht auch unverschämt gut aus mit dem eleganten dunkelblauen Anzug und dem hellblauen Rüschenhemd. Brian Johnson bevorzugt dagegen den schmucklosen Auftritt: schwarze Jeans, schwarzes T-Shirt, Schiebermütze. Das passt, wenn man so will, zum Selbstverständnis seiner Band. 

Schmucklos, laut und gut

Bei AC/DC ging es noch niemals darum, einen Schönheitspreis zu gewinnen. Das Kerngeschäft seit der Bandgründung vor mehr als 40 Jahren ist viel mehr solide Wertarbeit: schnörkellose und tierisch laute Gitarrenriffs, dazu eine von tausenden Konzerten und noch viel mehr Zigaretten gezeichnete Stimme.  Während andere Menschen im fortgeschrittenen Alter ihr Wohnzimmer mit einer Schrankwand "Eiche rustikal" dekorieren, stellen AC/DC auf ganzer Bühnenbreite eine dreigeschossige Batterie von Marshall-Verstärkertürmen hin. Die Botschaft ist klar: Leise, langsam und mit gebremster Kraft mag diese Band nicht spielen. Sie könnte es wohl auch nur, wenn man  Sologitarrist Angus Young, diesen hyperaktiven Duracell-Hasen des Rock'n'Roll, irgendwo festbinden würde.  

Rock or Bust

Das Repertoire der Band hat sich seit dem Kölner Konzert vor sechs Jahren, nebenan im Stadion, nur minimal verändert, mal abgesehen davon, dass der Titelsong des aktuellen Albums "Rock or Bust" den Abend um viertel vor Neun eröffnet. Die Abfolge der Songs  - 18 Stücke im regulären Set, sodann "Highway to Hell" und "For Those About To Rock" als Zugaben - war bislang auf allen Konzerten der Anfang Mai gestarteten Europatour identisch.  

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Die einzige Unwägbarkeit ist daher die Frage, ob Angus in der Garderobe in Köln nun die rote oder die dunkelblaue Schuluniform aus dem Spind holt (die Antwort ist: blau). Der Auftritt in kurzen Hosen und mit schiefsitzender Krawatte gehört zur AC/DC-Folklore ebenso wie die aus dem Bühnenhimmel abgeseilte Riesenglocke (bei "Hell's Bells") und den, sagen wir es doch mal hardrock-sexistisch, Riesenglocken der wahrscheinlich größten Gummipuppe der Welt. Das dralle Mädchen mit den Strapsen und den Dollarscheinen im Nylonstrumpf macht es sich zu "Whole Lotta Rosie" auf den Verstärkertürmen bequem, schüttelt, was sie hat, und ist, im Gegensatz zu den fünf winzig wirkenden Musikern, auch für die Zuschauer hinter dem dritten Wellenbrecher gut zu sehen.  

Die Energie überbrückt mehrere Fußballfelder

Das macht aber nichts, denn die Energie, die AC/DC auf der Jahnwiese versprühen, überbrückt mühelos mehrere Fußballfelder und erfasst (dank des für ein Open-air-Konzert überraschend druckvollen Livesounds) auch die Fans, die auf dem weitläufigen Gelände ganz hinten stehen. Das Bier fließt dort zwar in Strömen, ausgeschenkt in grenzwertigen 1-Liter-Plastikbechern, doch es gibt kaum Rempeleien oder schlechte Schwingungen. Bei jedem Bundesligaspiel geht es aggressiver zu.  

Neben der Hommage an die sexuell selbstbewusste Frau ("You Shook Me All Night Long" vom legendären "Back in Black"-Album) werden vor allem jene Songs gefeiert, in denen AC/DC ihre Musik mit Naturgewalten, Starkstrom oder Sprengstoff gleichsetzen. Dabei scheinen "Thunderstruck", "High Voltage" und "T.N.T." aus einem Parallel-Australien jenseits der Zeitleiste zu kommen, unmöglich zu sagen, welcher Song nun 1975 und welcher 1990 aufgenommen wurde.  

Am Ende sind die Unterschiede zwischen Vintage Trouble und AC/DC dann doch nur marginal.  Beide Bands speisen sich aus den gleichen Quellen, dem amerikanischen Blues und frühen Rock'n'Roll.  Auch Ty Taylor wird am Ende seines Auftritts, nach einer für eine Vorgruppe fast schon tollkühnen Stagediving-Einlage, gefeiert und vom Publikum auf Händen getragen. Der alte Kalauer stimmt also doch: Es kommt nicht auf die Hose an, die jemand trägt, sondern auf das Herz, das darin schlägt.

Weiteres Konzert in NRW: Gelsenkirchen, 12. Juli 

Die Songs in Köln

- Rock or Bust

- Shoot to Thrill

- Hell Ain't A Bad Place To Be

- Back In Black

- Play Ball 

- Dirty Deeds Done Dirt Cheap

- Thunderstruck

- High Voltage

- Rock'n'Roll Train

- Hell's Bells

- Baptism by Fire

- You Shook Me All Night Long

- Sin City

- Shot Down in Flames

- Have A Drink On Me

- T.N.T.

- Whola Lotta Rosie

- Let There Be Rock

- Highway to Hell *

- For Those About to Rock* 

* Zugaben

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