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Veedels-CheckBocklemünd-Mengenich ist ein gutes Pflaster zum Älterwerden

Lesezeit 5 Minuten
Bocklemünd

Das Veedel ist geprägt von der Hochhaus-Architektur der Sechziger Jahre.

Köln – Hält man im Jahr 2018 zusammen in den Veedeln? Gibt es sie noch, die typisch kölschen Veedel? Mehr als 30.000 Kölner haben sich an unserer nicht repräsentativen Umfrage beteiligt und Noten für Ihre Stadtteile verteilt. Alle 14 Tage veröffentlichen wir die Ergebnisse von fünf weiteren Veedeln.

Die Ergebnisse zu den bislang veröffentlichten Stadtteilen mit Bewertungen zu den Themen Verkehr, Einkaufen, Sicherheit und vielem mehr finden Sie hier.

Bocklemünd-Mengenich im Porträt

Wer Bocklemünd sagt, muss auch Mengenich sagen. Seit 1950 werden die beiden früheren Dörfer verwaltungstechnisch als Einheit betrachtet. Spätestens mit dem Bau der Großsiedlung in den 1960er Jahren sind Bocklemünd und Mengenich noch enger zusammengewachsen. Meistens sagen die Einwohner „Bockes“ oder „Bocklebeach“, wenn sie ihr Veedel meinen.

Unterschiede sind geblieben. Grob wird der Stadtteil, in dem gut 10.000 Menschen leben, in einen alten und einen neuen unterteilt. Der neue Teil, die Siedlung mit der Fußgängerzone Görlinger Zentrum als Mittelpunkt, ist freilich auch schon mehr als 50 Jahre alt. Gerade dem Zentrum sieht man das Alter gar nicht mal so sehr an. Die prägenden Hochhäuser der GAG sind kernsaniert, auch andere Wohnungsgesellschaften haben inzwischen ihre Wohnanlagen modernisiert. Die Fußgängerzone ist seit 2012 ebenfalls runderneuert.

Zudem wurde vor kurzem die Neugestaltung des Grünzuges offiziell abgeschlossen. Auf neuen Spazierwegen können Bewohner und Besucher das Viertel durchqueren. Die Kölner Grünstiftung hat hier maßgeblich mit Sponsoren mitgewirkt. Im Rahmen einer Bürgerwerkstatt konnten die Bewohner Ideen, Wünsche und Vorschläge beitragen. Das „Vogelwäldchen“ präsentiert sich seitdem einladender, Schmuddelecken in Gebüschen verschwanden und etliche neue Bäume wurden gesetzt, darunter viele Obstbäume, von deren Früchten jedermann naschen darf.

Stadtteil mit den meisten Dorfstraßen

Mit gewissem Stolz pflegen die Bewohner der jeweils älteren Teile von Bocklemünd und Mengenich ihr Ortsbild. Immerhin hält Mengenich den Rekord, der Stadtteil mit den meisten Dorfstraßen zu sein: Es gibt zwei: die Obere und die Untere Dorfstraße. Der Bürgerverein kümmert sich satzungsgemäß um „Förderung von Bildung, Erziehung, Kunst und Kultur, des Umwelt-, Landschafts- und Denkmalschutzes, der Jugend- und Altenhilfe, des Sports und die Unterstützung hilfsbedürftiger Personen“. Mehr als 200 Mitglieder hat der 1990 gegründete Verein.

Die Mitgliederversammlungen sind gut besucht. Es wird nicht nur über allgemeine Themen – wie die Auswirkungen des Umbaus des Autobahnkreuzes Köln-Nord auf die Verkehrssituation im Stadtteil – geredet. Auch Dinge, die konkret einzelne Hausbesitzer angehen, stehen auf der Tagesordnung. Beispielsweise ein Vortrag von Experten der Stadtentwässerungsbetriebe zur Frage, ob der Einbau eines Rückstauschutzes im häuslichen Abwasserkanal angeraten ist oder nicht. Die Aktivitäten des Bürgervereins sind sogar im Ortsbild sichtbar. Etwa die jährliche „Putzmunter“-Aktion, bei der wilder Müll im gesamten Stadtteil aufgesammelt wird. Die Schulen im Ort und die Siedler-Interessengemeinschaft helfen tatkräftig mit. „Es tummeln sich dann einige Dutzend Menschen mit Greifzangen, Schubkarren und Mülltüten ausgerüstet im Viertel“, berichtet der stellvertretende Vorsitzende Egbert Thon.

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An der Nattermann-Allee fällt eine Schrankenanlage auf. Die vom Bürgerverein mit Honorarkräften bediente Barriere soll den Schleichverkehr durch den Ort unterbinden. Die Tatsache, dass etliche Autofahrer die häufigen Staus am Knotenpunkt Venloer Straße/Militärringstraße meiden, indem sie quer durch die Wohnstraßen fahren, ist ein Thema, das die Bocklemünder schon seit Jahrzehnten umtreibt. Vor dem ehemaligen „Lärchenhof“ an der Grevenbroicher Straße, einem von mehreren historischen Hofgütern, die noch erhalten sind, kümmert sich der Verein um das „Bürgerplätzchen“. Der einstige Mittelpunkt des alten Ortsteils hat zwar kaum noch Geschäfte, aber zumindest locken ein öffentlicher Bücherschrank und regelmäßige Veranstaltungen, wie das Maibaumaufstellen, die Menschen in das dörfliche Zentrum. Auch der jährliche Schützenzug und die Karnevalsjecken ziehen am Bürgerplätzchen vorbei. Wunsch des Vereins wäre es, wenn Besucher oder gar Touristen durch den Ort ziehen auf einem „Historischen Wanderweg“ an den zahlreichen denkmalwürdigen alten Gebäuden vorbei.

Ein Markt für Alle

Der eigentliche Treffpunkt aller, die in Bocklemünd-Mengenich leben, ist indes der Markt in der Fußgängerzone Görlinger Zentrum. Jeden Donnerstagvormittag trifft man sich beim Einkauf und beim Austausch von Neuigkeiten. Nicht von ungefähr hat das Bürgerschaftshaus seinen „Reibekuchen-Treff“ auf genau diesen Tag gelegt.

Und für das Seniorennetzwerk Bocklemünd konnte es ebenfalls keinen besseren Termin geben, für den wöchentlichen Singkreis, bei dem jeder willkommen ist. Donnerstags haben die musikbegeisterten Senioren stets ein dankbares Publikum, wenn sie zum spontanen Konzert in die Fußgängerzone ziehen. Martin Herrmann geht dabei mit Gitarre voran, gibt nur Tonart und Takt vor: „Was wir anbieten, ist ein freudiges Singen. Es gibt kein richtig oder falsch dabei“, sagt der Musiker.

„Es wird eine Menge für uns getan“, sagt Margot Gehrmann. Außer Singen gibt es unter anderem einen regelmäßigen Tanzkreis, Qi Gong und Pilates-Kurse, ebenso Sturzprophylaxe und ein Kaffeekränzchen für Demenzkranke. Fürs Älterwerden scheint Bocklemünd-Mengenich sogar ein richtig gutes Pflaster zu sein.

Über richtig oder falsch denkt dagegen Antonio Pizzulli schon nach. Der Sozialarbeiter steht vor dem Jugendtreff „Bocklebeach“ der Katholischen Jugendagentur und beobachtet Gärtner, die den öden Boden um zwei Straßenbäume im Görlinger Zentrum in Beete verwandeln. Er findet es richtig, das Straßenbild auf diese Weise ein wenig aufzuhübschen. Wie lange die Pracht halten wird, weiß er selbst nicht. Ähnliche Aktivitäten waren in der Vergangenheit nicht von langer Dauer. „Man muss da schon drauf Acht geben, dass es schön bleibt“, sagt Pizzulli.

Falsch findet er dagegen, dass immer wieder Autos mitten in der Fußgängerzone geparkt werden. „Die Politessen drücken sogar ein Auge zu, und die meisten Passanten scheint es auch nicht zu stören“, ärgert sich Pizzulli.

Für die Bocklemünder Ratsfrau Monika Schultes, langjährige Leiterin des Bürgerschaftshauses und Vorsitzende der Sieder-Interessengemeinschaft, existiert derzeit nur ein Ärgernis im Veedel. Ein Kiosk mitten in der Fußgängerzone hat rund um die Uhr geöffnet. Zum Leidwesen der direkten Nachbarn, denn dort herrsche „immer Halligalli“. Man müsse eine Lösung finden, sagt die Sozialdemokratin.

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