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Veedels-CheckKlettenberg ist top – bis auf Parkplätze

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Bäume und Häuserfassaden in Klettenberg

Stilvolle Häuserfassaden in Klettenberg

Klettenberg – Andere Straßen machen einfach eine Kurve. Die Siebengebirgsallee verläuft in einem eleganten Bogen. Sie ist stilgebend für das Stadtviertel. Während das benachbarte Sülz irgendwie gewachsen ist, wurde der größte Teil von Klettenberg zwischen Luxemburger Straße, Gottesweg und Geisbergstraße Anfang des 20. Jahrhunderts mehr angelegt als gebaut, nach einem Entwurf von Stadtbaurat Carl Steuernagel. Entstanden ist ein Stück Baukultur, geprägt vom Jugendstil, von verspielten Häuserfassaden, neoromantischen Säulen und barocken Schnecken. Auch Kölns berühmter Gartenbaudirektor Fritz Encke hinterließ seine Handschrift, setzte Trompetenbäume an die Heisterbachstraße, Rotdorn an die Petersbergstraße, Birken an die Lohrbergstraße und kreierte den Klettenbergpark als botanisch-geologischen Lehrpfad für die Besucher mit ausgewählten Gesteinen und Pflanzen.

Die architektonische Extravaganz mit Vorgartenpflicht war nicht nur aus finanziellen Gründen klar dem Bürgertum vorbehalten. Sie spiegelte sein Selbstverständnis. Stadtführer und Geograf Bruno Knopp, der regelmäßig Menschen durch Sülz und Klettenberg führt, ist bei seinen Forschungen auf eine wissenschaftliche Abhandlung zu „krummen Straßen“ gestoßen, wie die Siebengebirgsallee eine ist. „Solche Straßen waren laut einer Dissertation Ausdruck der wachsenden Bedeutung einer naturgeprägten Ästhetik und einer Kultur, über die das Bürgertum sich spätestens seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert identifiziert hat“, erläutert er. Der Klettenberger Jugendstil war die passende Fassade für das bürgerliche Leben, das dahinter herrscht und seitdem dort zu Hause ist – auch wenn sie sich im Laufe der Zeit doch immer wieder wandelte.

Wer in den vergangenen Jahrzehnten wann und warum kam, wissen Nora und Manfred Ruland. Die beiden gebürtigen Dürener übernahmen in den 1980er Jahren die Buchhandlung Olitzky – einen der wichtigsten Treffpunkte der Bildungsbürger im Viertel. Damals waren die hochherrschaftlichen Häuser in die Jahre gekommen, Wohnraum war üppig vorhanden, die Mieten vergleichsweise bezahlbar.

„In den 80er Jahren kamen erst einmal die Lehrer“, erzählt Manfred Ruland. Der Zuzug dieser Berufsgruppe nach Klettenberg sei sogar in der Stunksitzung thematisiert worden. „Sie übernahmen die großen Wohnungen der Professorenwitwen nebst Kohleofen und fuhren einen roten Passat“, sagt Ruland und lacht. Das Justizzentrum habe eine gewisse Rolle gespielt, Anwälte und Richter nach Klettenberg gelockt. Dieser Zustrom sei aber im Vergleich zu anderen gering gewesen, beispielsweise zu dem, den Kölner Sender verursacht haben. Manfred Ruland erinnert sich genau: „Der WDR war sehr stark vertreten. In der Regel wohnten im Erdgeschoss die Hauseigentümer. Die Mitarbeiter des WDR zogen dann in die zweite Etage und RTL immer ins Dachgeschoss.“

Theaterintendanten, Literaturprofessoren gesellten sich dazu. Es wurde eine glamourös-bürgerliche Mischung, die sehr lustig sein konnte. „Als es noch das literarische Quartett gab, war hier samstagmorgens richtig was los“, erzählt Ruland. „Hier wurde sich richtig gefetzt.“ Nora Ruland ergänzt: „Da gab es schöne Szenen. Leute standen hier und mäkelten, dass sie keinesfalls das Buch kaufen wollten, das Reich-Ranicki verrissen hatte. Und genau dann kam jemand herein, der es unbedingt deswegen haben wollte.“ Das Buchhändler-Ehepaar sorgte für Gesprächsstoff mit seinen Büchern und den Veranstaltungen, die es mit dem Kultursalon Freiraum und dem Forum Klettenberg im Viertel organisiert, wo regelmäßig namhafte Autoren wie Rafik Schami zu Gast sind. Mancher Schriftsteller, dessen Werke in den Regalen der Buchhandlung liegen, ist im Viertel zu Hause, ebenso wie Musiker, die im Kultursalon Freiraum Konzerte gebe, und Künstler, die dort ihre Werke zeigen.

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Wenn sich die Klettenberger nicht bei einer kulturellen Veranstaltung treffen, dann tun sie das auf dem Wochenmarkt, der mittwochs und samstags auf dem Klettenberggürtel stattfindet und für sein kulinarisches Angebot bekannt ist. So mancher Veedelsbewohner steht extra früh auf, um das frische Baguette und die Croissants bei dem französischen Bäcker zu kaufen, bevor die Masse den Stand stürmt, und trinkt vor Ort auch gleich einen guten italienischen Kaffee. Fräulein Zuckerfee ist mit ihren französischen Patisserie-Spezialitäten vor Ort und die Käsesammlungen in der Kühltheke entsprechender Händler können sich sehen lassen. Gutes Essen ist den Veedelsbewohnern ebenso wichtig wie ein passender Wein oder kaltes Kölsch. Die Klettenberger Seite des Gotteswegs hat sich zu einer Gastromeile gemausert.

Von der Pizzeria über ein Edelbistro, kölsche Küche bis hin zum Sternerestaurant reicht das Angebot. Doch die Stammtheke der Alteingesessenen, das zweite Wohnzimmer der Fußballfans und die Karnevalshochburg, liegt direkt im Herzen von Klettenberg, Ecke Petersbergstraße, Siebengebirgsallee: Der Petersberger Hof ist Keimzelle so mancher Veedels-Initiative. Gerade erst ist um den Wirt Chris Epting der Familienverein „Dreimol vun Hätze“ entstanden. Vereinszweck: Die Pflege des kölschen Brauchtums, der Kultur und der Grünanlagen im Veedel. Denn wer im schönen Klettenberg wohnt, hat auch etwas zu verlieren.

Zwei Anwohner, Christine Kramer und Theo Stoffele, haben deswegen mit anderen engagierten Viertelsbewohnern ein Team gegründet, das den Rosengarten im Klettenbergpark pflegt. Mit ihrer Initiative „Wir in Sülz/Klettenberg“ setzen sie sich auch gegen die verbotene Umwandlung der Vorgärten in Autostellplätze, gegen Bürgersteigparken und unansehnliche Abfallcontainer auf Wegen und Plätzen zur Wehr. Die schönen Straßenzüge sollten den Menschen im Viertel vorbehalten sein, findet Kramer. Schließlich gäbe es nirgendwo in Köln so lauschige Ecken wie in Klettenberg, beispielsweise dort, wo Heisterbach-, Stenzelbergstraße und Siebengebirgsallee aufeinandertreffen, drei riesige Kastanien beieinanderstehen und der Weinhändler Dieckmann seinen Laden hat. „Er sollte einmal ein paar Fläschchen nach draußen stellen“, meint Kramer, „und eine Band leise Jazzmusik spielen.“ Das wäre eine Gelegenheit für alteingesessene und neuzugezogene Klettenberger, miteinander ins Gespräch zu kommen. Denn Neulinge im Viertel gibt es viele. „Ich habe das Gefühl, dass alle hier wohnen wollen – trotz der hohen Mieten“, so Kramer.

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