Verstörende Szenen im Ghetto

Eine von 17 Stationen des Schauspiels: An einer Mauer auf dem Schulhofgelände treten die Darsteller zum Appell an.
Copyright: Bernd Schöneck
Niehl – Die gezeigten Szenen waren höchst verstörend und regten zum Nachdenken an. „Sarah ist jetzt mit 50 Jahren gestorben – das ist ein halbes Jahrhundert! So alt möchte ich auch mal werden“, sagt ein Mädchen aus dem Warschauer Ghetto zum anderen. „Aber so alt wird von uns ohnehin kaum einer.“ Kurze Zeit später stehen Mädchen und Jungen, ausgemergelt, verdreckt und fröstelnd, an einer Schulmauer aufgereiht; sie treten zum Appell an, stellen sich mit Namen und Alter vor. „Schneller, schneller! Noch schneller!“ brüllt der Aufseher, der zugleich die Besucher des Stückes, das jetzt der Deutsch-Theaterkurs am Erich-Kästner-Gymnasium (EKG) zeigte, auf einer Rundtour leitet.
An einer weiteren Station sieht man ein Mädchen und einen Jungen, die sich trotz Ausgangssperre auf der Straße aufhalten und spielen. Die Mutter eilt herbei, doch es ist zu spät: Ein Wachmann nimmt beide fest – und stellt die Mutter vor die grausame Wahl, welches ihrer beiden Kinder sie zurückhaben will. Als sie zögert und mit sich ringt, nimmt er beide mit.
Zum 75. Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz hatten die Schüler ein unter die Haut gehendes Stück inszeniert: „Einen Schmetterling habe ich hier nicht gesehen“, geschrieben von Lilly Axter nach Original-Aufzeichnungen aus jüdischen Ghettos.

„Ob sich die Nachwelt an uns erinnern wird?“: die Schluss-Szene
Copyright: Bernd Schöneck
Das rund 40-minütige Stück mit 17 Stationen auf dem Schulgelände zeigten sie an zwei Tagen insgesamt sechsmal. Und das taten sie auf beeindruckende, lebensechte Weise. Im Vorjahr hatte sich die Schule dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ angeschlossen und hierfür auch ein eigenes Logo entworfen. „Wir reagieren mit dem Stück auch auf den europaweit aufkommenden Rechtspopulismus und den Synagogen-Anschlag von Halle“, erläuterte der Deutsch-, Politik- und Literaturlehrer Felix Mutter, der das Projekt leitete.
Auch die Wahl der Spielorte unterstrich die düstere Atmosphäre des Stückes: „Wir haben bewusst die hässlicheren Orte der Schule gewählt – jene, an denen man sich nicht aufhält oder die man schnell durchquert.“ So ging es durch Notausgänge über Wirtschaftsflure, Technikräume und durch Hinterhöfe; sogar in einem Belüftungsschacht wurde gespielt. Im Foyer, dem Start- und Zielort der Rundtour, erntete das Ensemble viel Applaus. Ein düsteres Werk, sensibel umgesetzt.