„Zärtlichkeit und Autorität“Was die Ausrufe von Hundehaltern so besonders macht

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Verena hahn

Verena Hahn sammelt die Ausrufe von Menschen.

  • Wie reagieren wildfremde Kölner – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt?
  • Unsere Autorin hat in dieser Folge „Zwei Kaffee” Verena Hahn getroffen. Sie sammelt Ausrufe von Menschen.
  • Im Gespräch erzählt sie, wie unterschiedlich Menschen rufen – und was Rufe von Hundebesitzern so besonders macht.

Im ersten Moment denke ich, die junge Frau hat einen von diesen Plüschbömmeln am Smartphone baumeln, wie man sie seit einiger Zeit nicht nur an Mützen, sondern auch als Verzierung von Handtaschen oder Geldbörsen sieht. Beim zweiten Blick entpuppt sich der tennisballgroße, graue Puschel als Aufsatz von einem kleinen Aufnahmegerät.

Ich begegne Verena Hahn am Alter Markt, wo ich wegen einer Menschentraube schlussfolgere, sie mache eine Art von akustischem Gratulationsdokument. Wenig später weiß ich, dass sie Brautpaare nicht interessieren. Die 27-Jährige ist als Klangfängerin unterwegs und hatte ihr Mikrofon eine halbe Stunde zuvor in eine Gruppe von Demonstranten gehalten.

Nachdem wir uns mit Blick auf das Historische Rathaus vorm Café Extrablatt niedergelassen haben, erzählt mir die Kommunikationsdesignerin von ihrem Projekt. Es geht ihr nicht um beliebige urbane Klänge, ihr Thema sei das Rufen. Hintergrund ist – verkürzt gesagt – der Umstand, dass sie und eine Kölner Freundin, die Musikerin und Sängerin Elisa Kühnel, im Düsseldorfer Museum Kunstpalast „eine Stunde geschenkt bekommen“ hätten – 60 Minuten, die sie „mit irgendeiner Art von Hörprogramm füllen“ durften.

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Für beide stand schnell fest, dass das Rufen ein spannendes Thema sei, weil es da unendlich viele verschiedene Varianten gebe. „Tatsächlich?“, frage ich. Hahn lächelt, nickt und erzählt von ihren Recherchen in Archiven von Musikethnologen – unter anderem im Berliner Phonogramm-Museum – und ihrer Begeisterung für die unterschiedlichsten Arten von Klangaufnahmen. Da sie selber einen Teil ihres Studiums in Den Haag absolviert habe und nach wie vor dort wohne, sei es naheliegend gewesen, den dortigen Marktschreiern das Mikrofon unter die Nase zu halten. „Die haben so einen ganz speziellen Rhythmus.“

Regengesänge, Marktschreie und Protestrufe

Ihr inzwischen einstündiges Dokument enthält unter anderem den Regengesang einer indonesischen Volksgruppe, den Singsang von Ruderern in China, „die ein Boot durch einen schwierigen Fluss bringen mussten“, Protestgesänge aus Hongkong, griechische Klagerufe, Marktschreier aus Kalkutta oder Gesänge aus der Fankurve von...“ – ich schaue sie mit diesem Sag-jetzt-bloß-das-richtige-Blick an, aber er hilft nicht – „...KFC Uerdingen“, beendet sie den Satz. Ich schlage die Hände vors Gesicht, und sie gibt zerknirscht zu Protokoll, dass sie aus Kempen am Niederrhein stammt. Dann erzählt sie von ihrem Kurztrip nach Istanbul, der einzig und allein dazu diente, einen Muezzin-Ruf bei Sonnenaufgang aufzunehmen.

Der ganz spezielle Ruf nach dem Hund

„Und was haben Sie Hübsches in Köln eingefangen?“, frage ich und denke dabei an das Mantra des Brauhaus-Köbes „Krisse noch’n kölsch?“ Hahn lacht und schildert ihre erfolgreiche Mission auf einer Hundewiese. „Das war total interessant.“ Ihr sei bisher nicht klar gewesen, „dass Hunde inzwischen fast alle Menschennamen haben“, aber dass der Ruf nach dem Hund ganz anders klinge, als der nach einem Kind. „Das ist so eine Mischung aus Zärtlichkeit und Autorität.“ Ihr Ton-Dokument enthalte vier Minuten lang ausschließlich die Rufe nach Vierbeinern und zwischendurch mal Ansagen wie: „Du sollst dich nicht wälzen“ oder „Isch schpresch mit meine ’und nur fransösisch“.

Als sie mir von einem weiteren akustischen Schatz erzählt, den unterschiedlichen Jodlern, die sie ihrem Besuch im Völkerkundemuseum in Zürich verdankt, will ich natürlich unbedingt wissen, ob man ihr Dokument irgendwo hören kann. Die Stunde im Museum Kunstpalast sei leider schon gewesen. Aber man könne ihr Projekt in Kürze im Onlineradio „Callshop Radio“ hören. Es heiße: „I just called...“ Und sie selber wird mit ihrer Rufe-Sammelei fortfahren.

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