Ausstellung in KölnAbgründe der globalen Textilproduktion im Rautenstrauch-Joest

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Auf einem T-Shirt werden die Produktionsbedingungen und die Preispolitik bei Billigtextilien angeprangert. Die Ausstellung «Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode» ist im Rautenstrauch-Joest-Museum zu sehen.

Köln – Die Kleider möchte man sich nach dem Besuch dieser Ausstellung vom Leib reißen und sie ganz hinten im Kleiderschrank verstecken. Die womöglich sandgestrahlte Jeans, deren Herstellung einem Arbeiter in Indien, Pakistan oder Bangladesch Bronchien und Lunge ruiniert haben könnten. Das T-Shirt aus Honduras oder Vietnam. Die Regenjacke, wetterfest gemacht mit einem Mix aus gefährlichen Chemikalien.

Lösungsansätze inklusive

Nein, eine Modenschau der üblichen Art ist die Ausstellung „Fast Fashion – Die Schattenseiten der Mode“ im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum gewiss nicht. Knallhart kommt in dieser hochkritischen Schau herüber, was alles schiefläuft in einer konsumorientierten Welt, in der ein T-Shirt oft billiger ist als ein Latte macchiato. Gleichzeitig werden in „Slow Fashion“, dem zweiten Teil der Ausstellung, mögliche Lösungsansätze aufgezeigt.

Gesundheitsprobleme und eine nachhaltig geschädigte Umwelt sind der Preis für die Massenherstellung von Billigkleidung, den vor allem die Textilarbeiter und -arbeiterinnen in den Herstellerländern zahlen. Rund vier Millionen Menschen arbeiten allein in Bangladesch unter oft unmenschlichen Bedingungen in der Bekleidungsindustrie.

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Rautenstrauch-Joest-Museum: Eine Frau markiert mit Etiketten von Textilien die Herkunft von Billigtextilien auf einer Weltkarte. 

In Ländern wie Indien und China sieht es kaum anders aus. Flüsse und Bäche – auch das zeigt die Ausstellung – werden durch Färbemittel und andere Chemikalien verseucht. Giftmüll, der bei der Kleiderherstellung anfällt, verunreinigt das Grundwasser. „Manche Dinge will man gar nicht glauben“, so Museumsdirektor Klaus Schneider.

„Fast Fashion“ punktet mit Fakten

Die Ausstellung verrät damit nichts Neues. Wohl jeder Konsument ahnt, dass es bei der Billigpreispolitik von angesagten Modeketten nicht mit rechten Dingen zugehen kann. Socken für einen Euro? Eine Hose für zehn Euro? Doch „Fast Fashion“ punktet mit Fotos, Fakten und Filmen, die so drastisch wie überzeugend die Auswüchse einer globalen Textilproduktion belegen, welche statt auf Nachhaltigkeit auf raschen Konsum und extrem niedrige Preise setzt.

Erschreckend die Äußerungen von Betroffenen wie Krishant aus Bangladesch, die bis zu 14 Stunden am Tag arbeitet und doch nicht genug hat zum Leben. Die zu dicken Ballen zusammengepressten Altkleider, die im Ausstellungsraum verteilt sind. Der Weg einer Jeans, der auf einer Litfaßsäule nachgezeichnet ist. Rund 40.000 Kilometer legt das in den Niederlanden entworfene Kleidungsstück zurück, ehe es im afrikanischen Sambia entsorgt wird.

Konzipiert wurde dieser erste Teil der Ausstellung 2015 vom Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, zwei Jahre nach dem spektakulären Einsturz einer Kleiderfabrik in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Mehr als 1100 Menschen starben am 24. April 2013 in den Trümmern des Rana Plaza, Hunderte wurden verletzt.

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Rautenstrauch-Joest-Museum: Auf einem Baumwollhemd werden die Produktionsbedingungen und die Preispolitik bei der Herstellung von Billigtextilien angeprangert.

Großformatige Fotos der Dokumentarfotografin und Aktivistin Taslima Akhtere zeigen das Grauen jenes 24. April: eine junge Frau, die ihren linken Arm bei dem Unglück verloren hat. Ein Mann, der weinend seine tote Frau in den Armen hält. Der Großteil ihres Körpers ist noch unter den Trümmern verborgen. „Death of a Thousand Dreams“, der Tod von 1000 Träumen, hat die Künstlerin aus Bangladesch ihre Fotoserie überschrieben.

Zerstörerischer Altkleiderzyklus

Eine gewisse Heiterkeit strahlen verglichen damit die Bilder des niederländisch-kanadischen Fotokünstlers Paolo Woods aus. Auch wenn sein Ansatz kaum weniger kritisch ist als der von Taslima Akhter. „Pepe“, so der Titel der Fotoserie, thematisiert die Rückkehr ausgemusterter T-Shirts in ihr Herstellerland Haiti. Die gebrauchten Kleidungsstücke, „Pepe“ genannt, stammen aus Spenden an amerikanische Wohltätigkeitsorganisationen.

Was sich in den USA nicht mehr verkaufen lässt, landet auf dem Markt von Port au Prince – verschlissene Billigware, die in der Ersten Welt vermutlich nur noch als Putzlumpen Verwendung fände. Und deren Massenproduktion zuvor Tausenden haitianischen Schneidern die Existenzgrundlage entzogen hat.

Geöffnet bis 24. Februar 2019

„Fast Fashion. Die Schattenseiten der Mode“ ist vom 12. Oktober 2018 bis 24. Februar 2019 zu sehen im Rautenstrauch-Joest-Museum, Cäcilienstraße 29-33, 50667 Köln. Öffnungszeiten Di-Sa 19-18, Do 10-20 Uhr. Es gibt ein großes Begleitprogramm. (PP)

Wie nachhaltige Modeproduktion aussehen kann, zeigt der zweite Teil der Ausstellung. „Slow Fashion“, konzipiert vom Rautenstrauch-Joest-Museum, ist ein Gegenentwurf zum Wahnsinn der textilen Massenproduktion, der aufatmen lässt. Gezeigt werden ausschließlich Objekte aus den eigenen Beständen: Textilien aus regionalen Materialien wie die Ikat-Umschlagtücher aus Indonesien oder ein Boro-Gewand aus dem Japan der Edo-Zeit, hergestellt aus vielfach wiederverwendeten Stoffresten.

Regionale Produkte, alternative Fasern

Auf Naturmaterialien setzen moderne Designerinnen wie José Hando aus Uganda. Die in London lebende Modemacherin verwendet unter anderem Rindenbaststoff für ihre Kreationen, die man im Internet bestellen oder im Kölner Museumsshop erwerben kann. „Der Baum stirbt nicht, wenn ich seine Rinde verwende“, sagt sie. „Das ist für mich das Wichtigste. Niemandem zu schaden mit dem, was ich tue.“

Ein weiteres Beispiel für eine nachhaltige und menschen- wie umweltfreundliche Textilproduktion: Faso Dan Fani, Kleidung aus Burkina Faso. Die bunten Hosen und Jacken sind komplett aus heimischer Baumwolle hergestellt. Inzwischen verarbeiten bereits zwei internationale Designer den handgewebten Baumwollstoff.

Er sehe weltweit ein Erstarken traditioneller Herstellungsweisen, sagt Oliver Lueb vom Rautenstrauch-Joest-Museum. „Es geht um das Wiederentdecken lokalen Wissens.“ Die Kölner Ausstellung sensibilisiert dafür, was ein großes Glück ist.

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