Ausstellung in WuppertalAuch andere Städte haben schöne Picassos

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Eine kubistische Frau liegt auf einem Teppich und stützt den Kopf auf eine Hand.

„Liegender Frauenakt mit Katze“ von Pablo Picasso ist derzeit im Wuppertaler Von-der-Heydt-Museum zu sehen

Das Von-der-Heydt-Museum vergleicht Pablo Picasso mit Max Beckmann. Das ist keine gute Idee. Aber darüber kann man hinwegsehen.

Als jungem Künstler knurrte auch Pablo Picasso häufiger der Magen, was aber zum Leben der Pariser Bohème nun einmal dazugehört. Aus dieser Zeit stammt seine berühmte Grafikserie der „Gaukler“, in der er seine Freunde als schöne Hungerleider mit langen Gliedmaßen porträtierte, die mit melancholischem Augenaufschlag über einem kärglichen Mahl sinnieren. Bei Käthe Kollwitz hätte das anders ausgesehen, und so erfüllt einen bei ihrem Anblick weniger Mitgefühl als Neid: Wer braucht Essen auf dem Tisch, wenn er beim Darben derart hinreißend aussieht?

Pablo Picasso war nicht nur das künstlerische Genie des 20. Jahrhunderts, er war auch eine Art König Midas, dem alles, was er berührte, zu etwas Schönem wurde. Seine kubistischen Frauen wirken trotz verknoteter Leiber wie hingegossen, und wenn er einen Stierschädel als Sinnbild des Todes malte, sah man eher das stampfende Leben darin. Selbst das qualvolle Leiden auf „Guernica“ musste er einer Komposition abringen, die im klassischen Sinn vollkommen ist.

Die Feiern zu Pablo Picassos 50. Todestag sind Publikumsmagneten

Auch deswegen sind die Jubelfeiern zu Picassos 50. Todestag sichere Publikumsmagneten, mit ungezählten Ausstellungen im Jubiläumsjahr – von denen leider kaum eine im Rheinland zu sehen ist. Sowohl Köln als auch Düsseldorf hatten in den vergangenen Jahren große Picasso-Schauen, weshalb sich etwa das Museum Ludwig im November mit der Präsentation einer späten Grafiksuite begnügt.

In die rheinische Bresche springt stattdessen das Von-der-Heydt-Museum in Wuppertal, und zwar im Verbund mit dem Sprengel-Museum in Hannover. Aus eigenen Beständen (ergänzt um einige Leihgaben) schöpfen sie die rund 160 Werke (davon 56 Gemälde) für eine Vergleichsschau, die Max Beckmann, den deutschen Helden der modernen figürlichen Malerei, an die Seite Picassos stellt.

Es ist kein Geheimnis, dass auch deutsche Mittelstädte über bedeutende Kunstsammlungen verfügen – das Von-der-Heydt war 1911 sogar das weltweit erste Museum, das einen Picasso ankaufte. Trotzdem ist das Vorhaben gewagt, wie eher nebenbei eine Wandtafel in der Ausstellung verrät. „Formal kamen Picasso und Beckmann einander wohl nie näher als in den 1920er Jahren“, steht dort und bemäntelt durchaus ungenügend, dass sich die beiden Künstler „formal“ überhaupt nur in den 1920er Jahren nahekamen. In dieser Zeit liebäugelte Picasso mit massigen und vor allem heilen Körperformen, die tatsächlich an die kraftstrotzende Malerei Beckmanns erinnern. Aber sonst?

Ein Ballonfahrer stürzt aus dem Korb, eine Frau winkt dazu.

Ausschnitt aus Max Beckmanns Gemälde „Luftakrobaten“ aus dem Jahr 1928

Begegnet sind sich die beiden Maler wohl nie, und auch in kunsthistorischen Standardwerken teilen sie sich keine Buchkapitel. Max Beckmann fand seinen Stil, eine Mischung aus neusachlicher und expressionistischer Malerei, nachdem er die Schrecken des Ersten Weltkriegs gesehen hatte und blieb später im Wesentlichen dabei. Picasso hingegen war seinen Stilen so wenig treu wie seinen Frauen. Selbstredend liebte er jeden einzelnen von ihnen. Aber wer verschwendet so viel Talent schon an die Monogamie?

In der Ausstellung begegnet uns Picasso als klassizistischer Bohemien, als die Formen zerbrechender Kubist, als Mythologe und Erotomane, als großer Kolorist und noch größerer Zeichner – eben als der Gestaltwandler, der er war. Daneben wirkt Beckmann beinahe eindimensional, obwohl die Ausstellung verblüffende Werke wie seine „Luftakrobaten“ (1928) enthält. Es zeigt zwei Ballonfahrer, einen Mann, der mit Tuba kopfüber aus dem Korb fällt, und eine Frau, die dazu, vielleicht als frühe Ankündigung des Exils, ein Amerikafähnchen schwenkt. Gleich daneben hängt in Wuppertal Picassos ungewöhnlich sachliches Gemälde zweier Briefleser an der Wand, ebenfalls aus den 1920er Jahren. Und doch geht man mit dem Gefühl, dass beide Werke vor allem das extreme Hochformat gemeinsam haben.

Vielleicht gibt es mehr Verbindungen zwischen Picasso und Beckmann, als die Ausstellung plausibel machen kann. Aber für eine schlüssige Indizienkette geben die Sammlungen auch vereint nicht genug her. Die Kuratoren zeigen Selbstporträts der Maler, sehen beide als „kritische Zeitgenossen“ und Anwälte der Ausgegrenzten, sie finden bei beiden Stillleben und Akte, eine Vorliebe für Mythen, Träume und Bühnenillusionen – was das moderne Repertoire eben hergab zu der Zeit. Trotzdem lohnt der Besuch. Allein um zu sehen, dass auch andere Häuser schöne Picassos haben.


„Pablo Picasso/Max Beckmann. Mensch – Mythos – Welt“, Von-der-Heydt-Museum, Wuppertal, bis 7. Januar. Katalog: 32 Euro (im Buchhandel 40 Euro).

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