Autistic DiscoLars Eidinger versucht sich als Künstler

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Schnappgeschossen aus dem Alltag: „Autistic Disco, St. Petersburg 2015“ 

  • Erstmals stellt der Schauspielstar in Aachen seine Videos aus.
  • Am liebsten filmt er einfach Leute.
  • Neben schönen Beobachtungen stehen Bilder der Einsamkeit.

Aachen – Eine lebensgroße Mickey Mouse steht am Genfer See und wartet, dass sich jemand mit ihr fotografieren lässt. Singend, tanzend und gestikulierend versucht sie, die Leute zu sich zu locken – jedoch vergeblich. Lediglich ein kleines Mädchen traut sich nach langem Hin und Her, ihr etwas Geld hin zu legen.

Diese Szene ist genauso passiert, Lars Eidinger hat zwölf Minuten lang mit seinem Handy zugeschaut. Einfach Leute filmen, das macht der 1976 in West-Berlin geborene Eidinger oft, daher ist seine Ausstellung „Autistic Disco“ im „Neuen Aachener Kunstverein“ voll von solchen Begebenheiten aus seinem Alltag. Dabei macht der Schauspieler und Regisseur ein paar wirklich schöne Beobachtungen, wie diese Darstellung einer fröhlichen Comicfigur, die gegen die kalte Realität verliert. Leider ist die Zusammenstellung seiner Bilder und Installationen aber so willkürlich, dass man sich ernsthaft nach der Aussagekraft seines Werkes fragen muss.

Eidingers Videos zeigen einsame Menschen und andere Kuriositäten  

Beispielsweise läuft alleine auf einem der Bildschirme zwei Stunden lang eine Auswahl seiner Instagram-Videos in Dauerschleife. Die zeigen vorwiegend Menschen, die alleine sind und auf Reklame, Handys oder Spielautomaten starren, ohne sich auch nur im Ansatz für ihre Umwelt zu interessieren. Das mutet zuerst durchaus nach klassischer Medienkritik an: Verfällt der Mensch durch die kunterbunte Turbo-Welt der „sozialen“ Netzwerke der Vereinzelung? Zusammen mit Lars Eidinger, der ja selber sehr aktiv Instagram nutzt? Das wäre als Interpretation denkbar, wenn dazwischen nicht noch viele Videos von Mülleimern, Ventilatoren und anderen Banalitäten zu sehen wären. Überhaupt ist die gesamte Ausstellung thematisch überladen: Mal geht es um Vergänglichkeit, mal um die Ungenauigkeit von Menschenhand geschaffener Dinge und manchmal nur um Kuriositäten. Die sind zwar oft sehr lustig oder bemerkenswert, tragen aber nichts zu einer erkennbaren Aussage bei oder behindern sogar deren Entstehung.

Eidingers Brillanz als Schauspieler findet sich daher in „Autistic Disco“ nicht wieder. Das ist wirklich schade, fällt einem doch deutlich seine kreative Ader und sein Talent für gesellschaftskritische Aussagen auf. Unglücklicherweise scheint er aber auch in ganz verschiedene Richtungen zu denken, ohne eine wirklich zu verfolgen. Daher erinnert diese Ausstellung auch streckenweise eher an typische Eidinger-Einfälle wie das Theaterspielen mit Wurst im Hintern: Man kommt schon auf den Gedanken, dass es etwas bedeuten könnte, aber was hat das mit dem „Menschenfeind“ von Molière zu tun?

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Der Titel „Autistic Disco“ hilft einem auch nicht gerade weiter. Offenbar ist hier nicht die Krankheit Autismus gemeint, sondern eher die umgangssprachliche Verwendung des Begriffes. Daraus ergibt sich eigentlich ein schöner Widerspruch zwischen dem Leben in der eigenen Welt und dem lustigen Beisammensein mit anderen. Diesen kann man jedoch in der Fülle der Darstellungen nicht verwirklicht sehen. Vielleicht nimmt sich Eidinger ja mal die Zeit, das Chaos zu ordnen und kommt bald mit einer klaren Haltung und einer prägnanten Aussage auch als bildender Künstler zurück.

„Autistic Disco“, Neuer Aachener Kunstverein, Di.-So. 14-18 Uhr, bis 11. August

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