Digitaler RundgangWie es auf der virtuellen Frankfurter Buchmesse zugeht

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Anne Weber sprach über ihr mit dem Buchpreis ausgezeichnetes Werk „Annette, ein Heldinnenepos“

Anne Weber sprach über ihr mit dem Buchpreis ausgezeichnetes Werk „Annette, ein Heldinnenepos“

  • Die Frankfurter Buchmesse kann aufgrund der Corona-Pandemie in diesem Jahr nicht wie gewohnt stattfinden.
  • Doch ausfallen musste die Messe nicht, da die Veranstalter sich für einen digitalen Weg entschieden haben.
  • Wie es auf der virtuellen Frankfurter Buchmesse zugeht und was die Besucher geboten bekommen.

Frankfurt/Köln – Keine Nebengeräusche, keine Drängeleien, keine maue Luft – ist doch alles super auf der Frankfurter Buchmesse 2020! Wer sich die Lage schönreden will, der rettet sich in solche Beobachtungen. Tatsächlich kann die erste digitale Ausgabe der Frankfurter Buchmesse eine reale Messe nicht ersetzen.

Aber eines muss man vor dem Computer-Bildschirm konstatieren: Es wurde und wird eine Menge in Gang gesetzt, um die Vielfalt zu erzeugen, mit der das weltgrößte Treffen der Buchbranche Jahr für Jahr gepunktet hat. Auch haben viele Verlage ihre Messestände gleichsam ins Netz verlegt und stellen dort ihre Neuerscheinungen vor. Doch wir bleiben auf dem virtuellen Messegelände. Surfen wir mal los.

Der rote Faden

Am Virus kommt kaum eine der digitalen Veranstaltungen vorbei. Ja, Anne Weber wurde auf der „ARD-Buchmessenbühne“ wie auf dem „Blauen Sofa“ des ZDF einzig zu ihrem mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Roman „Annette, ein Heldinnen-Epos“ befragt. Ansonsten aber: Corona-Ansichten zuhauf. Kristof Magnusson („Ein Mann der Kunst“) meint, dass aufgrund des verknappten Angebots die Wertschätzung der Künste steige. Theatermacher Matthias Lilienthal fordert einen Marshallplan für die Kultur. Michael Kleeberg („Glücksritter“) spricht von einer „absurden Situation“.

Campino („Hope Street“) freut sich auf das Ende der Pandemie, um die Meisterschaft des FC Liverpool nachzufeiern. Und der indische Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph Amartya Sen stellt fest, dass aus einer Krise auch Gutes erwachsen könne, weil die Menschen sich dann besonders anstrengten. Ob sich das Gute auch in der aktuellen Pandemie zeigen werde? Der Nobelpreisträger, der an diesem Sonntag den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält, meldet Zweifel an: „Ich bin ein bisschen pessimistisch.“

Ein wenig Optimismus

Gert Maak erzählt von historischen Entwicklungen auf so populäre wie erfolgreiche Art. Bei Siedler liegt nun sein Sachbuch „Große Erwartungen“ vor, das sich mit den vergangenen 20 Jahren befasst. Da erregt sich Maak über allerlei europäische Krisenfälle, vorneweg den Finanzskandal von 2008.

Schon meint man beim Gespräch auf dem Blauen Sofa des ZDF, die Welt sei nicht mehr zu retten, da stellt der Niederländer fest: „Unser europäisches Schiff ist besser geworden.“ Europa habe die Krisen überlebt und daraus gelernt. Das zeige sich rund um den Brexit: Das Austrittsbegehren habe bei den EU-Ländern – also bei allen außer Großbritannien – ein Gefühl der Zusammengehörigkeit erzeugt. Maak meint: „Das macht mich ein wenig optimistisch.“

Hunderte Verlage, ein Chef

Die Freiheit des Wortes ist das edelste Thema der Buchmesse (auch wenn der Umsatz häufiger Thema ist). Anlässlich der Verleihung des Prix Voltaire an das im Verborgenen operierende Liberal Publishing House in Vietnam bot das „Kuratierte Fachprogramm“ einen Schnellkurs in Sachen Zensur und Selbstzensur. Es gebe Hunderte von Verlagen und Tausende von Medienplattformen in Vietnam, sagte Trinh Huu Long vom Magazin Luat Khoa (das im Exil erscheint). Doch alle Medien hätten nur einen Chefredakteur: die Kommunistische Partei Vietnams. Immerhin – das Internet sei, anders als in China, „relativ frei“.

Doch schon wer sich Papier und Druckerpatronen besorge, fügte die Autorin Pham Doan Trang an, könne sicher sein, von einer der zahllosen Kameras in der Öffentlichkeit erfasst zu werden. „Es herrscht ein Klima der Angst in Vietnam“, sagte Long, „und die Regierung sorgt dafür, dass es so bleibt.“

Germany’s Ex-Topmodel

Das Schöne an jeder Frankfurter Buchmesse ist, dass sie die unterschiedlichsten Aspekte des Daseins unter einem Dach beleuchtet. Auch in der Digital-Ausgabe. Dort treffen wir auf Anne-Sophie Monrad, die sich mit 17 Jahren von einem „Booker“ ins Modelbusiness hat locken lassen, nicht zuletzt ermutigt durch „Germany’s Next Topmodel“. In der Szene hörte sie vor allem den Satz „Don’t miss your moment!“ Das war die Aufforderung, sich so dünn wie möglich zu hungern.

Denn auf den Laufstegen der Haute Couture dürfe nichts von den Kleidern ablenken, so Monrad auf der ARD-Bühne, nicht Brust, nicht Po, nicht Hüfte. Über ihren Ausstieg aus dem Magerwahn legt die mittlerweile 29-Jährige ihr Buch bei dtv vor: „Licht und Schatten des Modebusiness – Ein Topmodel berichtet“. Monrad modelt weiter – aber jetzt zwei Kleidergrößen höher als zuvor. Die Hauptsache sei, meinte sie, dass man sich in seinem Körper wohlfühle: „Es geht doch auch normal, es muss nicht immer so extrem sein.“

Das nächste heiße Ding

Podcasts sind im Aufwind. Derzeit wird mit den Audio-Angeboten weltweit eine Milliarde US-Dollar umgesetzt. In zehn Jahren, so eine Prognose im Forum „Frankfurt Conference“, sollen es zehn Milliarden Dollar sein. Das Interesse, so sagte es Clarissa Pabi vom schwedischen Podcast-Unternehmen Acast, sei gerade in Zeiten der Pandemie weiter gestiegen. Da geht es zumal um die Nachrichten-Angebote.

Ihre Kollegin Alice Lloyd vom britischen Verlag Trapeze Books meint, die Kürze mache das Format so attraktiv. Das sieht Morten Strunge vom dänischen Anbieter Podimo genauso. Von einer Kannibalisierung der anderen Verlags-Plattformen, der Audiobooks oder gar der Bücher, könne keine Rede sein. Vielmehr werde das Feld erweitert: „Wir erreichen mit Podcasts ein neues, jüngeres Publikum.“

Frankfurt in Taiwan

Virtualität statt Realität? Gray Tan von der Literaturagentur Grayhawk, aus Taiwan zugeschaltet, sagte in einer der vielen Gesprächsrunden, was bei einer Buchmesse den Unterschied ausmacht: „Nach Frankfurt kommen einfach alle – und nicht wenige Abschlüsse entstehen dadurch, dass man sich zufällig auf dem Messegelände begegnet.“

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Seine Kollegin Ching-Fang Hu, Präsidentin der „Taiwan Creative Agency“, will zumindest eine Frankfurter Tradition aufrechterhalten: Sie lädt die taiwanesische Verlagsszene zu einer Messeparty ein. Nicht in Frankfurt, sondern in Taipeh.

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