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Deutscher FernsehpreisDer Glanz der Abwesenheit

4 min
Otto Waalkes, Komiker bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises.

Otto Waalkes, Komiker bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises.

Der Verleihung des deutschen Fernsehpreises in Köln blieben selbst viele Gewinner lieber fern – Einige Höhepunkte gab es immerhin.

Die Bedeutung einer Preisverleihung kann man auch daran ablesen, ob die Nominierten vor Ort sind. Nimmt man die Anwesenheitsquote zum Maßstab, hat der Deutsche Fernsehpreis, der am Mittwochabend in den MMC Studios in Ossendorf verliehen wurde, ein Problem. Gerade zu Beginn konnte man im Studio den Eindruck gewinnen, sich zu einer Videokonferenz verabredet zu haben. Von fünf Nominierten in der Kategorie Bester Schauspieler waren etwa nur zwei vor Ort, Gewinner Leonard Kunz – für seine Rolle in „Ein Mann seiner Klasse“ – wurde von Dreharbeiten zugeschaltet, freute sich aber immerhin sehr aufrichtig.

Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf, beide schon mehrfach ausgezeichnet, wurden aus ihrem Studio zugeschaltet, wo sie gerade für neue Folgen von „Ein sehr gutes Quiz“ (Pro Sieben) probten, für das sie in der Kategorie „Beste Unterhaltungsshow“ dann auch den Preis erhielten. Und so ging es weiter. Heidi Klum (nominiert für „Germany's Next Topmodel“) war ebenso wenig vor Ort wie ihr Mann Tom Kaulitz, der mit seinem Bruder Bill in der Kategorie „Beste Reality“ im direkten Vergleich gegen sie antrat. Die Brüder siegten für „Kaulitz & Kaulitz – Staffel 2“ und köpften ihren Champagner in Los Angeles.

Ina Müller fehlte krankheitsbedingt und konnte ihre Auszeichnung in der Kategorie „Beste Comedy/Late Night“ daher nicht persönlich entgegennehmen. Teddy Teclebrhan wurde aus Mexiko zugeschaltet und siegte in der Kategorie „Beste Moderation/Einzelleistung Unterhaltung“ für „Wer stiehlt mir die Show?“.Und auch das Team von „Achtsam morden“ um Tom Schilling war nicht vor Ort. Johannes B. Kerner wurde als Presenter ebenfalls aus seinem „Quiz-Champignon“-Studio zugeschaltet. Das war schade, weil es der von Barbara Schöneberger gewohnt routiniert moderierten, wenn auch nicht besonders innovativen Show Glamour und Gewicht nahm.

Es war auch deshalb schade, weil Magenta TV – die Telekom gehört seit 2020 zum Stifterkreis – als erstmaliger Ausrichter der Verleihung (in Kooperation mit dem ZDF) sich alle Mühe gegeben hatte, den tristen Hallen im tristen Gewerbegebiet von Ossendorf ein bisschen mehr Glitzer zu verleihen. Es klingt banal, aber es gab bei der Aftershow-Party mehr Essen und mehr Drinks, außerdem wurde wie in früheren Jahren die gesamte Mall des Coloneums genutzt und nicht nur ein kleiner Bereich, in dem sich dann alle drängten. Nach viel Hin und Her der vergangenen Jahre macht es den Eindruck, dass der Fernsehpreis in seiner alten Heimat wieder angekommen ist. Die Preisverleihung bot zwar nicht die ganz großen Momente, an die man sich auch noch in ein paar Jahren erinnern wird, aber es gab immerhin auch keine Ausfälle oder Peinlichkeiten.

Maria Furtwängler (l.) bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises.

Maria Furtwängler (l.) bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises.

Und ein paar emotionale Auftritte gab es dann doch. Maria Furtwängler wurde als beste Schauspielerin für den Film „Bis zur Wahrheit“ (ARD/NDR) ausgezeichnet. Darin spielt sie eine Chirurgin, die während eines Nordsee-Urlaubs von dem Sohn ihrer besten Freundin vergewaltigt wird. Sichtlich berührt sprach sie über den gesellschaftlichen Umgang mit den Opfern solcher Taten. Sie verspüre Zorn darüber, „dass wir in einer Gesellschaft leben, in der es immer noch nicht selbstverständlich ist, dass eine Frau zu jedem Zeitpunkt ‚Nein‘ sagen kann und darf und dass es ganz egal ist, ob sie einen kurzen Rock trägt oder vorher mit dem Mann geflirtet hat.“

Wertschätzung in einer herausfordernden Zeit

Den emotionalsten Moment des Deutschen Fernsehpreises gab es allerdings gar nicht bei der großen Gala, sondern am Dienstag in der Kölner Flora, bei der die Gewerke, die zwar nicht mit den großen Promis punkten, dafür aber entscheidend für die Qualität einer Produktion sind, ausgezeichnet wurden. Bei dieser „Nacht der Kreativen“ erhielt der KHM-Absolvent Bilal Bahadır für das Drehbuch zu seinem Seriendebüt „Uncivilized“ einen Fernsehpreis und hielt eine bewegende Rede, in der er die Verletzungen, die ihm der Alltagsrassismus Zeit seines Lebens zufügt, zum Ausdruck brachte. Überhaupt war der Abend geprägt von Wertschätzung in einer für die Fernsehbranche wirtschaftlich herausfordernden Zeit.

Bei der Gala am Mittwoch wurde die parlamentarische Berichterstattung beim Sender Phoenix als beste Informationssendung ausgezeichnet. Reporter Erhard Scherfer sagte, der „tapfere kleine Spartenkanal“ mute seinen Zuschauern ordentlich etwas zu, traue ihnen aber auch etwas zu - und das funktioniere. Es war der verzweifelte Appell einer Redaktion, die weiß, dass die Luft für ihren Sender langsam dünn wird.

Wenn man alle Preise beider Verleihungen zusammenrechnet, hat die ARD mit acht Siegen die meisten Ehrungen erhalten, dahinter folgen das ZDF (6) und RTL (5). ProSiebenSat.1 kommt auf drei Deutsche Fernsehpreise, Netflix, Prime Video und Apple TV+ auf jeweils zwei. Mit je einer Ehrung ausgezeichnet wurden MagentaTV und Phoenix.

End- und Höhepunkt der Gala am Mittwoch war dann die Verleihung des Ehrenpreises der Stifter an Otto Waalkes. Der 77-Jährige war sichtlich gerührt und griff dann auch gleich mal auf der Bühne zur Gitarre und stimmte einige seiner bekannten Nummern an, wie – passenderweise – „Wir haben Grund zum Feiern“ an. Zur anschließenden Party fuhr ihn dann sein Freund und ehemaliger Mitbewohner Marius Müller-Westernhagen im Golfcart.