Neuer Roman von Eleanor CattonDieser Öko-Thriller liest sich wie ein Rausch

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Die Autorin trägt ein gemusrertes Kleid und lächelt in die Kamera. Sie hat lange blonde Haare. Im Hintergrund eine Fotowand mit den Aufschriften "Focus Features" und "Emma".

Eleanor Catton bei der Premiere von „Emma“ in Los Angeles

Eleanor Catton stellt am Dienstag ihren Roman „Der Wald“ im Kölner Literaturhaus vor. Eine Kritik.

Was ist Glück? Diese Frage ist vermutlich so alt wie die Menschheit und jeder beantwortet sie auf seine Weise. Für die neuseeländischen Öko-Aktivisten der Gruppe „Birnam Wood“ in Eleanor Cattons jüngstem Roman sieht es auf jeden Fall nach einem unerwarteten Glücksfall aus, als der Milliardär Robert Lemoine ihnen eine aufgegebene Farm mit einem großen Stück Land überlassen will, das idealerweise auch noch an einen großen Nationalpark grenzt. Gleichzeitig erklärt er sich bereit, die Arbeit der kleinen Umweltschutz-Genossenschaft finanziell zu unterstützen. Das fast 400 Hektar große Gelände, um das es geht, ist durch einen Erdrutsch nur noch schwer zugänglich, aber für „Birnam Wood“ bietet es die Chance, ohne Geldsorgen und in relativer Abgeschiedenheit ihre Idee von naturnahem Leben und Arbeiten zu verwirklichen.

Er selbst, so erklärt er das den etwas chaotisch-fröhlichen jungen Leuten, will dort in der nun von der Infrastruktur abgeschnittenen Region demnächst einen riesigen Bunker bauen, der angesichts der Bedrohungen durch Umweltkatastrophen und denkbare Kriege das Überleben sichert. Diese Art Vorsorge scheint unter den wirklich Superreichen dieser Welt gerade das bevorzugte Hobby zu sein. Zumindest nehmen ihm die plausibel klingende Erklärung ab – die Marotte eines schwerreichen Exzentrikers eben, ein bisschen irre, aber in seinen Kreisen offensichtlich normal.

Eleanor Cattons Roman ist nicht nur ein Krimi

Mira Bunting, die inoffizielle Anführerin dieser (ansonsten selbstverständlich basisdemokratischen) Idealisten, treibt die Vereinbarung mit dem vermeintlichen Wohltäter Robert voran, sie will gestalten und das Projekt wachsen lassen. Ihr Ex-Freund Tony hingegen hegt ein grundsätzliches Misstrauen gegen Menschen mit den ganz großen Portemonnaies, er zweifelt in seiner antikapitalistischen Weltsicht an den hehren Motiven des Milliardärs. Für ihn, den Puristen, ist ein Akzeptieren des Angebots eine Absage an die idealistischen Prinzipen von „Birnam Wood“. Im Streit verlässt er die hippie-ähnliche Gruppe und macht sich auf, als investigativer Blogger hinter die möglichen Geheimnisse Robert Lemoines zu kommen. Und die, man ahnt es, haben es in sich und spiegeln den Größenwahn des zynischen Machtmenschen Robert Lemoine.

Wer nach dieser kurzen Inhaltsbeschreibung Cattons „Der Wald“ für einen Krimi hält, wird dem vielschichtigen Roman nicht gerecht. Er ist auch ein Krimi, aber er ist viel mehr als die übliche Dutzendware dieses Genres. Die Geschichte ist fein gesponnen, voller überraschender Wendungen und Perspektivenwechsel. Auf eine Einteilung des Romans hat die kanadisch-neuseeländische Bestseller-Autorin mutig ganz verzichtet. Ihr rasanter Schreibstil rechtfertigt das, damit bekommt die Lektüre fast etwas Rauschhaftes. Dabei gelingt es Eleanor Catton, das Tempo nach fast ruhigem Beginn immer mehr zu steigern bis zu einem atemberaubenden Finale.

„Der Wald“ überzeugt mit komplexen Figuren

Vor allem die filigran gezeichneten Figuren überzeugen, ihr Umgang miteinander und die Beschreibung der Dynamik, die ausgelöst werden, ist gelungen. Das Bild, das von der Gruppe der Öko-Aktivisten entsteht, hat viele Schattierungen, die von naiv über narzisstisch bis manipulativ reichen. Es sind privilegierte Mittelschicht-Kinder, die bei allem Engagement für Umwelt- und Naturschutz auch in hoher Drehzahl um sich selbst kreisen.

Robert Lemoine, der Milliardär, ist dagegen fast eindimensional geraten: Ein durch Cleverness und Rücksichtslosigkeit zu unermesslichem Reichtum gekommen, erinnert er an lebende Vorbilder wie Peter Thiel, Elon Musk oder Jeff Bezos. Skrupel lenken ihn nicht in der gnadenlosen Verfolgung seiner Ziele ab, für ihn ist Leben herausfordernder Kampf, der erst mit dem Tod endet.

Eleanor Catton ist nicht nur eine hochdekorierte Schriftstellerin, die u.a. den renommierten Booker-Preis gewonnen hat. Sie ist auch erfolgreiche Drehbuchautorin. Das merkt man vor allem den Dialogpassagen an, die so natürlich wirken und sich organisch einpassen, was sich angenehm unterscheidet von den gelegentlich sehr hölzernen Dialogen anderer Autoren.

Zum Buch und zur Veranstaltung

Eleanor Catton: „Der Wald“. Penguin Random House, 512 Seiten, 25 Euro.

Eleanor Catton liest am 16.04. im Kölner Literaturhaus aus „Der Wald“, alle Informationen dazu gibt es hier.

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